Eine Frau unterstützt einen Mann wirtschaftlich, weil er ihr die Ehe versprochen hat – ohne dies ernst zu meinen. Fälle des sogenannten "Heiratsschwindels" wurden in den 1950er und 1960er Jahren als Betrug mitunter hart bestraft.
Andere Männer mochten sich damals in einem Bratkartoffelverhältnis versorgen lassen, also in einer Liebesbeziehung, in der seine sexuelle Verfügbarkeit gegen ihre Küchenkunst getauscht wurde. Der Frauenüberhang nach dem Zweiten Weltkrieg ließ darüber hinwegschauen, dass dies dem Tatbestand der Kuppelei, § 180 Strafgesetzbuch (StGB) a.F. Vorschub leistete.
Was dem Angeklagten aus Berlin (West) zur Last gelegt wurde, ging einen entscheidenden Schritt weiter: Seit dem Mai 1957 war er mit einer Krankenpflegerin verlobt, die ihm nach Befund der Gerichte "während sie selbst in einem Krankenhause war, ihre Wohnung überließ" – was zwischen den Zeilen ihre Ehrbarkeit dokumentierte. Darüber hinaus traf er sich, während seine Verlobte arbeitete, mit einer weiteren Frau, häufig über Nacht, manchmal über den Sonntag und verlobte sich auch mit ihr: "Durch sein Heiratsversprechen wurde Frau H. veranlaßt, ihn zu beköstigen; sie gab ihm fast regelmäßig Frühstück, gelegentlich auch Abendbrot und am Sonntag Mittagessen."
Das Landgericht (LG) Berlin verurteilte den Mann unter anderem wegen dieses Tatbestands als gefährlichen Gewohnheitsverbrecher zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren und erkannte ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf fünf Jahre ab. Anders der Bundesgerichtshof (BGH): Dieser sprach den Angeklagten insoweit vom Vorwurf des Betruges nach § 263 StGB frei, als er den vier Kindern seiner Gastgeberin gelegentlich "Leckereien" mitgebracht und seiner Zweitverlobten einmal einen Geldbetrag überlassen hatte. Diese Aufwendungen von insgesamt geschätzt zehn Mark seien bei der Betrachtung des Vermögensschadens seiner Gastgeberin zu berücksichtigen (BGH Urt. v. 16.9.1958, Az. 5 StR 353/58) und machten den Betrugsvorwurf insoweit hinfällig.
"Gewohnheitsverbrecher" trotz oder wegen KZ-Haft?
Was es mit 17 Jahre zurückliegenden "Betrügereien durch Heiratsschwindel" auf sich hatte, wollte der BGH im Fall eines Angeklagten genauer wissen, dem das LG Hof mit Urteil vom 3. März 1951 einen "in seiner Persönlichkeit tief verwurzelten Hang zum Verbrechen" attestierte. Er zähle zum "Typ eines Betrügers und Hochstaplers". Das Gericht erkannte auf eine sechsjährige Zuchthausstrafe mit Sicherheitsverwahrung über den "gefährlichen Gewohnheitsverbrecher", der sich offenbar in seinem seit 1945 aufgebauten Radiogeschäft einiger Verfehlungen schuldig gemacht hatte.
Der BGH verwies die Sache zurück, weil es die Hofer Richter unterlassen hatten, dem Heiratsschwindel in den 1930er Jahren auf den Grund zu gehen. Denn nach einem kriegsgerichtlichen Urteil war der Angeklagte im Frühjahr 1940 in die "Hölle am Waldesrand", das Konzentrationslager Esterwegen bei Oldenburg verbracht worden, eines der berüchtigten "Moorlager". Carl von Ossietzky (1889–1938) wurde dort in den Tod geschunden. Nach zwei Jahren als "moorunfähig" ins Lazarett überwiesen, war der spätere Angeklagte bis zur Befreiung durch die US-Armee zum Entschärfen von Blindgängern und Zeitzündern eingesetzt worden.
