Ohne darüber mündlich verhandelt zu haben, wird das BVerfG am Freitag über Regeln zur Bestandsdatenauskunft entscheiden. Die erlaubt es Sicherheitsbehörden, auf Namen und Anschrift, aber auch auf Passwörter von Internetnutzern zuzugreifen.
Am Freitag wird das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über eine Sammelverfassungsbeschwerde gegen die sogenannte Bestandsdatenauskunft deutscher Sicherheitsbehörden entscheiden (1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13). Dazu wird das Gericht einen Senatsbeschluss veröffentlichen.
Die Beschwerdeführer richten sich gegen Vorschriften, die es Behörden vom Bundeskriminalamt über Bundespolizei bis zum Zoll erlauben, bei privaten Telekommunikationsunternehmen die dort vorliegenden Kundendaten abzufragen. Das können Namen oder Anschriften sein, aber auch zugeordnete E-Mail-Adressen. Besondere Sorgen bereitet den Beschwerdeführern, dass staatliche Behörden so auch Zugriff auf Zugangsdaten, also Passwörter erhalten können sollen.
6.000 Unterstützer hinter der Beschwerde
Im Jahr 2013 hatten sich 6.000 Menschen hinter einer Beschwerde des Piraten-Politikers Patrick Breyer, mittlerweile EU-Abgeordneter, und Katharina Nocun, ehemalige politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, versammelt. Sie rügen eine ungerechtfertigte Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) sowie des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG.
Nach einer Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2012 zur Bestandsdatenabfrage hatte der Gesetzgeber die entsprechenden Vorschriften ausgehend von § 113 Telekommunikationsgesetz (TKG) neugefasst. Insbesondere müssen die Behörden für den Durchgriff auf die Passwörter nun zuerst eine richterliche Entscheidung erwirken, das sieht etwa § 7 Bundeskriminalamtgesetz vor.
Dennoch beanstandet die Beschwerde das Fehlen einer eindeutigen und normenklaren gesetzlichen Regelung. Insbesondere die Formulierung, dass eine richterliche Anordnung entbehrlich ist, "wenn der Betroffene vom Auskunftsverlangen bereits Kenntnis hat oder haben muss", kritisieren die Beschwerdeführer als rechtsunsicher.
Verfahren ohne mündliche Verhandlung
Das Beschwerdeverfahren wurde ohne mündliche Verhandlung geführt. Berichterstatterin ist die Verfassungsrichterin Yvonne Ott. Die Beschwerdeschrift hat der Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik angefertigt. Starostik war in Karlsruhe gegen die erste Version der Vorratsdatenspeicherung erfolgreich, 2018 ist der ehemalige Richter am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin verstorben. Die Bundesregierung hat für ihre Seite den Berliner Staatsrechtler Prof. Dr. Christoph Möllers engagiert. Auch seine Stellungnahme ist veröffentlicht worden.
Breyer sagt: "In einem Klima des politischen Überwachungswahns sind Datenabfragen unter viel zu geringen Voraussetzungen zugelassen worden. Dadurch ist die Gefahr, infolge einer Bestandsdatenabfrage zu Unrecht in das Visier von Ermittlern oder Abmahnkanzleien zu geraten, drastisch angestiegen."
Beim BVerfG auch noch weitere Beschwerde gegen Bestandsdatenauskunft anhängig
In Karlsruhe liegt zu dem Thema auch noch eine weitere Verfassungsbeschwerde von sechs Landtagsabgeordneten der Piratenpartei gegen das schleswig-holsteinische Landesgesetz zur Bestandsdatenauskunft und gegen das Telemediengesetz (TMG), Az. 1 BvR 1732/14.
In diesem Verfahren gehen die Beschwerdeführer gegen die Bestandsdatenauskunft von Anbietern im Sinne des TMG vor, also nicht nur von Telekommunikationsanbietern, sondern auch Plattformen wie Facebook, Google oder Twitter. Wann über dieses Verfahren entschieden wird, sei derzeit noch nicht absehbar, teilte ein Sprecher des Gerichts am Donnerstag mit.
Markus Sehl, Verfassungsrichter entscheiden: . In: Legal Tribune Online, 16.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42233 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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