Über die Rolle der Frauen oder der Religion im KKK ist schon geforscht worden. Ausgerechnet zum Verfassungsverständnis der traditionsreichen Terror-Bewegung fehlten bislang Untersuchungen. Ein US-Juraprofessor hat seine jetzt veröffentlicht.
Für seinen Bombenanschlag auf das FBI-Gebäude in Oklahoma City am 19. April 1995, dem 168 Menschen zum Opfer fielen, gab der Haupttäter Timothy McVeigh (1968–2001) eine Reihe von Gründen an.
Zu diesen zählte das Argument, die US-Bundesregierung habe sich am Recht der Amerikaner vergangen, Waffen zu besitzen und zu tragen, wie es die Verfassung seit 1791 garantiert.
Wie weit die Sympathien McVeighs für den Ku-Klux-Klan reichten, dessen Franchise sich der im Jahr 2001 hingerichtete Attentäter mitunter bedient hatte, ist zwar nicht vollends geklärt, intellektuelle Nähe jedoch zu erkennen.
In seinem sehr gehaltvollen Aufsatz "The Klan's Constitution" belegt nun der amerikanische Juraprofessor Jared A. Goldstein, dass sich der KKK in seiner über 150-jährigen Geschichte nahezu durchgängig als Vereinigung zur Verteidigung der "wahren US-Verfassung" verstand – ganz im Geist des modernen Massenmörders.
Privat-Irrsinn wie bei den "Reichsbürgern"?
Dass sich eine Organisation, die sich durch physischen Terror, Einschüchterung ihrer Gegner, jedenfalls populistische Agitation einen Namen gemacht hat, ausgerechnet zum Schutz der Verfassung berufen fühlt, mag man als privaten Irrsinn abtun, ähnlich dem Afterglauben von "Reichsbürgern", die sich als Hüter einer älteren deutschen Staatsordnung betrachten.
Goldstein belegt jedoch, wie sehr das Selbstverständnis des Klans als Verfassungsschützer von eigenen Gnaden in den vergangenen 150 Jahren einerseits zur Rechtfertigung diente, das positive Recht der anerkannten staatlichen Ordnung zu brechen, andererseits erheblichen politischen Einfluss auf den rechtspolitischen "Mainstream" nahm.
Auch wenn der KKK im Spektrum rechtsextremer Organisationen in Deutschland marginal ist (PDF), bietet das Wechselspiel zwischen verfassungs- und rechtspolitischen Vorstellungen zwischen dem Klan und der US-Gesellschaft eine Art Vexierbild für populistische Bewegungen seiner Art wohl auch hierzulande.
KKK als Hüter der wahren, alten Verfassung
In seiner Gründungsphase und ersten Hochzeit, die circa zwischen 1865 und 1875 datiert, stand der Klan in militanter Opposition zur Republikanischen Partei und ihrer Politik, in den militärisch besiegten Südstaaten der USA die Emanzipation der schwarzen Bevölkerung durchzusetzen.
Konkret hieß dies, die Registrierung der ehemaligen Sklaven als Wähler und den Fortbestand bzw. die Gründung bewaffneter Milizen afroamerikanischer Bürger zu unterbinden. Republikanische Politiker und Lehrer an den neuen Schulen für afroamerikanische Kinder zählten zu den bevorzugten Opfern physischen Terrors. Dies beruhte nach Goldstein auf einem recht akzentuierten Verständnis von einer 'wahren' US-Verfassung.
Bereits bei ihrer Abspaltung hatten die Südstaaten sich darauf berufen, der Bund greife in der Sklavenfrage in ihre einzelstaatlichen Vorrechte ein. Der Bürgerkrieg (1861–65) klärte diese Machtfrage äußerlich, indem die politische Klasse der Südstaaten vorübergehend von der Bundesgesetzgebung ausgeschlossen wurde – der 13., 14. und 15. Zusatzartikel zur US-Verfassung kamen so zustande, also das Verbot der Sklaverei, die Gewährleistung gleicher Bürgerrechte (für Männer) sowie das Verbot rassischer Diskriminierung im Wahlrecht.
