An diesem Montag ernennt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den neuen Verfassungsrichter Martin Eifert. Der Berliner Rechtsprofessor wird künftig in Karlsruhe auch für den Klimaschutz zuständig sein. Christian Rath stellt ihn vor.
Martin Eifert wird am Ersten Senat den Platz von Rechtsprofessorin Susanne Baer einnehmen, die in der gleichen Zeremonie parallel ihre Entlassungsurkunde erhält. Wie schon Baer wurde auch Eifert von den Grünen nominiert. Seine Wahl erfolgte im Bundestag bereits Mitte Dezember.
Schon vor zweieinhalb Jahren war Eifert monatelang als neuer Verfassungsrichter im Gespräch, damals aber als Kandidat der SPD. Die sozialdemokratisch regierten Länder sollten im Bundesrat einen Nachfolger für Richter Johannes Masing nominieren, taten sich damit aber schwer. Im Juli 2020 setzte dann der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke die bis dahin unbekannte Rechtsprofessorin Ines Härtel als erste Verfassungsrichterin mit ostdeutscher Sozialisation durch.
Eifert, der 2020 als inhaltlich stärkster Kandidat galt, blieb aber in der Diskussion. Ende 2022 nutzten die Grünen die Chance, nun ihrerseits den renommierten parteilosen Rechtsprofessor vorzuschlagen.
Zuletzt hatten die Grünen zwar immer Frauen nominiert (Susanne Baer, Astrid Wallrabenstein). Doch zum Zeitpunkt der Wahl im Dezember bestand das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aus neun Richterinnen und sieben Richtern, so dass die Parität trotz der Wahl Eiferts gewahrt blieb.
Was die Grünen wohl noch nicht wissen konnten: Eine Woche nach Eiferts Wahl änderte der Erste Senat die Geschäftsverteilung und verschob das öffentliche Umweltrecht vom Dezernat der ebenfalls ausscheidenden Richterin Gabriele Britz ins Dezernat des kommenden Richters Martin Eifert. Damit ist Eifert nun auch federführender Richter für den verfassungsrechtlichen Klimaschutz.
Umweltpreis von Oberursel
Eifert wurde 1965 als Sohn einer Lehrerin und eines Ingenieurs geboren. Er wuchs in Oberursel im Frankfurter Umland auf und verbrachte dort eine engagierte bürgerliche Jugend. Ab seinem 13. Lebensjahr leitete Eifert evangelische Jugendgruppen. Dabei verkaufte er zum Beispiel nach dem Gottesdienst fair gehandelte Dritte-Welt-Produkte.
Schon früh interessierte sich der jugendliche Eifert auch für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Mit einer Initiative setzte er sich für die Aufstellung von Altpapiercontainern ein und erhielt dafür den Umweltpreis von Oberursel.
Nach dem Abitur strebte Eifert eine berufliche Karriere als politischer Journalist an und entschied sich deshalb für ein Jurastudium - allerdings für das spezielle Jurastudium am damaligen Hamburger Fachbereich Rechtswissenschaft II. Dort konnte das Jurastudium aufgrund einer Experimentierklausel im Deutschen Richtergesetz einphasig durchgeführt werden. Typisch für das Hamburger Modell war vor allem die starke Integration von Sozialwissenschaften in das Jurastudium.
Eifert und Hoffmann-Riem
Einer der prägenden Rechtsprofessoren am Hamburger Alternativfachbereich war Wolfgang Hoffmann-Riem, der schon früh auf Eifert aufmerksam wurde und ihn im 2. Semester zu seinem studentischen Mitarbeiter machte. Dies war der Beginn einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit, deren Höhepunkt wohl 2008 bis 2011 die gemeinsame Herausgabe des vierbändigen Werks "Innovation und Recht" war.
Eifert verließ Hoffmann-Riem zwar mehrfach - zum Studium in Genf, zum Master of Laws in Berkeley und zur ersten externen Berufstätigkeit bei einer Unternehmensberatung - doch Eifert kehrte immer wieder nach Hamburg ins Umfeld von Hoffmann-Riem zurück.
Eines der großen Themen Eiferts ist die Reform des öffentlichen Sektors. So prägte er in seiner Dissertation 1998 den Begriff des "Gewährleistungsstaats" am Beispiel der Telekommunikation. Danach muss der Staat nicht alles selbst erledigen, aber er muss dafür sorgen, dass die Grundversorgung mit öffentlichen Gütern funktioniert. Die Habilitation widmete er 2005 dem "Electronic Government", einem Thema das leider auch heute - 17 Jahre später - in Teilen der Verwaltung noch als avantgardistisch angesehen wird.
Ungewöhnlich war Eiferts einjähriges Zwischenspiel bei der Unternehmensberatung Boston Consulting Group. Auch hier lag sein Interesse auf der Modernisierung des öffentlichen Sektors, konkret beriet er eine Postsparkasse in einem anderen EU-Staat. Doch die Beharrungskräfte der überkommenen Organisationskultur ernüchterten ihn, so dass er schließlich wieder zur Wissenschaft zurückkehrte.
