Am dritten Verhandlungstag gegen "Shiny Flakes" und seine Mitangeklagten ging es hoch her. Es kam zu Geständnissen. Es ging um Tatprovokation und ein verwanztes Auto. Und schließlich wurde das Handy einer Journalistin beschlagnahmt.
Wenn Polizisten Drogen kaufen und sich deshalb gegebenenfalls selbst strafbar machen, begründet das gleichwohl kein Beweisverwertungsverbot. Mit dieser von der 8. Strafkammer des Landgerichts Leipzig (LG) in einer Erklärung geäußerten Rechtsansicht begann der dritte Verhandlungstag im Candy-Love-Prozess. Hintergrund der Ausführungen war, dass einer der Verteidiger des Angeklagten Maximilian Schmidt (alias "Shiny Flakes") am zweiten Verhandlungstag ein Verwertungsverbot wegen Tatprovokation durch Polizisten forderte (LTO berichtete).
Angeklagte gestehen Beihilfe
Zwei der fünf Angeklagten, die über den Onlineshop "Candylove" circa 20 Kilogramm Drogen in über 400 Postsendungen an Abnehmer verschickt haben sollen, ließen am dritten Verhandlungstag jeweils eine Erklärung durch ihre Verteidiger verlesen. Darin bestätigten sie den gegen sie erhobenen Vorwurf der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.
Demnach sei der Angeklagte Jens M. am Portionieren und Verpacken der Betäubungsmittel beteiligt gewesen. Zudem wurden auf seinen Namen in eine Bunkerwohnung, in der er sich aufhielt, Bestellungen geliefert. Der angeklagte Anwalt R. sei – wie auch für den Angeklagten G. – sein Verteidiger gewesen. Den Hauptangeklagten Maximilian Schmidt, u.a. bekannt aus der Netflix-Dokumentation "Shiny Flakes", habe er über den Angeklagten G. kennen gelernt, weitere Informationen hinsichtlich Schmidt enthielt die Erklärung nicht.
Der Angeklagte Julius M. habe weisungsgemäß portioniert und verpackt, zudem Versandmaterial und Hilfsmittel bestellt und Sendungen per Briefpost in verschiedene Briefkästen verteilt. Er habe von allen Angeklagten lediglich Jens M. gekannt. Von diesem sowie mittels eines Messenger-Dienstes von einer Person namens "Ralf" habe er Anweisungen erhalten, nach denen er gehandelt habe.
Beide gaben unabhängig voneinander an, für ihre Tätigkeit jeweils 1.500 € monatlich zuzüglich der Kosten für die Wohnung erhalten zu haben. Von wem, blieb offen. Rückfragen ließen die Männer und ihre Verteidiger nicht zu.
"Shiny Flakes" kündigt Geständnis an
Der Vorsitzende Richter Rüdiger Harr zeigte sich – trotz der Verweigerung einer Befragung – erfreut über die frühzeitigen Geständnisse. Das sei so, wie es sich die Kammer vorgestellt habe. Eine Vorstellung, der wohl auch im weiteren Verlauf entsprochen wird: Die Verteidiger Schmidts und die Verteidigerin des Angeklagten G. kündigten ebenfalls Einlassungen ihrer Mandanten an.
Maßgeblich sind laut Kammer nach wie vor zwei Fragen. Eine betreffe das Vorliegen des Bandenmerkmals. Die andere bestehe darin, ob es sich um sechs einzelne Taten handele oder durch das stetige Auffüllen eines Drogenvorrats eine einheitliche Tat angenommen werden kann.
Darüber hinaus bildet die Zulässigkeit der Telekommunikationsüberwachung des Angeklagten R. nach wie vor eine Kernfrage des Prozesses. Im Ermittlungsverfahren wurden Informationen durch das Abhören von Telefongesprächen zwischen dem Angeklagten G. und seinem damaligen Anwalt R. gewonnen. Diese könnten unverwertbar sein, wenn R. zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Beschuldigter galt.
Die Aussage des sodann geladenen Zeugen wurde von der Kammer vorab auf Umstände beschränkt, die nicht in Zusammenhang mit der Telekommunikationsüberwachung und dem Mandatsverhältnis von R. und G. stehen. Damit wollte das Gericht "Konfliktpotenzial entschärfen" und umging somit erneut die Frage der Zulässigkeit der umstrittenen Ermittlungsmaßnahme.
