Die Insel Juist ist autofrei, eine Beförderung vom Flughafen zum Ort daher nur mit einer Pferdekutsche möglich. Den ermäßigten Steuersatz für Taxis bekommt deren Betreiberin aber nicht. Ob es dabei bleibt, darüber entscheidet nun der BFH.
Viele Wege führen nach Juist. Keiner davon allerdings mit dem Auto, denn die ostfriesische Insel ist - wie viele der anderen - autofrei. Die Fahrt endet daher in Norddeich am Fährableger oder auf dem Flugplatz der Insel, drei Kilometer vom Ort entfernt.
Die Beförderung auf der Insel übernehmen deshalb Pferdekutschen. Mal transportieren sie nur das Gepäck von oder zu den Unterkünften, mal auch die Gäste, und natürlich machen sie auch Rundfahrten über die Insel. Insbesondere vom Flughafen aus sind sie jedoch die Alternative zu Bus und Taxi: Eine Strecke von drei Kilometern möchte mit Gepäck kaum ein Tourist zu Fuß angehen.
Die drei Betreiber der Kutschen zahlen auf diese Fahrten Umsatzsteuer, bisher die üblichen 19 Prozent. Der ermäßigte Steuersatz in Höhe von 7 Prozent gilt nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Umsatzsteuergesetz (UstG) nämlich nur für Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art - und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr.
Eine Pferdekutsche allerdings? Die ist nichts davon, insbesondere weder ein Bus noch ein Taxi, entschied das Niedersächsische Finanzgericht (FG) in Hannover (Urt. v. 24.01.2018, Az. 11 K 236/17). Die klagende Betreiberin einiger Pferdekutschen auf Juist, eine GmbH, war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden. Am Mittwoch wird der Fall deshalb vor dem Bundesfinanzhof (BFH) verhandelt (Az. V R 9/18).
Das "Inseltaxi"
Das klagende Unternehmen bietet als Spedition auf der Insel Beförderungsleistungen von Personen, Gepäck und sonstigen Waren an. Im streitigen Zeitraum unterhielt sie zehn bis elf Kutschen mit Pferdebespannung. Vier dieser Kutschen waren wegen ihrer Aufbauten nur geeignet zum Transport von Waren. Die übrigen Gefährte dienten der Beförderung von Personen, auch die Fahrten vom Flughafen in den Ort auf individuelle Vorbestellung. Der allgemeine Sprachgebrauch nennt diese Fahrten "Inseltaxi".
Deshalb hält die Spedition selbst für die Beförderung von Waren offenbar den allgemeinen Steuersatz für richtig – so deklarierte sie jedenfalls entsprechende Einkünfte in ihrer Umsatzsteuererklärung bzw. Voranmeldungen im Jahr 2016.
Für die Personenbeförderung aber setzte sie den ermäßigten Satz an – quasi ein Taxi analog. Das Gesetz regele die Antriebsart der eingesetzten Gefährte nicht näher und der Gesetzgeber habe mit der Privilegierung den öffentlichen Personennahverkehr fördern wollen, argumentiert sie. Dieses Ziel sei in Juist nur mit Kutschen umsetzbar.
Rechtsprechung: Ein Taxi ist mehr als bloß Personentransport
Doch so weit mochte das FG den Normtext nicht auslegen. Der Begriff des Taxis sei nicht einer "funktionalen Auslegung in dem Sinne zugänglich, dass alle Transportmöglichkeiten von Personen hierunter fallen könnten".
Tatsächlich hieß es bis zum Jahr 2006 zwar noch "Kraftdroschenverkehr", der Begriff ist aber angelehnt an das Personenbeförderungsgesetz (PBerfG), wo er lediglich rein redaktionell ersetzt wurde. "Die Anknüpfung des Steuerrechts an die Vorschriften des PBefG sollte gerade bestehen bleiben", heißt es in einem bereits ergangenen Urteil des BFH (v. 02.07.2014, Az. XI R 39/10).
Damit, so das FG, gelte dann auch die Legaldefinition für "Verkehr mit Taxen" aus § 47 Abs. 1 PBerfG, § 4 Abs. 4 PersBF – und danach könne ein Taxi eben nur ein Kraftfahrzeug sein.
Das Dilemma nun fürs Juister Inseltaxi: Eine Kutsche ist kein Kraftfahrzeug und damit auch kein "Taxi".
Das Inseltaxi hat nur Pferdestärken
Auch als andere Variante der Norm (etwa als Linienverkehr oder als Ausnahme über die Regelungen in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL)) kann das Inseltaxi nach Ansicht des nicht eingestuft werden. Die MwStSystRL eröffne lediglich die Möglichkeit für den nationalen Gesetzgeber, einen oder zwei ermäßigte Steuersätze bei der Beförderung von Personen anzuwenden. Dabei müssten konkrete und spezifische Aspekte der in Rede stehenden Kategorie von Leistungen herausgelöst werden und zum anderen der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet werden.
Taxis und der Linienverkehr genießen diese Vorteile. Dafür müssen sie allerdings auch Genehmigungen beantragen, werden überwacht beziehungsweise sind zum Personentransport verpflichtet. Derartigen Vorgaben unterliegen die Kutschen auf Juist nicht, sie könnten also auch nicht gleichgestellt werden, befand das FG. Somit liege auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vor, denn die Unterschiede zwischen einer gemütlichen Rundfahrt mit dem Inseltaxi und der Pflicht eines Linienbusses, wartende Personen aufzunehmen, erschließe sich auch Durchschnittsverbrauchern.
Die Hoffnung der klagenden Kutschenbetreiberin ruht jetzt auf der in den kommenden Wochen anstehenden Entscheidung des BFH. Steuerrechtlicher gehen allerdings nicht davon aus, dass der BFH zu einem anderen Ergebnis als das FG kommt.
Mittelfristig etwas ändern könnte nur der Gesetzgeber, indem er den ermäßigten Steuersatz auf die Beförderung mit Kutschen auf autofreien Inseln ausdehnt. Dem "Taxi" fehlt ja quasi nur die "Insel".
Umsatzsteuersatz für Pferdekutschen auf Juist: . In: Legal Tribune Online, 13.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38673 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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