Einen guten Überblick über Eiferts ebenso modernes wie komplexes Verständnis von gesellschaftlicher Regulierung gibt sein Aufsatz "Regulierungsstrategien" in den "Grundlagen des Verwaltungsrechts" (Herausgegeben in 3. Auflage 2021 von Voßkuhle/Eifert/Möllers). Er buchstabiert dabei die drei von ihm und Hoffmann-Riem unterschiedenen Formen der Regulierung aus: hoheitliche Regulierung, gesellschaftliche Selbstregulierung und die spannende Mischform der hoheitlich regulierten gesellschaftlichen Selbstregulierung.
Doch so sehr sich Eifert stets mit dem Staat und seiner Verwaltung beschäftigt, ist er als Jurist doch auch ein Liberaler, dem die Grundrechte am Herzen liegen. Insofern ist Eifert am Ersten Senat des BVerfG, dem Grundrechtssenat, durchaus am richtigen Platz. So hat er im "Handbuch des Verfassungsrechts" (herausgegeben von Herdegen/Masing/Poscher/Gärditz, 2021) den Beitrag über die "persönliche Freiheit" verfasst. Dabei skizziert er das Zusammenspiel von Allgemeiner Handlungsfreiheit und Allgemeinem Persönlichkeitsrecht mit den Spezialgrundrechten als "flächendeckenden" Grundrechtsschutz mit umfassender Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Die Frage nach der Einführung neuer Grundrechte ins Grundgesetz stelle sich so gar nicht mehr, es gebe per se keine Lücken im Grundrechtschutz.
Eifert und das BVerfG
Obwohl Wolfgang Hoffmann-Riem von 1999 bis 2008 Mitglied am Ersten Senat des BVerfG war, wurde Martin Eifert dort nie wissenschaftlicher Mitarbeiter. Zuerst war Eifert mit seiner Habilitation beschäftigt und dann hatte er auch gleich seine erste Professur in Gießen. Eine Wahl zum Verfassungsrichter hatte Eifert auch nie als mögliches Lebensziel ins Auge gefasst.
Berührungspunkte mit dem Gericht hatte Eifert jedoch als Prozessvertreter, darunter zweimal für die Bundesregierung. In beiden Fällen - beim Urteil zur Filmabgabe 2014 und beim Urteil zum Zensusgesetz 2018 - gewann Eifert den Rechtsstreit.
Als 2020 ein Nachfolger für Johannes Masing gesucht wurde, schien zunächst vieles auf Eifert zuzulaufen, der inzwischen an der Humboldt-Uni in Berlin lehrte. Immerhin war Masing der direkte Nachfolger von Wolfgang Hoffmann-Rien am Ersten Senat. Und der Zuschnitt des Dezernats mit Meinungsfreiheit und öffentlich-rechtlichem Rundfunk schien gut zu Eifert zu passen, der sich auch als Medienrechtler profiliert hatte. Doch nach einer mehrmonatigen für die SPD peinlichen Hängepartie ging Eifert am Ende leer aus. Immerhin ist er mit zweieinhalbjähriger Verzögerung nun doch am Ersten Senat gelandet und kann die großen medienrechtlichen Fragen zumindest mitberaten.
Das Dezernat, das Eifert nun stattdessen übernimmt, hat rekordverdächtige 16 Zuständigkeiten, vom Arbeitsrecht über die Vereinigungs- und Wissenschaftsfreiheit, das Asylbewerberleistungsgesetz und die Enteignung bis zum öffentlichen Umweltrecht, zu dem auch der Klimaschutz zählt. Das Ressort ist also ziemlich zerklüftet.
Die spannendste Materie dürfte dabei natürlich die Klimapolitik sein. Im Frühjahr 2021 hatte das BVerfG klimapolitische Verfassungsbeschwerden überraschend zugelassen und den Klimaschutz als Staatsziel proklamiert. Weitere Klagen lehnte Karlsruhe dann aber ab, so dass sich die Erwartungen an eine aktive klimapolitische Rolle der Verfassungsrichter:innen wieder etwas abgekühlt haben. Dennoch werden die nächsten Jahre hier entscheidend sein. Die Politik ist wohl nicht in der Lage, die selbstgesteckten Klimaziele einzuhalten. Die Erderwärmung nähert sich möglichen Kippunkten. Gleichzeitig hat der russische Überfall auf die Ukraine die Prioritäten der Politik verschoben. Kann und wird sich das BVerfG hier mit gelegentlichen Impulsen begnügen?
Karriere trotz Kinderbetreuung
Der 57-jährige Martin Eifert ist verheiratet und hat zwei Kinder, heute 15 und 18 Jahre alt. Seine Frau ist auch Juristin und war immer berufstätig. Das Paar hat sich die Kinderbetreuung daher hälftig aufgeteilt. Beide haben also zum Beispiel gleich viele Nachmittage pro Woche mit den Kindern verbracht.
2009 hat Eifert sogar einen Ruf an die Uni Freiburg abgelehnt, weil seine Frau, die damals bei der Bundesnetzagentur in Bonn arbeitete, im Breisgau keine adäquate Stelle gefunden hatte.
Nun wird Martin Eifert dennoch Richter am BVerfG. Gute Männer machen also auch dann Karriere, wenn sie sich adäquat an der Kinderbetreuung beteiligen.
Martin Eifert wird zum Verfassungsrichter ernannt: . In: Legal Tribune Online, 20.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51104 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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