Der Journalist und Jurist Joachim Wagner warnt in seinem neuen Buch vor schlecht ausgebildeten Anwälten. Er wünscht sich ein neues Berufsethos und eine Reform der Juristenausbildung. Bei BRAK und DAV stößt er damit auf Vorbehalte. Wie romantisch sind Wagners Vorstellungen von einem kleineren Anwaltsmarkt, angesehenen Juristen und einem hohem Berufsethos?
Die "Muss-Anwälte" sind das Problem. Das sind die Anwälte, vor denen der Journalist Joachim Wagner in seinem neuen Buch "Vorsicht Anwalt" warnt. Juristen mit schlechten Examensnoten, für die in Justiz, Wirtschaft oder Verwaltung kein Platz ist. Die nicht in die Großkanzlei oder in mittelständische Sozietäten gehen, sondern sich in der Wohnzimmer-Kanzlei oder als Mitglied einer Bürogemeinschaft selbständig machen. Und damit den ohnehin schon überlaufenen Anwaltsmarkt vergrößern, die Qualität drücken und Wagner zu seiner Warnung veranlassen, die weder auf Polemik und Pathos noch auf Floskeln verzichtet.
"Wir haben den Rubikon schon lange überschritten", heißt es in der Einleitung. Wagner, der selbst Jurist ist, geht es nicht nur um bessere Beratung der einzelnen Mandanten, sondern um den Rechtsstaat als solchen. Klar, dass das für Diskussionen sorgt. Ekkehart Schäfer, Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), sagt: "Ich hätte mir schon gewünscht, dass Herr Wagner in der Einleitung sagt, dass das Gros der Anwälte gut arbeitet und unser Rechtsstaat noch nicht untergegangen ist." Trotzdem sei es eine "verdienstvolle Arbeit", mit der Wagner auf Probleme hinweise. Ulrich Schellenberg, Vizepräsident des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) und Vorsitzender des Landesverbandes Berlin, hat das Buch dagegen noch nicht gelesen und bleibt angesichts des Titels abwartend: "Das klingt schon ein bisschen reißerisch."
Jurastudium – ein "Sammelbecken der Mittelmäßigen"
Für Wagner beginnt die Misere auf dem Anwaltsmarkt mit einer Misere an den Universitäten, die schlechten Juristen seien weitgehend identisch mit den schlechten Abiturienten. Der Notendurchschnitt der Studienanfänger liege im Vergleich zu anderen Studiengängen lediglich im Mittelfeld, der Anteil der Abiturienten mit der Gesamtnote "sehr gut" habe sich von 16 Prozent in den Jahren 1996/97 auf 8 Prozent in 2009/2010 halbiert. Das Jurastudium werde damit zu einem "Sammelbecken der Mittelmäßigen", schreibt Wagner. Und der Anwaltsberuf zu einem "Sammelbecken für schlechte Juristen". Durch die Masse sei ein sehr scharfer Konkurrenzkampf entstanden, erklärt Wagner. Und das gehe auf Kosten der Qualität und der Berufsethik.
Er hat vor allem zwei Gruppen ausgemacht, in denen die Qualität der Rechtsberatung leide. Die Berufsanfänger und die älteren Anwälte, die er als "Modernisierungsverlierer" bezeichnet. Bei beiden geht es vor allem um diejenigen, die als Einzelanwalt arbeiten und in einem breiten Rechtsgebiet tätig sind. "Eine Mehrheit der Anwälte, nämlich 53 Prozent nach empirischen Untersuchungen, ist als Einzelanwalt tätig und davon wiederum ein Drittel als Generalist", so Wagner. "Und angesichts der Verrechtlichung unserer komplizierten Welt ist es so, dass diese Generalisten im Grunde genommen bei vielen Dingen überfordert sind."
In seinem Buch zitiert er den ehemaligen DAV-Präsident, Hartmut Kilger, damit, dass "bei rund einem Drittel der Anwälte das Risiko besteht, qualitativ schlecht beraten zu werden". Das ist "das wichtigste Zitat in meinem Buch", so Wagner. Es ist eine freihändige Schätzung. DAV-Vize Schellenberg teilt sie nicht: "Das würde ich so nicht sagen. Nicht, weil ich es besser weiß, sondern weil ich es eben nicht weiß." Die weniger erfolgreichen Anwälte müssten nicht unbedingt die schlechteren sein, betont er: "Es kommt doch auch auf die persönliche Einstellung an. Wie halte ich es mit Fortbildungen, mache ich eine vernünftige Risikoeinschätzung, arbeite ich sorgfältig und nehme mir Zeit für ein Mandat."
Annelie Kaufmann, Warnung vor dem Anwalt: . In: Legal Tribune Online, 06.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11874 (abgerufen am: 05.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag