Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat den chinesischen Schwimm-Star Sun Yang wegen der Verletzung von Anti-Doping-Regeln für acht Jahre gesperrt. Welche Schlüsse aus dem Urteil vom Freitag zu ziehen sind, erläutert Paul Lambertz.
Der Sport und das Doping schreiben mitunter absurde Geschichten. Doch dass eine Urinprobe mit einem Hammer zerstört wird, um die Kontrolle zu verhindern und dass das dann kein Verstoß gegen die Anti Doping Regeln gewesen sein soll, gehört fraglos in die Top 10 der Absurditäten.
Nichts anderes als die Glaubwürdigkeit des gesamten Dopingsanktionssystems standen also zur Verhandlung vor dem internationalen Sportschiedsgerichtshof CAS in Lausanne. Dass die Glaubwürdigkeit des Systems am Ende gewahrt wurde, können wir den CAS Schiedsrichtern verdanken.
Verhandelt werden musste der Fall des chinesischen Ausnahmeschwimmers Sun Yang. Dem 28-jährigen sollten am 4. September 2018 im Rahmen einer "Out Of Competion"-Kontrolle Blut und Urin für eine Dopingkontrolle abgenommen werden. Im Antidopingkampf gibt es zwei Arten von Kontrollen: Einmal die erwartbare, vorhersehbare Kontrolle im Wettkampf und die nichterwartbare und damit wohl auch effektivere Kontrolle außerhalb des Wettkampfs, deren Zeitpunkt sich an den Wettkämpfen des zu kontrollierenden Athleten orientiert. Doch was zunächst wie eine Routinekontrolle anfing, sollte sich schnell zu einer unglaublichen Geschichte entwickeln und die Glaubwürdigkeit der Dopingbekämpfung durch die FINA, dem internationalen Schwimmverbands, infrage stellen.
Wie eine Dopingkontrolle abzulaufen hat, ist recht dezidiert festgelegt. In Deutschland beispielsweise in den "Standard für Dopingkontrollen und Ermittlungen". So müssen die Kontrolleure beispielsweise sich ausweisen und eine Bevollmächtigung der sie beauftragenden Testeinheit, wie etwa der FINA, vorlegen.
Um den Fall zu verstehen, muss man auch wissen, dass ein Verstoß gegen den Anti-Doping-Code nicht nur dann vorliegt, wenn eine verbotene Substanz im Körper des Athleten festgestellt wurde sondern auch dann, wenn der Athlet sich unberechtigterweise weigert, eine Probe abzugeben oder die Probe zerstört. Und genau die Frage, wann sich ein Athlet berechtigterweise weigern kann, eine Probe abzugeben, stand im Mittelpunkt des Verfahrens.
Unberechtigt agierender Kontrolleur?
Konkret wurde der Athlet während seines einstündigen Testzeitraums - jeder Topathlet muss pro Tag eine Stunde angeben, an dem er in jedem Fall für eine Dopingkontrolle verfügbar ist - von drei Dopingkontrolleuren angetroffen. Als Kontrollteam traten die eigentliche Kontrolleurin und zwei Assistenten an. Während die Dopingkontrolleurin alle notwendigen Ausweisdokumente vorlegen konnte, wies sich einer der Assistenten nur mit seinem Ausweis aus. Obwohl die Kontrolleurin Yang erklärte, dass sie den Assistenten - berechtigterweise - bevollmächtigt habe und dass der Assistent alle notwendigen Schulungen habe, um seine Aufgaben zu erfüllen, reichte dies Yang nicht aus. Er zweifelte die Berechtigung des Assistenten weiterhin an und verlangte, dass dieser Assistent die Dopingkontrolle verlassen sollte. Die ebenfalls anwesende Mutter von Yang drohte sogar mit ihren Polizeikontakten, sollte der Assistent nicht die Dopingkontrolle verlassen.
Nun endlich konnte dem Athleten Blut abgenommen werden. Doch obwohl der Assistent zwischenzeitlich die Kontrolle verlassen hatte, diskutierte der Athlet weiterhin über die vermeintlich fehlende Berechtigung des Assistenten. Yang wandte sich sogar telefonisch an Herrn Cheng, den Leiter des chinesischen Schwimmnationalteams. Dieser sagte, dass jedes Mitglied des Kontrollteams sich ordnungsgemäß auszuweisen habe und erklärte, da dies nicht so sei, werde Yang keine Urinprobe abgeben.
