Brauereien dürfen ihre Biere nicht als "bekömmlich" bewerben – auch dann nicht, wenn sie bei maßvollem Genuss gut verträglich sind. Das hat der BGH heute entschieden. Thomas Utzerath über ein Urteil, das mit Spannung erwartet wurde.
Bier als "bekömmlich" zu bewerben, ist unzulässig. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem seit drei Jahren anhängigen Streit zwischen einem Wettbewerbsverband und einer Allgäuer Brauerei entschieden und damit zugleich seine frühere Positionierung in dieser Frage aufgegeben (Urt.v.17.05.2018, Az. I ZR 252/16).
Auslöser des Rechtsstreits war die Werbung einer Brauerei aus dem Allgäu, die mehrere der von ihr angebotenen Biersorten in ihrem Internetauftritt unter Verwendung des Begriffs "bekömmlich" beworben hatte. Bei allen derart beworbenen Biersorten handelt es sich um solche mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % Volumenprozent. Bereits seit den 1930er Jahren hat die Brauerei ihre Biere mit dem Slogan "Wohl bekomm's!" beworben.
Gegen die genannte Werbung hat sich der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) gewendet. Er vertrat die Auffassung, dass die Bewerbung von Bier mit dem Wort "bekömmlich" unlauter sei. Bei dem Begriff "bekömmlich" handele es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Health-Claims-Verordnung (HCVO). Solche gesundheitsbezogenen Angaben dürften nach Art. 4 Abs. 3 lit. a HCVO Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent nicht tragen. Der VSW meinte, dass der Begriff "bekömmlich" von den Verbrauchern als "gesund", "leicht verdaulich" oder auch als "Magen schonend" verstanden werde. Deswegen handele es sich per se um eine gesundheitsbezogene Angabe.
BGH in 2011 noch anderer Meinung
Die Brauerei hat ihre Werbung im Wesentlichen damit verteidigt, dass sie darin nur auf die Genusswürdigkeit und die geschmacklichen Aspekte ihrer Biersorten abgestellt habe. Die Angabe "bekömmlich" sei nicht gesundheitsbezogen, sondern stelle nur auf das von der HCVO nicht erfasste allgemeine Wohlbefinden ab.
In einem Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) hatte der BGH im Jahr 2011 im Zusammenhang mit der Bewerbung eines Kräuterlikörs als wohltuend und bekömmlich die Frage noch anders bewertet. Er vertrat damals die Auffassung, dass mit der Angabe "bekömmlich" lediglich zum Ausdruck gebracht werde, dass der Likör den Körper und dessen Funktionen nicht belasten oder beeinträchtigen werde.
Damit werde aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass dem Produkt eine die Gesundheit fördernde Funktion zukomme. Eine solche sei aber erforderlich für die Annahme einer gesundheitsbezogenen Angabe. Es handele sich bei "bekömmlich" lediglich um eine nicht in den Anwendungsbereich der HCVO fallende Angabe zum allgemeinen Wohlbefinden.
"Bekömmlich" ist gesundheitsbezogene Angabe
Der VSW hat zunächst 2015 beim LG Ravensburg eine einstweilige Verfügung beantragt, die das Gericht daraufhin erlassen hat. Auch im Hauptsacheverfahren hat das LG Ravensburg die beklagte Brauerei Anfang 2016 zur Unterlassung der Bewerbung ihrer Bierspezialitäten mit der Angabe "bekömmlich" verurteilt. Dagegen hat die beklagte Brauerei Berufung zum OLG Stuttgart eingelegt. Dieses hat die erstinstanzliche Entscheidung des LG Ravensburg jedoch bestätigt.
Durch die Verwendung des Begriffs "bekömmlich" für Bier werde ein Wirkzusammenhang zwischen diesem Getränk und der Gesundheit hergestellt. Damit liege eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der HCVO vor. Das gelte unabhängig davon, ob mit dem Attribut "bekömmlich" isoliert oder im Zusammenhang mit bestimmten weiteren Eigenschaften des Bieres geworben werde. Dass die Brauerei seit vielen Jahren unbeanstandet mit dem Slogan "Wohl bekomm's!" geworben hatte, sei unbeachtlich. Hierbei handele es sich lediglich um einen Wunsch, wohingegen es sich bei der Angabe "bekömmlich" um ein Versprechen handele.