Ermittler verwanzten Auto eines Angeklagten
Der Zeuge – wie am zweiten Verhandlungstag ein ermittelnder Beamter – sagte aus, an verschiedenen Postbeschlagnahmen, der Durchsuchung von den Kanzleiräumen und der Privatwohnung des Angeklagten R. sowie einer Innenraumüberwachung des Angeklagten G. beteiligt gewesen zu sein. Das Fahrzeug des G. sei durch den geheimen Einbau eines Mikrofons überwacht worden. Dabei habe man unter anderem feststellen können, wie der Angeklagte G. zusammen mit dem Angeklagten Jens M. zwei Kilogramm Kokain erworben und in eine Bunkerwohnung verbracht habe. Der Zeuge bestätigte mit seiner Aussage auch, dass die Polizei mehrmals Bestellungen über den Onlineshop tätigte, die ihr anschließend auch geliefert wurden.
Der Onlineshop sei sodann ab Januar 2020 nicht mehr im Internet verfügbar gewesen. Warum der Zugriff erst im August 2020 – nach mehreren Bestellungen und sieben Monate nach Verschwinden des Onlineshops – erfolgte, beantwortete der Zeuge nur mit der zögerlichen Anmerkung, es habe "möglicherweise" einen weiteren Shop gegeben.
Schließlich lieferte der Zeuge auch eine Erklärung für einige offene Fragen des vorigen Verhandlungstages, insbesondere lüftete er das Geheimnis um die "Autosachen". Maximilian Schmidt hatte dies in der Neflix-Dokumentation als knappe Antwort auf die Frage nach seiner aktuellen Tätigkeit gegeben. Es habe zwei verschiedene Autohandel gegeben, einer davon unter der R-GmbH, der andere unter der Geschäftsführung der damaligen Lebensgefährtin des G. Schmidt sei bei einem von beiden angestellt gewesen und habe ein monatliches Gehalt von 900 € erhalten.
Staatsanwaltschaft beschlagnahmt Handy von Journalistin
Den Prozess begleiten weiter mehrere Journalisten, eine von ihnen für den Deutschlandfunk. In der Verhandlungspause nahm die Journalistin ein kurzes Gespräch zwischen ihr, dem Angeklagten Schmidt und seinen Verteidigern mit ihrem Mobiltelefon auf. Darauf reagierte der Verteidiger Schmidts, Curth-Matthias Engel, mit der lautstarken Beantragung der Beschlagnahme des Mobiltelefons, wegen angeblich heimlicher Tonaufnahme nach § 201 Strafgesetzbuch (StGB). Er stellte zusammen mit dem Angeklagten Schmidt sogleich Strafantrag.
Nachdem die Journalistin zur Löschung der Aufnahme aufgefordert wurde, äußerte sich sogar der bisher schweigsame Schmidt, offenbar in Sorge um die fehlende Endgültigkeit der Löschung, gegenüber dem Vorsitzenden: "Wenn Sie mir das Handy geben, kann ich Ihnen das gern wiederherstellen."
Nachdem der Richter in Bezug auf die Zuständigkeit für Beschlagnahmen auf die Staatsanwaltschaft verwies, rief der Sitzungsvertreter tatsächlich noch in der Verhandlungspause den Ermittlungsrichter an, der der Beschlagnahme zustimmte. Die Journalistin stand also am Ende der Verhandlung ohne Handy dar. Vor dem Hintergrund, dass die Aufnahmen von Radiojournalisten regelmäßig als solche erkennbar sind, ein zumindestens fragwürdiges Vorgehen, das ein juristisches Nachspiel haben könnte. Staatsanwaltschaft und Gericht schienen sich vom lauten Auftritt des Verteidigers Engel durchaus beeindruckt zu zeigen. Die Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahme des Arbeitsgerätes einer Journalistin wurde hingegen nicht einmal diskutiert.
Journalistin droht Ausschluss vom Verfahren
Die Journalistin warf dem Verteidiger Selbstdarstellung vor. Dieser wiederum wollte sie von der Verhandlung ausgeschlossen wissen. Der Vorsitzende stellte eine diesbezügliche Entscheidung nach dem Gerichtsverfassungsgesetz unter dem Hinweis auf das Spannungsverhältnis zwischen Pressefreiheit, Öffentlichkeitsgrundsatz und geschütztes Mandatsverhältnis zunächst zurück.
Auch im übrigen herrscht in Sachen Pressefreiheit Konfusion am LG Leipzig. Der für den Deutschlandfunk tätigen Journalistin wurde wie auch der Autorin dieses Beitrags von den Wachtmeistern die Anfertigung von Fotos untersagt, mit der Begründung, es dürfe nur mit einer Fotokamera, aber nicht mit einem Handy fotografiert werden.
Nun birgt der Prozess also nicht nur die Frage nach den Grenzen bestimmter Ermittlungsmaßnahmen, sondern auch die Frage nach den Grenzen der Pressefreiheit.
Dritter Verhandlungstag im Candylove-Prozess: . In: Legal Tribune Online, 02.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50967 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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