Während der BGH nichts daran aussetzen mochte, dass das Landgericht die KZ-Haft und den Strafkommando-Einsatz nicht bei der sogenannten Rückfallverjährung – einem Sachverhalt des zwischen 1934 und 1970 geltenden § 20a StGB – berücksichtigte, verlangte er eine genauere Prüfung, was es mit dem "Heiratsschwindel" auf sich hatte, den das Kriegsgericht 1940 und das LG Hof 1951 nur pauschal erwähnten. Von der Bewertung dieser 17 Jahre zurückliegenden "Heiratsschwindeleien" sollte abhängen, ob der in "seiner Charakterveranlagung verwurzelte" sogenannte "Hang zum Verbrechen" neben der Zuchthausstrafe auch die Sicherungsverwahrung rechtfertigte oder hier eine wesenhaft andere Betrugsform als in den krummen Geschäften im Radiohandel vorlag.
Mit zum Zeitkolorit dieses Urteils (BGH v. 10.8.1951, Az. 1 StR 354/51) zählt übrigens, dass sich einer der beteiligten Bundesrichter gut in der Materie auskannte: Ernst Mantel (1897–1971) blickte auf eine Karriere als Untersuchungsrichter am Volksgerichtshof und als Militärrichter zurück. 1959 wurde er auffällig-unauffällig in den Ruhestand verabschiedet.
Krude Kriminologie: Gefährlicher Raubtierinstinkt
Die Gefahr, dass Frauen bei der Partnerwahl in die Fänge von Betrügern geraten könnten, wurde in den 1950er und 1960er Jahren jenen Formen gerichtsbekannter Sozialverhältnisse zugerechnet, die stets vorausgesetzt, denen aber augenscheinlich nie mit wissenschaftlicher Evidenz auf den Grund gegangen wird.
Allenfalls der in Bonn lehrende Juraprofessor Hans von Hentig (1887–1974) trug zur Problematik des Eheschwindels die Erkenntnis bei, jedem Jäger sei bekannt, dass Tiere in der Brunstzeit "Scheu, Vorsicht, Argwohn in den Wind" schlügen. Das gelte "in abgeschwächter Form im Umgang menschlicher Geschlechter". In seinem "Raubtierinstinkt" wende sich der Heiratsschwindler "wenn er Unterstützung sucht, neben dem Opfer an die Mutter oder Schwester seiner Braut, nicht an den künftigen Schwiegervater". Der renommierte Wissenschaftsverlag Springer brachte dieses kriminologische Jägerlatein im Jahr 1961 in Umlauf.
Tiefschürfendere wissenschaftliche Erkenntnis blieb rar. Dabei setzte die mit und nach dem Zweiten Weltkrieg über die deutsche Gesellschaft hereingebrochene soziale Mobilität die Partnerwahl doch neuen Risiken aus. Hilfe versprachen immerhin die sogenannten Heiratsmäkler. Der BGH klärte mit Urteil vom 8. Juli 1957 darüber auf, dass diese zwar nach § 656 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ihre Maklergebühr nicht gerichtlich einfordern könnten, sie aber umgekehrt wegen positiver Vertragsverletzung Schadensersatz zu leisten hatten, sollten sie nicht hinreichend über die Schattenseiten eines Heiratskandidaten aufklären (Az. II ZR 57/56).
Ein Bedarf an seriöser Heiratsvermittlung bestand also. Wer damals für die Ehe zum Makler ging, schwieg darüber später meist. Mit anekdotischer Evidenz lässt sich jedoch sagen, dass im kleinbürgerlich katholischen Milieu noch in den 1960er Jahren Ehen auf diesem Weg angebahnt wurden. Kommt es heute unter Muslimen vor, ist es der Untergang des Abendlands.