Doch Yang musste im Laufe der nun schon seit Stunden andauernden Probe nun doch urinieren. Es wurde vorgeschlagen, dass der zwischenzeitlich verbannte Assistent unter Beobachtung der Mutter des Athleten oder die Dopingkontrolleurin selbst die Abgabe des Urins beobachten sollte, doch beides wurde vom Athleten abgelehnt. Letztlich urinierte Yang mehrfach ohne Zeugen, so dass keine Urinprobe genommen werden konnte. Das Bezeugen der Urinabgabe ist besonders wichtig, um Manipulationen auszuschließen, denn in der Vergangenheit hatten Athleten öfter versucht, etwa durch am Köper angebrachte Urinbeutel, zu betrügen.
Der zwischenzeitlich eingetroffene Arzt von Yang zog nun auch die Berechtigung der beiden noch anwesenden Kontrolleure in Zweifel. Doch obwohl dem Athleten verschiedene Möglichkeiten angeboten wurden, wie mit seinen Zweifeln an der Berechtigung des Teams umgehen zu können, konnte keine Einigung mit dem Athleten erzielt werden.
Zerstörung mit dem Hammer?
Schließlich kam es zu der Handlung, die diesen Fall noch mehr aus der Masse der Kontrollen hervorhebt als ohnehin schon. Der Athlet zerstörte eine der beiden Blutbehältnisse mutmaßlich mit einem Hammer und machte diese damit unbrauchbar, so jedenfalls die Version der Kontrolleurin. Laut Yang indes scheiterte die Zerstörung der Probe mit dem Hammer; die Probe wurde schließlich geöffnet und entleert. Das Kontrollteam musste einsehen, dass eine weitere Durchführung der Probe sinnlos war und zog unverrichteter Dinge ab.
Nachdem die FINA daraufhin Yang zunächst wegen der unberechtigten Weigerung der Abgabe einer Dopingkontrolle sperrte, entschied das Doping Panel der FINA, dem das Verfahren vorgelegt wurde, dass die Kontrolle nicht rechtmäßig gewesen war, weil die Berechtigung des im Laufe der Kontrolle rausgeschickten Assistenten nicht separat in einem offiziellen Schriftstück sondern nur mündlich durch die Kontrolleurin erfolgte.
Da die WADA, die Welt Anti Doping Agentur, die in solchen Verfahren immer auch ein Rechtsmittelrecht hat, diese Entscheidung des Panels für falsch hielt, wurde der internationale Sportschiedsgerichtshof CAS in Lausanne angerufen.
Mit dem nunmehr am Freitag verkündeten Strafmaß dürfte die Karriere des schon einmal wegen Dopings gesperrten Yang beendet sein. Mit Sicherheit aber verpasst der Freistilexperte und dreimalige Olympiasieger die Olympischen Spiele in diesem Sommer in Tokio.
Effektive Dopingverfolgung nur außerhalb der Sportverbände
Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass effektive und glaubwürdige Dopingverfolgung nur außerhalb der Sportverbände erfolgen darf. Zu nah sind ansonsten die Bande des Betrügers und des Verbands miteinander verknüpft. Und wenn es sich - wie im Fall von Yang - um einen schillernden Athleten der Sportart handelt, kann das Interesse des Sportverbandes gering sein, den Sport mit einem prominenten Dopingfall zu beschmutzen.
Was folgt nunmehr aus diesem Urteil für Sportler, wenn diese Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Dopingkontrolle haben? Eines gewiss: Wenn auch nur leise Zweifel an der Berechtigung der Kontrolleure bestehen, muss der Athlet die Kontrolle dennoch über sich ergehen lassen und seine Zweifel an der Berechtigung auf dem Kontrollblatt der Kontrolle vermerken oder später im Verfahren thematisieren.
Stellt sich dann heraus, dass die Zweifel berechtigt waren, war die Kontrolle nicht rechtmäßig und das Ergebnis kann nicht verwertet werden. Unter keinen Umständen sollte aber der Athlet die Kontrolle an sich verhindern, denn wenn sich die Zweifel als unberechtigt herausstellen sollten, wäre eine rechtmäßige Kontrolle verhindert worden und der Athlet hätte gegen die Anti-Doping-Regeln verstoßen.
Autor Dr. Paul Lambertz ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sportrecht in Düsseldorf.
Internationaler Sportgerichtshof verhängt lange Sperre: . In: Legal Tribune Online, 28.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40549 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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