Ihm werden die Verschwendung von Kirchenvermögen und eine Falschaussage vorgeworfen. Am Wochenende reiste der Limburger Bischof nun nach Rom, um sich im Vatikan den Vorwürfen zu stellen. Kirchenrechtler Manfred Baldus erwartet dennoch nicht, dass so schnell endgültig über die Zukunft von Tebartz-van Elst entschieden wird und erklärt, warum der Rücktritt eines Bischofs nicht erzwingbar sein kann.
LTO: Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat in der vergangenen Woche einen Strafbefehl gegen den Bischof Tebartz-van Elst beantragt wegen einer öffentlichen Falschaussage an Eides statt. Außerdem wird ihm vor allem vorgeworfen, Kirchenvermögen zu verschwenden. Die Kosten für den Bau des Bischofssitzes in Limburg sollen mittlerweile 30 Millionen Euro übersteigen. Verpflichtet das katholische Kirchenrecht Bischof Tebartz-van Elst zum Rücktritt?
Baldus: Nein. Ein Rücktritt, wie er jetzt in der Öffentlichkeit diskutiert wird, heißt kirchenrechtlich Amtsverzicht. Das bekannteste Beispiel aus jüngerer Zeit ist der Amtsverzicht des Bischofs Mixa aus Augsburg im Jahr 2010.
Nach Kanon 401 § 2 hat ein Bischof dem Papst seinen Amtsverzicht anzubieten, wenn er aus einem gesundheitlichen oder einem anderen schwerwiegenden Grund nicht mehr in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen. Eine Verpflichtung, diesen Amtsverzicht anzubieten, besteht nicht.
Allerdings handelt es sich um eine nachdrückliche Bitte, einen gesetzlichen Appell an das Verantwortungsbewusstsein des einzelnen Bischofs. Das ist nicht erzwingbar und zwar weder vom Papst noch von irgendeinem Gremium.
Das Domkapitel (Anm. d. Red: Leitungskörperschaft der Bischofskirche) hat zwar das Bischofswahlrecht, aber nicht das Recht zur Abwahl. Es wird auch nicht ernsthaft diskutiert, die konkordatären Rechte diözesaner Gremien wesentlich zu verändern. Dagegen spricht schon die hierarchische Verfassung der Kirche.
Der Papst ist umgekehrt auch nicht verpflichtet, das Verzichtsangebot anzunehmen.
"Du sollst nicht lügen – keine Norm des kirchlichen Strafrechts"
LTO: Was ist ein schwerwiegender Grund, der einen Amtsverzicht in diesem Sinne gebietet?
Baldus: Umstände, die in der Person des Bischofs liegen und die ihn auf unabsehbare Zeit daran hindern, seine wesentlichen Aufgaben in der ihm anvertrauten Diözese zuverlässig wahrzunehmen.
LTO: Was wären solche Umstände?
Baldus: Ein Bischof, der beispielsweise nicht mehr imstande ist, die wirtschaftlichen Belange des Bistums angemessen zu vertreten und seinen Kontrollaufgaben auf der Grundlage des geltenden kirchlichen Rechts nachzukommen.
LTO: Und wie sieht es mit einer strafrechtlichen Verurteilung aus? Dem Bischof wird ja eine öffentliche Falschaussage an Eides statt vorgeworfen, auch ein Untreuevorwurf soll nach neueren Medienmeldungen im Raum stehen.
Baldus: Kanon 416 erwähnt die Absetzung. Voraussetzung dafür ist nach Kanon 196 § 1 eine Straftat im Sinne des kirchlichen Strafrechts. Verstöße gegen das staatliche Strafrecht reichen nicht aus. Und im kirchlichen Strafrecht gibt es keine Norm, die beispielsweise dem Untreuetatbestand des Strafgesetzbuchs als Vermögensdelikt vergleichbar wäre.
LTO: Und was ist mit der mutmaßlichen Falschaussage, wegen der die Staatsanwaltschaft Hamburg einen Strafbefehl beantragt?
Baldus: Hier geht es nicht um eine Falschaussage vor einem kirchlichen Gericht.
LTO: Das Kirchenrecht kennt nicht das Gebot "Du sollst nicht lügen"?
Baldus: Das ist sicherlich ein biblisches Gebot, aber keine Norm des kirchlichen Strafrechts, die wiederum mit Sanktionen verknüpft werden kann. Übrigens gilt dies auch im weltlichen Recht. Lügen ist nur im Zusammenhang mit bestimmten Tatbeständen –zum Beispiel Betrug – strafbar.
LTO: Was passiert mit einem Bischof nach einem Amtsverzicht?
Baldus: Das steht allein zur Disposition des Papstes. Allerdings geht es ja nur um ein einziges Element des Bischofsstatus. Nämlich das Amt, das ein Bischof wahrnimmt. Ein Bischof ist der Inhaber der höchsten Stufe des Weihesakraments. Diese Bischofsweihe kann er nie verlieren. Verlierbar ist nur die damit verbundene Leitungsvollmacht etwa einer bestimmten Diözese.
2/2: "Am häufigsten ist eine Versetzung"
LTO: Gibt es neben Amtsverzicht und Absetzung noch alternative Maßnahmen, die Tebarz-van Elst treffen könnten?