Unter der 'wahren Verfassung' verstand man nun im Süden eine Melange aus zwei Hauptelementen. Dies war zum einen die vor dem Bürgerkrieg vorherrschende, vom U.S. Supreme Court bestätigte Auffassung, wonach allein weiße, rassisch und religiös in der angelsächsischen Tradition stehende Männer zur demokratischen Selbstverwaltung und zum richtigen Verständnis der Rechtsordnung (Jury) berufen seien. Zum zweiten blieb der Vorbehalt gegen die drei neuen Zusatzartikel.
Der Klan verlor seit den 1870er Jahren an Bedeutung, als die Demokratische Partei – der KKK wurde völlig selbstverständlich als deren militanter Flügel gesehen – im Süden die Regierungen übernahm und im Bund wieder an Einfluss gewann. Bekanntlich wurde die Emanzipation der schwarzen Bevölkerung einfachgesetzlich weitgehend entwertet, vor allem in der Zulassung als Wähler und Geschworene sowie – dies war als Recht der politischen Selbstorganisation zu sehen – in der Beseitigung afroamerikanischer Bürgermilizen.
Verfassungspatriotische Angelsachsen
Seine Wiedergeburt erlebte der KKK – grob gesprochen – als Franchise zum Stummfilm "The Birth of a Nation" aus dem Jahr 1915. In den folgenden zehn Jahren erreichte der neue, populäre Klan – nunmehr in den gesamten USA vertreten – eine Organisationsstärke von rund fünf Millionen Mitgliedern, gleichauf mit der American Federation of Labor, der stärksten Gewerkschaft.
Sozialhistorisch beschrieben wird der KKK in dieser Epoche als Reaktion auf die Zuwanderung in die USA. Zwischen 1880 und 1920 waren 20 Millionen Menschen ins Land gekommen, die rund 15 Prozent der Bevölkerung stellten. Diesen vielfach süd- und osteuropäischen Migranten wurde aufgrund ihrer jüdischen oder katholischen Konfession die Fähigkeit abgesprochen, sich in die Demokratie und Rechtsordnung der US-Verfassung zu integrieren, deren normative Leitkultur nur Menschen zugänglich sei, die der angelsächsischen "Rasse" angehörten.
In den Südstaaten leitete der Klan daraus zudem ein Notwehrrecht gegen Versuche praktischer Emanzipation ab. 1920 wurden etwa in Florida schätzungsweise 50 afroamerikanische Wahl-Gänger ermordet.
Auf Bundesebene ergingen Anfang der 1920er Jahre restriktive, rassisch begründete Zuwanderungsgesetze, durch die namentlich Katholiken und Juden – als verfassungsuntaugliche Menschen – aus dem Land gehalten wurden.
Als verantwortlich für das Wachstum des Klans in dieser Epoche galten indes auch weitere Fragen, die die US-Gesellschaft spalteten: der Kampf um das Frauenwahlrecht (1920) und das Alkoholverbot (1919) sowie gegen die sozialistische Arbeiterbewegung.
Ethnisch-rassisches Verfassungskonzept
Das Verfassungsverständnis des KKK, wonach die amerikanische Republik auf einer protestantischen weißen Elite beruhe, war in dieser Epoche derart anschlussfähig, dass sich durchaus nicht wenige Suffragetten fanden, die für das Frauenstimmrecht eintraten, um die elitäre Position durch rassisch entsprechend qualifizierte Wählerinnen zu stärken.
