Der Export von Überwachungssoftware in Diktaturen oder der Import von Produkten aus Kinderarbeit sind nicht erst heute heiße Eisen. Ein früher Versuch, Außenhandel ethisch und politisch zu reglementieren, datiert auf den 18. Juli 1951.
Es ist geeignet auch für Standorte, an denen andere Futterpflanzen nicht gut wachsen. Außerdem verzehren Rindviecher das weiße Straußengras (Agrostis gigantea) gern wegen seiner hohen Schmackhaftigkeit – jedenfalls in frischem Zustand.
Ob am Ende jemals Kühe auf dem Gebiet der DDR in den Genuss von Gras kamen, das in der Bundesrepublik Deutschland – in den Grenzen der Jahre 1949 bis 1990 – gewachsen war, ist zwar nicht überliefert, lang anhaltendes juristisches Interesse fand die Frage aber immerhin, ob dieser Futtermittel-Export in den SED-Staat zu genehmigen sei: Am 7. September 1960 hatte ein westdeutscher Händler 90 Tonnen weißes Straußengras "an eine Behörde im anderen Teil Deutschlands" verkauft, wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seinem Urteil vom 17. November 1967 festhielt (Az. VII C 29.66).
Nach sieben Jahren war das streitgegenständliche Gras selbst für das zäheste DDR-Rindvieh allzu al dente, doch ging es natürlich längst nur noch um das rechtliche Prinzip des innerdeutschen Interzonenhandels.
Genehmigungsvorbehalt für innerdeutschen Handel
Um das Gras über die innerdeutsche Grenze zu expedieren, benötigte der Händler einen "Warenbegleitschein", der ihm – nach einem ersten Rechtsstreit – zwar von der zuständigen Landesbehörde erteilt worden war, dem aber das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft die Zustimmung verweigerte.
Konventionelles Außenhandelsrecht galt hier nicht, war doch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), wie das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 16. Februar 1965 (Az. 1 BvL 15/62) festhielt, "eine Herrschaftsgrenze, aber keine Zollgrenze" gezogen.
Wegen der ganz entgegengesetzten politischen und ökonomischen Ordnungen bestand jedoch im Westen ein staatliches Interesse, den Warenverkehr von und nach Mitteldeutschland fest im Blick zu behalten.
Geregelt wurde ein grundsätzliches Verbot, Waren ohne sogenannte "Bezugsgenehmigung" aus der DDR in die Bundesrepublik einzuführen bzw. ohne "Warenbegleitschein" von der Bundesrepublik dorthin auszuführen mit der "Verordnung über den Warenverkehr mit den Währungsgebieten der Deutschen Mark der Deutschen Notenbank (DM-Ost)" vom 18. Juli 1951.
Der Blick ins Gesetzblatt muss hier jedem selbsternannten Reichsbürger der Gegenwart feuchte Augen bereiten. Denn als Ermächtigungsgrundlage für diese "Interzonenhandelsverordnung" diente im Kern das Gesetz Nr. 53 der amerikanischen und der britischen Militärregierung sowie eine Verfügung des französischen Hohen Kommissars zur Devisenbewirtschaftung und zum Warenverkehr mit dem sowjetisch besetzten Teil Deutschlands – mit Regelungen, die über die Vereinigung vom 3. Oktober 1990 noch weitere Anwendung fanden. Dazu aber später mehr.
Politisch-ökonomische Ränkespiele in West und Ost
Im Fall der 90 Tonnen westdeutschen Viehfutters, die 1960 über die innerdeutsche Grenze verbracht werden sollten, hatte das Bundesamt die Zustimmung zur Erteilung des Warenbegleitscheins verweigert, weil der westdeutsche Exporteur Mitglied im "Ausschuss zur Förderung des innerdeutschen Handels" war – einer Vereinigung nicht nur westdeutscher Geschäftsleute, die sich mehr als den wirtschaftlichen Verkehr mit dem SED-Staat auf die Fahnen geschrieben hatte.
Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, das sich der ablehnenden Position des Bundesamts für die gewerbliche Wirtschaft angeschlossen hatte, musste sich dieser "Ausschuss" vorhalten lassen, mit einem Memorandum aus dem Jahr 1959 zu den deutsch-deutschen Beziehungen "nicht nur handelspolitische Wünsche vorgetragen, sondern auch allgemeinpolitische Auffassungen vertreten" zu haben, "die jedenfalls damals mit der Ansicht der Bundesregierung und des weit überwiegenden Teils der Bevölkerung der Bundesrepublik im Widerspruch standen".
Hier hatte die zwischenzeitlich abgelöste Bundesregierung unter Konrad Adenauer (1876–1967, im Amt 1949–1963) mit harten verbandspolitischen Bandagen gekämpft.
Denn während etwa die heute als "Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft" firmierenden Kreise der unternehmerischen Wirtschaft bereits seit 1952 und mit dem Segen von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard (1897–1977) im Herrschaftsbereich der Sowjetunion Geschäftskontakte anbahnten, war eine weltanschauliche Tuchfühlung westdeutscher Unternehmer und Manager insbesondere mit den regierenden Kreisen in Berlin (Ost) ausgesprochen unerwünscht.
Der auf Vorstandsebene paritätisch von Funktionären des SED-Staats und Kaufleuten aus dem Westen vertretene "Ausschuss zur Förderung des innerdeutschen Handels" galt in der Auseinandersetzung, wer im sowjetischen Einflussgebiet die Aufwartung machen sollte, sogar unter jenen westdeutschen Managern als anrüchig, die 1960 von ganz großen Geschäften zwischen der west- und der ostdeutschen Stahlindustrie träumten – ein Jahr später stand die Berliner Mauer im Weg. Bis dahin war in der Bundesrepublik aber noch das Feld zwischen Managern zu klären, die mit dem sowjetischen Osten nur Geschäfte machen und jenen, die dabei auch noch die allgemeinen politischen Verhältnisse bewegen wollten.
Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung blieben erhalten
Für die Gerichte stellte nun das Anliegen der Bundesregierung, westdeutsche Kaufleute davon abzuhalten, sich auch in politischen Zielen mit den Machthabern in der DDR gemein zu machen, vor eine schwierige Gratwanderung.
Für den grenzüberschreitenden Handel – abgesehen von der DDR – galt seit Inkrafttreten des Außenwirtschaftsgesetzes vom 28. April 1961 ein Grundsatz, der jenem der Interzonenhandelsverordnung vom 18. Juli 1951 ganz widersprach: Importe und Exporte sind nach § 1 Außenwirtschaftsgesetz prinzipiell zulässig, soweit sich kein gewichtiger rechtlicher Grund findet, sie zu untersagen.
Der Futtermittelhändler argumentierte daher, um es etwas verkürzt wiederzugeben, dass die Weigerung, einen Export in die DDR zu erlauben, von den gleichen Gründen getragen werden müsste wie eine Untersagung nach dem Außenwirtschaftsgesetz – die bloße Zugehörigkeit zum "Ausschuss" dürfe nicht genügen.
In der Sache verwies das BVerwG zwar zurück an das Oberverwaltungsgericht in Münster, erklärte aber, dass das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft hier durchaus einigen Ermessenspielraum habe: Indem die DDR-Machthaber bei der Vergabe von Aufträgen Unternehmen im Westen begünstigten, könnten sie nicht nur allgemein-politischen Einfluss nehmen, sondern verzerrten zugleich den – auch nach dem Außenwirtschaftsgesetz gewünschten – fairen Wettbewerb.
Der Bundesregierung blieb damit eine Möglichkeit erhalten, eine Verstetigung allzu intimer Beziehungen zwischen westdeutschen Managern und den Bürokraten der SED-Diktatur wenn nicht zu unterbinden, so doch zu behindern – eine Wettbewerbsverzerrung musste ja oft naheliegen.
Wie gründlich sich Unternehmer und Manager moralisch korrumpieren ließen, sobald mit einer marxistisch-leninistischen Diktatur auskömmliche Geschäfte zu machen waren, war dabei in den 1960er Jahren noch unter dem Schlagwort "Rapallo" gegenwärtig: Zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion war es früh – nach dem Vertrag vom 28. Juli 1922 – zu engen wirtschaftlichen Beziehungen samt weltanschaulicher "nationalbolschewistischer“ Begleitmusik gekommen, die erst mit Beginn des deutsch-sowjetischen Kriegs am 22. Juni 1941 abbrachen.
Das letztlich ethisch motivierte Ziel, dass die Landsleute im Osten nicht auf Dauer unter der SED-Diktatur leiden sollten, ließ sich mit der Interzonenhandelsverordnung davor schützen, von westdeutschen Unternehmern – samt ihrer Einflussmöglichkeiten über Parteispenden und der ihnen abhängigen Wirtschaftspresse – untergraben zu werden.
Dass gute Geschäfte mit diktatorisch und autoritär regierten Staaten keinen allzu großen Anstoß erregten, solange sie ihre Verfassung nicht mit Marx- und Lenin-Fußnoten garnierten, verstand sich – jenseits einer gelegentlich moralisch leicht erregbaren linksliberalen Öffentlichkeit – ohnehin stets von selbst.
Nachleben der Interzonenhandelsverordnung über die Wiedervereinigung hinaus
Nach der Auflösung der DDR mit dem Beitritt ihres Gebiets zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 schien die Interzonenhandelsverordnung ganz hinfällig geworden zu sein.
Im Strafverfahren gegen den DDR-Staatsgeschäftsmann Alexander Schalck-Golodkowski (1932–2015) wurden das Militärregierungsgesetz Nr. 53 und die Interzonenhandelsverordnung jedoch noch einmal angewendet – wobei es bei den Geschäften dieses sogenannten "Devisenbeschaffers" nicht allein um profane Import- und Exportvorgänge vom Typ "Straußengras" ging, sondern auch um die Beschaffung politisch und rechtlich heikler Güter – von westlichen IT-Geräten über das Reinsilizium für den Versuch, in der DDR selbst Computer-Chips zu fertigen, bis zu West-Bauteilen für das Kernkraftwerk Greifswald.
Gründe und Grenzen der Anwendbarkeit des alten Besatzungsrechts, das von der Bundesrepublik mit der Interzonenhandelsverordnung fortgeschrieben worden war, formulierte der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 2. April 1996 (Az. GSSt 2/95).
Als Versuch, ein ethisches Ziel zu sichern – die Freiheit fremder Leute östlich der DDR-Grenzanlagen nicht auch noch durch die Neigung westdeutscher Unternehmer zu gefährden, mit ihren Herrschern Geld zu verdienen – müsste die Interzonenhandelsverordnung vom 18. Juli 1951 heute angesichts des Anliegens, internationale Wirtschaftsbeziehungen moralischen Kalkülen zu unterwerfen, von der Abscheu vor Kinderarbeit bis zur Liebe zum Regenwald, im Grunde wiederentdeckt werden – um zu wissen, welche Art politischer Geschäftemacherei künftig verstärkt zu erwarten ist.
Grenzüberschreitender Handel zwischen DDR und BRD: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45496 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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