Für die Bedrohung des 'Heiratsmarkts' durch Schwindler sprachen drastische Entscheidungen. Einem 54-jährigen Postschaffner strich der Bundesdisziplinarhof beispielsweise wegen eheschwindlerischer Betätigung – gleichsam vor Augen seiner Vorgesetzten – die Ruhestandsbezüge (Urt. v. 21.11.1958, Az. III D 83/56). Ein durch Kopfschuss im Zweiten Weltkrieg beschädigter Offizier schwächte die Wehrkraft der Bundeswehr durch Masturbation in Gesellschaft von Fliegerhorst-Putzkräften und wurde wegen Eheschwindels – nach dem Muster Hans von Hentigs in Kollaboration der Schwiegermutterkandidatin – in die prosperierende Privatwirtschaft entlassen (Bundesdisziplinarhof, Urt. v. 24.1.1964, Az. W D 58/63).
Ende des klassischen Eheschwindels
Im Verlauf der 1960er Jahre dünnt sich jedenfalls die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Heiratsschwindel aus. Dazu wird die Enttabuisierung vor- und außerehelicher Sexualität beigetragen haben. Nicht nur die Ermittlungsverfahren wegen Kuppelei gingen zurück, schon bevor die Vorschrift 1969 aufgehoben wurde. Auch die diffuse Erwartungshaltung, dass sexuelle Beiwohnung mit Verlöbnis, Verlöbnis mit Ehe gleichzusetzen sei, brach auf – und mit der neuen Unsicherheit in den vor- und außerehelichen Beziehungen war nun deutlich schwerer auszumachen, ob jemand mit der Aussicht auf die Ehe Vermögensdispositionen getätigt hatte oder sozial adäquate Liebesgaben dargeboten wurden.
Das angewachsene Vermögensniveau, die steigende Erwerbstätigkeit von Frauen senkten die Vulnerabilität – wegen eheschwindlerisch bewirkter Vermögensverfügungen im Wert von fünf Mark – circa 2,50 Euro – findet sich, anders als vor 60 Jahren regelmäßig kein Richter. Sinkende Transaktionskosten im Geschäft der Online-Selbstentblößung lassen schlimmstenfalls den albernen Romance Scam wirtschaftlich rational zu – ein Heiratsschwindler hatte hier 1958 mehr Arbeit, sich seinem Opfer zu nähern.
Avanciertere Formen, den sexuell bedingten Verlust an "Scheu, Vorsicht, Argwohn" (von Hentig) betrügerisch auszunutzen, scheinen inzwischen durch die Bank auf die rein körperliche Ausbeutung abzuzielen. Vom Boulevard zwischen ARD und "Bild" skandalisiert, aber augenscheinlich nicht solide erforscht, ist hier etwa die Vorgehensweise sogenannter "Loverboys".
Relevant werden könnte in Zukunft – stärkt die Verschärfung des Sexualstrafrechts doch heute stets das politische Ansehen – ein Vorschlag aus dem amerikanischen Musterstrafgesetzbuch von 1962: Sein § 213.1 (2)(c) erfasst den in der Ethnologie als "Bettschwindel" bekannten Tatbestand: Eine minderschwere Form der Vergewaltigung sollte demnach ein Mann begehen, der eine Frau zum Geschlechtsverkehr bewegt, indem er vorspiegelt, mit ihr verheiratet zu sein. Es bedarf keiner starken Vorstellungskraft, dass die Idee, die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen jederlei Geschlechts nicht nur gegen Zwang, sondern auch gegen Täuschungshandlungen jederlei Art zu sichern, das nächste große Ding der Rechtspolitik werden könnte.
Mit dem alten strafrechtlichen Elend der Heiratsschwindler, die als "gefährliche Gewohnheitsverbrecher" Frauen um Frühstück oder Valuta brachten, hätte das natürlich nicht mehr viel zu tun – es wäre ein neues.
Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.
Heiratsschwindel: . In: Legal Tribune Online, 16.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30935 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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