OLG Frankfurt am Main sieht geschlossenen Kaufvertrag

Smart­phones für 92 Euro statt 1.099 Euro pro Stück

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Allgemeine Geschäftsbedingungen, falsch ausgepreiste Ware und Streit über einen angenommenen Kaufvertragsantrag: Dieser Fall könnte so in einer Klausur laufen. Wie Kopfhörer einem Elektronikkonzern zum Verhängnis wurden.

Wenn ein Online-Händler versehentlich Smartphones zum Schnäppchenpreis anbietet und in diesem Angebot gratis Kopfhörer enthalten sind, dann gilt mit dem Versand der Kopfhörer der Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrags als angenommen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden, wie nun bekannt wurde (Hinweisbeschl. v. 18.04.2024, Az. 9 U 11/23).

Dass durch fehlerhafte Software oder eine Schusseligkeit der Mitarbeiter Ware im Internet (viel) zu niedrig ausgepreist wird, passiert manchmal. Nicht selten verbreitet sich die Nachricht vom Mega-Schnäppchen dann über Social Media und der Online-Shop ist in kürzester Zeit leergekauft. Sollte der Online-Händler den Fehler bemerken und den Kaufvertrag sofort anfechten, fallen in der Regel keine großen Kosten an, sofern ein Kaufvertrag überhaupt zustande gekommen ist.

In diesem Fall war es allerdings anders gelagert, was dazu führte, dass sich das OLG in einem Hinweisbeschluss zu spannenden Auslegungsfragen äußern musste. Auf den Beschluss hin nahm der in diesem Fall beklagte Elektronikkonzern seine Berufung zurück.

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Mehr als 90 Prozent Rabatt auf den UVP

Der Streit begann, als ein findiger Käufer die Gunst der Stunde nutzte und Smartphones zu einem Bruchteil ihres regulären Preises ergattern wollte. Der beklagte Elektronikkonzern hatte aufgrund eines Preisfehlers seine Ware – in diesem Fall Smartphones der aktuellsten Generation – für spottbillige 92 Euro statt der 1.099 Euro unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) angeboten.

Das war aber noch nicht alles: Als zusätzlichen Anreiz versprach der Online-Händler gratis Kopfhörer zu jedem dieser Smartphones, die der Hauptbestellung – also den Smartphones – hinzugefügt werden konnten, sofern gewünscht. Der später klagende Kunde schlug zu und orderte gleich neun Smartphones, dazu vier Kopfhörer. Er zahlte sofort, die Bestellbestätigung trudelte ein und die gratis Kopfhörer wurden schon zwei Tage später versendet, eine entsprechende Versandbenachrichtigung gab's on top. Noch am selben Tag bemerkte der Online-Händler seinen Fehler und korrigierte ihn.

Zwei Wochen nach dem Kauf stornierte der Händler die Bestellung des Kunden unter Verweis auf den gravierenden Preisfehler. Das OLG Frankfurt stellte nun aber klar: Ein Kaufvertrag über insgesamt neun Smartphones zu je 92 Euro ist zustande gekommen, denn die gratis Kopfhörer wurden dem Online-Händler zum Verhängnis.

"Untrennbarer Zusammenhang" zwischen Smartphone und Kopfhörer

Die juristische Kernfrage: Wann und wie genau ist in diesem Fall der Kaufvertrag zustande gekommen? Laut den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Online-Händlers liegt in der Kundenbestellung über den Button "jetzt kaufen" ein bindendes Angebot (§ 145 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) zum Abschluss eines Kaufvertrages. Zu diesem Zeitpunkt war also noch kein Kaufvertrag zustande gekommen.

Auch in der Bestellbestätigung liege noch keine Annahmeerklärung seitens des Online-Händlers vor, entschied das OLG. Diese weise nur darauf hin, dass die Bestellung eingegangen sei.

Hier kommt die Besonderheit des Falls ins Spiel: Zustande gekommen ist der Kaufvertrag nach Auffassung des OLG allerdings in dem Zeitpunkt, in dem die gratis Kopfhörer versendet worden sind. Denn ohne den Erwerb eines Smartphones als "Hauptprodukt" hätte es gar keine kostenlosen Kopfhörer dazu gegeben, begründet das Gericht. "Zwischen dem Erwerb des Smartphones und der Übersendung der Kopfhörer bestand ein untrennbarer Zusammenhang dergestalt, dass die kostenlose Übersendung der Kopfhörer das wirksame Zustandekommen eines Kaufvertrags über das Hauptprodukt - das Smartphone – voraussetzt", so das Frankfurter Gericht.

Das heißt im Ergebnis: Der Kläger habe die Versandbestätigung über die kostenlosen Kopfhörer nach Treu und Glauben (§242 BGB) so verstehen dürfen, dass damit auch der Kaufvertrag über die Smartphones zustande gekommen ist.

Auch eine Anfechtung war laut OLG nicht mehr möglich: Der Händler hatte seinen Fehler zwar am selben Tag bemerkt und korrigiert, aber erst zwei Wochen später die Bestellung storniert. Damit sei es für die Anfechtung des Vertrags bereits zu spät gewesen, weil er nicht "unverzüglich" gehandelt habe (§ 121 Abs. 1 BGB) – also "ohne schuldhaftes Zögern", wie wir alle einmal gelernt haben.

Der Schnäppchenjäger darf sich in diesem Fall also über neun modernste Smartphones freuen, die ihm der Elektronikkonzern nun noch nachschicken muss.

xp/LTO-Redaktion

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Smartphones

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