In einem weiteren Vorabentscheidungsverfahren hat der EuGH 2012 – also zeitlich nach dem zuvor erwähnten Vorlagebeschluss des BGH aus dem Jahr 2011 – die Ansicht vertreten, dass das Verbot der Werbung für alkoholische Getränke mit gesundheitsbezogenen Angaben eine Bezeichnung wie "bekömmlich", verbunden mit dem Hinweis auf einen reduzierten Säuregehalt, umfasse. Zur Begründung hat der EuGH darauf abgestellt, dass der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" nicht nur für einen Zusammenhang gelten dürfe, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs eines Lebensmittels impliziere.
"Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs zu berücksichtigen"
So hatte es der BGH zuvor noch gesehen. Vielmehr müsse dieser Begriff auch jeden Zusammenhang erfassen, der impliziere, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlten oder geringer ausfielen. Bereits die bloße Erhaltung eines guten Gesundheitszustands trotz des genannten, potenziell schädlichen Verzehrs, sei demnach vom Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe erfasst.
Bei dem Verständnis einer Aussage seien außerdem auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen. Maßnahmen, die die Möglichkeit von Werbung für alkoholische Getränke einschränken und damit zur Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs beitragen sollen, würden der Sorge um die öffentliche Gesundheit Rechnung tragen. Deren Schutz sei ein dem Gemeinwohl dienendes Ziel, das eine Beschränkung einer Grundfreiheit wie der Berufsfreiheit oder der unternehmerischen Freiheit rechtfertigen könne.
Da der EuGH zum einen nicht über die Einordnung der isolierten Verwendung des Attributs „bekömmlich“ ohne weitere Hinweise als gesundheitsbezogene Angabe entschieden hat (und auch nicht entscheiden musste) und das OLG Stuttgart zum anderen bewusst von der Rechtsauffassung des BGH abgewichen ist, hat es die Revision zum BGH zugelassen.
Konsequent: BGH gibt frühere Positionierung auf
Während der BGH in seinem Vorlagebeschluss an den EuGH aus dem Jahr 2011 noch davon ausgegangen war, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nur dann vorliege, wenn einem Lebensmittel eine gesundheitsfördernde Funktion beigemessen werde, gibt er diese Auffassung nunmehr im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH ausdrücklich auf.
Auch Angaben, mit denen - wie im entschiedenen Fall - zum Ausdruck gebracht werde, dass der Verzehr des Lebensmittels auf die Gesundheit keine schädlichen Auswirkungen habe, die in anderen Fällen mit dem Verzehr eines solchen Lebensmittels verbunden sein können, seien gesundheitsbezogen. Der Begriff "bekömmlich" bringe bei einer Verwendung für Lebensmittel zum Ausdruck, dass dieses im Verdauungssystem gut aufgenommen und - auch bei dauerhaftem Konsum - gut vertragen werde. Genau so verstünden die Verbraucher den Begriff "bekömmlich" im Zusammenhang mit der beanstandeten Werbung. Der Werbung lasse sich insbesondere nicht entnehmen, dass mit dem Begriff "bekömmlich" nur der Geschmack des Bieres beschrieben werden solle. Mit diesem Argument hatte sich die Brauerei im Wesentlichen, letztlich erfolglos, verteidigt.
Die Entscheidung des BGH kommt nicht wirklich überraschend, da er die Segelanweisungen der EuGH-Entscheidung aus dem Jahr 2012 letztlich konsequent auf den von ihm zu entscheidenden Fall umgesetzt hat. Für die betroffene Brauerei – aber keineswegs nur für diese – dürfte die Entscheidung dagegen nur schwer bekömmlich sein. Sämtlichen Brauereien, die ihre Biere bislang als bekömmlich beworben haben, stehen nunmehr Änderungen in der Werbung bevor. Etiketten, Bierdeckel, Internetseiten, etc. müssen nun allesamt überarbeitet und der neuen Rechtsprechung angepasst werden. Anderenfalls drohen Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbraucherverbände.
Der Autor Dr. Thomas Utzerath ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Er berät und vertritt insbesondere Unternehmen aus der Arzneimittel- und Medizinproduktebranche sowie Kosmetik- und Lebensmittelhersteller.
BGH zur Lebensmittelwerbung: . In: Legal Tribune Online, 17.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28693 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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