Zur Auflösung dieses KKK-konformen Amalgams kam es, Goldstein folgend, in der dritten Präsidentschaft Franklin D. Roosevelts. In einer Stellungnahme aus dem Jahr 1943 begrüßte Roosevelt Pläne, Militäreinheiten zu bilden, denen US-Bürger japanischer Herkunft angehören sollten. Ein Jahr später kämpfte ein solches Regiment unter hohen Verlusten, militärisch hoch geehrt, in Europa, während Landsleute mit japanischen Wurzeln interniert blieben – mit dem Segen des U.S. Supreme Courts. Bis zur Präsidentschaft Barack Obamas zählte seither der Satz, wonach Zugehörigkeit zum verfassungsmäßigen Gemeinwesen einerseits, Rasse bzw. Ethnie andererseits strikt zu trennen seien, zum fast zeremoniellen Sprachschatz.
Dessen ungeachtet erlebte der KKK in den 1950er bis 1970er Jahren seine dritte Hochzeit, wiederum unter Berufung auf ein eigenartiges Verfassungsverständnis. Bürgerrechtsaktivisten, die sich in den Südstaaten in der Registrierung afroamerikanischer Wähler engagierten, wurden als jüdische und/oder kommunistische Verschwörer angegriffen, gegen die es das hergebrachte Amalgam aus Verfassung und weißer Rasse/Ethnizität zu verteidigen galt.
Das bundesrechtliche Verbot der Rassentrennung in Schulen, das 1952 bis 1954 mit den Entscheidungen des U.S. Supreme Courts in Sachen "Brown v. Board of Education" erging, sowie die Bürgerrechtsgesetzgebung der 1960er Jahre wurden vom KKK dieser Epoche – wiederum – als Eingriff in die Vorrechte der US-Einzelstaaten verstanden.
Dem KKK verschaffte dies keine Massenbasis mehr, jedoch werden die Rechte der Bundesstaaten, etwa im Bereich des Wahlrechts, bis heute vielfach nicht eben bürgerrechtsfreundlich modelliert. In der Folge des 1970 erklärten "War on Drugs" verloren zudem wesentliche Teile der US-Bevölkerung ihre Rechte als Wähler bzw. potenzielle Geschworene nicht länger aus Gründen der Rasse, sondern der drastisch verschärften Strafjustiz.
Ihren Terror, die Ermordung von studentischen Wahlrechtsaktivisten oder Brandanschläge auf Kirchen und Schulen afroamerikanischer Bürger rechtfertigten Klan-Anhänger, Goldstein zufolge, mit einem Selbstverteidigungsrecht gegen die bundesstaatlichen Übergriffe. In der offenkundigen Obszönität dieser Argumentation hatte der KKK nun aber seine Anschlussfähigkeit an vorherrschende rechtspolitische und -praktische Auffassungen verloren – heute gilt sein Terror als das, was er ist.
Was zu denken gibt
Ist der KKK nun ein Vexierbild für rechtspopulistische Bewegungen allerorts, und wenn ja, illustriert es die Realität oder täuscht es ihn ihr? Goldsteins Untersuchung zum Verfassungsdenken des KKK regt jedenfalls an, einige Fragen aufzuwerfen – beispielsweise: Sollte hierzulande nicht jeder Hauptschüler noch im Schlaf die zwanzig wichtigsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts referieren können – als Schutzimpfung gegen durchgeknalltes Parallel-Verfassungsdenken, auch, damit jeder weiß, in welcher Republik er lebt?
Schließlich: Wie wollen jene deutschen Juristen, die – im Überschwang von Leitkultur-Debatten – dem Grundgesetz eine Pflicht des Staates entnehmen wollen, eine Art völkischer Identität des Staatsvolks zu pflegen, eigentlich ausschließen, dass nationale Terroristen dieses Konstrukt als nothilfefähiges Rechtsgut verstehen?
Lehrt Geschichte etwas? Man lese selbst.
Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Journalist und Lektor in Ohligs.
Martin Rath, Juristische Studie zum Ku-Klux-Klan: . In: Legal Tribune Online, 18.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27589 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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