Telekommunikationsunternehmen sind gesetzlich verpflichtet, in ihren Verzeichnissen gespeicherte Namen, Adressen und Telefonnummern an Konkurrenten herauszugeben. Das entschied das BVerwG am vergangenen Mittwoch. Sollte man sich nun lieber nicht mehr in Telefonbücher und Verzeichnisse eintragen lassen? Es sich genauer denn je zu überlegen, schade jedenfalls nicht, meint Markus Schröder.
Das Verfahren zog sich über mehrere Instanzen und lag zwischenzeitlich auch dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig schließlich entschieden, dass die gesetzliche Pflicht zur Weitergabe von Telefon-Teilnehmerdaten mit europäischem Recht vereinbar ist.
Jeder hat das sicher schon häufiger erlebt: Plötzlich stößt man im Internet auf ein Verzeichnis, in dem der eigene Name, die Adresse und Telefonnummer gespeichert sind. Dabei hatte man seine Daten dort doch gar nicht mitgeteilt. Möglich macht dies das Telekommunikationsgesetz (TKG). Nach § 47 Abs. 1 S. 1 sind Telekommunikationsanbieter verpflichtet, anderen Unternehmen Teilnehmerdaten auf Antrag herauszugeben, wobei die Datenschutzvorschriften des TKG beachtet werden müssen.
Der Telefonkunde hat es somit zwar in der Hand, ob und welche seiner Daten veröffentlicht werden. Doch sobald ein Provider diese einmal in seinem Verzeichnis erfasst hat, muss er diese Daten auf Antrag konkurrierenden Anbietern zur Verfügung stellen. Gegen diese Regelung hat die Deutsche Telekom AG geklagt und unterlag in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln. Die Sache ging weiter zum BVerwG. Die Leipziger Richter hatten Zweifel an der Europarechtskonformität der TKG-Regelung; Zweifel, die der EuGH ausräumen konnte.
TKG ist europarechtskonform
Das Luxemburger Gericht hatte zwei Fragen des BVerwG zu beantworten. Verstößt die Vorschrift des § 47 TKG, die Provider verpflichtet, auch die Teilnehmerdaten an Konkurrenten herauszugeben, die sie von dritten Unternehmen erhalten hat, gegen Art. 25 Abs. 2 der EU-Universaldiensterichtlinie? Diese sieht vor, dass Telekommunikationsunternehmen auf alle zumutbaren Anträge hin die Daten zur Verfügung stellen müssen. Die Antwort des EuGH: Die Vorschriften sind miteinander vereinbar.
Außerdem musste der EuGH entscheiden, ob § 47 TKG gegen Art. 12 der EU-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation verstößt. Nach der Regelung dürfen Telefonkunden selbst festlegen, ob und welche ihrer Daten in öffentliche Verzeichnisse aufgenommen werden.
Die Europarichter halten auch diese Vorschriften für miteinander vereinbar, sofern gewährleistet ist, dass die Daten nach ihrer Weitergabe nicht für andere Zwecke als diejenigen verwendet werden, für die sie ursprünglich gespeichert wurden. Das Europarecht fordere nicht, dass das Telekommunikationsunternehmen, dem der Kunde seine Daten ursprünglich zur Verfügung gestellt hatte, der Veröffentlichung zustimme. Allein der Teilnehmer selbst könne seine Zustimmung erteilen oder verweigern.
Die Leipziger Perspektive
Das BVerwG hat sich dieser Argumentation nun angeschlossen. Nach seiner Entscheidung vom Mittwoch hat der Telefonkunde zwar das Recht zu entscheiden, ob und welche seiner Daten veröffentlicht werden. Er hat aber nicht die Möglichkeit, die Veröffentlichung auf einzelne Unternehmen zu beschränken (Urt. v. 25.07.2012, Az. 6 C 14.11).
Das BVerwG verwarf damit auch die Argumentation der Klägerin, die Vorabentscheidung des EuGH beruhe auf einer zwischenzeitlich überholten EU-Vorschrift. Die Telekom hatte ausgeführt, die aktuelle Richtlinie lasse es nicht zu, dass ein Telekommunikationsunternehmen unmittelbar durch ein Gesetz dazu verpflichtet wird, Daten seiner Kunden an Konkurrenten herauszugeben. Eine solche Verpflichtung dürften nur noch die nationalen Regulierungsbehörden statuieren.
Die Leipziger Richter sahen dies anders: Die Ermächtigung der Regulierungsbehörden solle lediglich die Zugangswege als unerlässliche technische Voraussetzung der Nutzung von Auskunftsdiensten öffnen. Diese Auslegung der EU-Richtlinie sei im Übrigen so offenkundig, dass von einer erneuten Vorlage an den EuGH abgesehen werden könne.
Drum prüfe, wer sich ins Telefonbuch eintragen lässt
Telefonkunden stehen damit vor einem Dilemma. Zum einen wollen sie erreichbar sein; zum anderen aber nicht unbedingt für alle und jeden. Den meisten wird auch gar nicht bewusst sein, dass sie mit der Veröffentlichung ihrer Daten bei ihrem Provider gleichzeitig die Zustimmung dafür erteilen, dass ihr Name, ihre Telefonnummer und Adresse an andere Unternehmen weitergeben werden können.
Man sollte sich daher genau überlegen, ob ein Eintrag in einem Telefonbuch so wichtig ist, dass man in Kauf nimmt, auch in andere, möglichweise nicht einmal bekannte Verzeichnisse aufgenommen zu werden. Die Alternative: Man verzichtet generell auf solche Einträge und gibt seine Telefonnummer nur persönlich weiter.
Markus Schröder, LL.M. (Informationsrecht), Datenschutzbeauftragter (TÜV) ist Rechtsanwalt und Externer Datenschutzbeauftragter bei der auf Datenschutz spezialisierten Kanzlei Kinast & Partner in Köln sowie Dozent für Datenschutzrecht an der Düsseldorf Law School.
BVerwG verurteilt Telekom zur Datenweitergabe: . In: Legal Tribune Online, 26.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6706 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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