Mögen auch die Anfänge des Fußballs im Dunkel der Zeit liegen, können die ersten Fußballregeln ins viktorianische England zurückverfolgt werden. In Deutschland galt Fußball noch bis in die 1970er der breiteren Öffentlichkeit als rechtsfreier Raum. Mittlerweile greift das Recht im Fußball raumdeckend um sich: Justitia bleibt am Ball.
Justitia gilt gemeinhin nicht gerade als besonders sportlich. Bei Tucholsky schwoft sie zwar schon mal mit dem Staatsanwalt, doch Fußball spielend wurde sie noch nicht gesehen. Mit der Augenbinde träfe sie auch nur schwerlich den Ball. Und mit dem Schwert in der Hand stellte man sie gewiss schnell vom Feld.
So stellt sich die Frage, was Fußball mit Recht zu tun hat.
"Recht und Fußball", sagte 1977 Götz Eilers, damaliger Justitiar des Deutschen Fußballbundes (DFB), laut SPIEGEL, "sind zwei verschiedene Welten."
Horst Hilpert, der ehemalige DFB-Chefankläger, wurde einmal gefragt, wie lange es eigentlich schon Sportrechtsprechung gebe. Wie er in seinem Buch "Sportrecht und Sportrechtsprechung im In- und Ausland" erzählt, antwortete er darauf nach kurzem Nachdenken: "Die Fußballgerichtsbarkeit und deren wichtigste Sanktionsart, der Feldverweis, haben einen Vorgänger, der auf die ersten Tage der Menschheit zurückgeht."
Hilpert berief sich dabei auf das Buch der Bücher. Bekanntlich wurden Adam und Eva wegen der Einnahme verbotener Substanzen vom Feld gestellt.
Mittlerweile gilt der Verzehr von Äpfeln nicht mehr als Doping. Überhaupt trifft dieser Sündenfall weniger die Fußballer denn andere Sportler. Das soll aber nicht heißen, dass alle Fußballer frei seien von Sünde: Spieler von Juventus Turin etwa kamen von 1994 bis 1998 vom rechten Weg ab und ließen sich EPO spritzen. Dies blieb aber nicht ungesühnt, die Täter büßten vor irdischen Richtern.
Von gewollter Regellosigkeit zu Bosman und Bernard
Den Fußball der frühen Neuzeit hatte über Jahrhunderte hinweg eine gewollte Regellosigkeit gekennzeichnet, so Hilpert. Erst für das 19. Jahrhundert sind die ersten Regeln im Fußball belegt: die sogenannten Cambridge Rules. Aus den ursprünglich elf Laws sollten sich später die heutigen 17 Regeln des internationalen Fußballverbandes FIFA entwickeln.
In die Sphäre staatlichen Rechts rückte der Fußball in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland Anfang der 1970er. "Seit dem Bestechungsskandal in der Fußball-Bundesliga ist es auch der breiteren Öffentlichkeit bewußt geworden, daß der Sport keinen rechtsfreien Raum darstellt", stellte der Regensburger Strafrechtsprofessor Friedrich-Christian Schroeder 1972 fest.
In den vergangenen vierzig Jahren hat das Recht immer weitere Räume des Fußballs abgedeckt. Davon zeugten in den letzten Jahren die Verurteilung des korrupten Schiedsrichters Hoyzer und die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zum Stadionverbot. Fußball-Fans haben es § 4 des Rundfunkstaatsvertrags zu verdanken, dass sie etwa die diesjährige Fußball-WM in Südafrika im Fernsehen frei empfangen können. Der europäische Transfermarkt für Fußball-Profis ist durch das "Bosman"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vor 15 Jahren neu gestaltet worden.
Jüngst hat der EuGH zum Thema Ausbildungsentschädigung seine Rechtsprechung zu "Bosman" fortgeschrieben. In der Rechtssache "Bernard" erklärte der EuGH eine französische Regelung für nicht unionsrechtskonform. Der Regelung zufolge konnte ein Spieler, der nach seiner Ausbildung zu einem anderen Verein wechselte, zu Schadensersatz verurteilt werden, deren Höhe jedoch unabhängig von den tatsächlichen Ausbildungskosten war.
Die "Bernard"-Entscheidung wird auch Thema sein im Seminar zum Europäischen Fußballrecht, das der Bielefelder Juraprofessor Franz C. Mayer seit Jahren abhält. Theorie und Praxis werden in vorbildlicher Weise verknüpft: Im Anschluss an die Veranstaltung schauen sich die Teilnehmer gemeinsam das WM-Spiel Deutschland gegen Ghana an.
Jean-Claude Alexandre Ho, Justitia am Ball: . In: Legal Tribune Online, 12.06.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/709 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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