Baldus: Ja, eine weitere endgültige Maßnahme ist die Amtsenthebung nach Kanon 192-195. Sie ist keine Strafmaßnahme, aber nur für Pfarrer vorgesehen. Einer der Gründe für eine Amtsenthebung ist eine schlechte Vermögensverwaltung verbunden mit einem schweren Schaden für die Kirche, sofern diesem Missstand nicht durch eine andere Maßnahme abgeholfen werden kann (Kanon 1741). Diese Regelung kann nach Meinung von Kirchenrechtlern entsprechend auch auf Bischöfe angewendet werden. Zuständig dafür ist der Papst.
Der häufigste Fall ist aber der einer Versetzung. Darunter versteht Kanon 416, 190 den Verlust des bisherigen bei gleichzeitiger Übertragung eines anderen Amts. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Beispielen. Ein Fall, der viel Aufsehen erregte, ist der eines französischen Bischofs, welcher 1995 vom Papst gegen seinen Willen versetzt worden ist. Und zwar auf einen Titularsitz in Algerien. Das ist eine untergegangene, historische Diözese.
LTO: Also eine Diözese, die faktisch gar nicht mehr existiert?
Baldus: Richtig. Die katholische Kirche gibt einmal errichtete Diözesen nicht wieder auf. Es gibt eine ganze Reihe von Bischofssitzen, die im Laufe der Jahrhunderte untergegangen sind, aber als Titularsitze fortbestehen.
Der Regelfall ist die einverständliche Versetzung eines Bischofs, so des Bischofs von Görlitz, der 2010 vom Papst nach Augsburg versetzt worden ist, nachdem Bischof Mixa auf sein Amt verzichtet hatte.
"Papst kann bischöfliche Aufgaben vorläufig einem anderen übertragen"
LTO: Was ist ihre Prognose: Welche dieser Maßnahmen werden Bischof Tebartz-van Elst treffen?
Baldus: Ich rechne nicht damit, dass bereits eine der genannten endgültigen Maßnahmen getroffen wird. Dagegen spricht schon die Tatsache, dass die Umstände des Falles noch längst nicht aufgeklärt sind, in sachlicher Hinsicht, aber auch, was die beteiligten Personen betrifft. Nach meiner Einschätzung ist ein Projekt dieses Zuschnitts nicht ohne aktive Beteiligung eines größeren, hinreichend informierten Personenkreises in Angriff zu nehmen und zu realisieren. Für die Aufklärung hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz eine besondere Kommission berufen.
Es gibt aber auch Möglichkeiten, die Dinge zunächst vorläufig zu regeln. Der Papst könnte die Wahrnehmung der bischöflichen Aufgaben vorübergehend einem anderen bischöflichen Amtsträger übertragen, beispielsweise einem Weihbischof "mit besonderen Befugnissen" (Kanon 403 § 2). Das würde dem Limburger Bischof erlauben, sich zeitweilig aus dem "operativen Geschäft" zurückzuziehen.
LTO: Erwarten Sie, dass das noch heute oder in den kommenden Tagen geschieht?
Baldus: Ja. Dass eine endgültige Entscheidung schnell getroffen wird, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Das würde mich überraschen.
"Mehr Transparenz bei der Vermögensverwaltung wünschenswert"
LTO: Auslöser für die Debatte um Tebartz-van Elst war sein Umgang mit dem Vermögen seines Bistums. Nach welchen Regeln richtet sich die kirchliche Vermögensverwaltung?
Baldus: Es ist zu trennen zwischen dem Vermögen der Diözese und dem Vermögen des Bischöflichen Stuhls. Beide sind kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts. Das Diözesanvermögen dient dem sachlichen und personellen Bedarf des Bistums. Der Bischöfliche Stuhl als Vermögensträger war ursprünglich unter anderem für den spezifischen Bedarf des Bischofs bestimmt. Wie es scheint, handelt es sich heute um einen Mischfonds aus Sondervermögen, der sich nicht aus der Kirchensteuer, sondern etwa aus Stiftungen und Erbschaften speist und meist für bestimmte kirchliche Aufgaben bestimmt ist.
Ein erheblicher Teil der 30 Millionen, um die es jetzt in Limburg geht, stammt wohl aus eben diesem Fonds. Für diese Vermögensgüter ist nach Kanon 492 ein Vermögensverwaltungsrat einzusetzen, dem unter anderen Personen mit juristischem und ökonomischem Sachverstand angehören müssen. Näheres über den Vermögensbestand ist allerdings nicht bekannt, weil diese Fonds meist nicht im öffentlichen Finanzbericht des Bistums erscheinen. Was fehlt, ist Transparenz. Es spricht ja eigentlich auch nichts dagegen, sie wie die Haushalte der Diözesen offenzulegen.
LTO: Vielen Dank für das Gespräch.
Prof. Dr. Manfred Baldus ist Honorarprofessor für Kirchenrecht und Bildungsrecht am Institut für Kirchenrecht und rheinische Kirchenrechtsgeschichte der Universität zu Köln und Vorsitzender Richter am Landgericht Köln a.D.
Das Interview führte Claudia Kornmeier.
Prof. Dr. Manfred Baldus, Vorwürfe gegen Tebartz-van Elst: "Die Bischofsweihe kann er nie verlieren" . In: Legal Tribune Online, 15.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9795/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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