Geht "Workation" auch in Kanzleien?
Seit einigen Jahren wünschen sich Arbeitnehmer zunehmend mehr Flexibilität – sowohl in Bezug auf die Arbeitszeit als auch auf den Arbeitsort. Neben Homeoffice, das viele Arbeitgeber mittlerweile – wenn es der Job zulässt – zumindest an manchen Tagen in der Woche erlauben, wollen viele Beschäftigte auch Arbeit und Urlaub verbinden. Die sogenannte "Workation", also die Verbindung von "Work" und "Vacation", ermöglicht das Arbeiten von einem anderen Ort als dem eigentlichen Arbeitsplatz oder dem Wohnort aus, meistens aus dem Ausland. Im Unterschied zur Fernarbeit ist Workation zeitlich begrenzt, die Tätigkeit erfolgt also nicht dauerhaft aus dem Ausland heraus.
Arbeitgeber:innen müssen sich vor der Genehmigung von Workation u.a. mit der Sicherheitslage, den Arbeitsschutzvorschriften, steuerrechtlichen Vorgaben, eventuellen Aufenthaltstiteln, der möglichen Begründung einer Betriebsstätte sowie dem Datenschutz derjenigen Länder, für die Workation beantragt wird, beschäftigen. Welche weiteren rechtlichen Vorgaben bei der Workation zu beachten sind, hat Arbeitsrechtler Dr. Michael Fausel bereits ausführlich im LTO-Interview erläutert.
Ebenso wie beim Homeoffice besteht allerdings kein gesetzlicher Anspruch auf Workation, ein Anspruch könnte sich allenfalls aus arbeitsvertraglicher Vereinbarung, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben.
Nach einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC würde allerdings fast jede:r dritte Beschäftigte einen neuen Job ablehnen, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit zu Workation bietet. Aber wie sieht das in Kanzleien aus? Sind sie darauf vorbereitet – und wo gibt es bereits eigene Workation-Programme? LTO hat bei 27 verschiedenen Wirtschaftskanzleien nachgefragt, lediglich zwölf davon haben die Fragen beantwortet. Sechs Kanzleien haben mitgeteilt, dass sie keine Informationen weitergeben, die anderen neun haben sich gar nicht erst zurückgemeldet.
Kanzleien mit eigenen Workation-Programmen
Soweit die angefragten Kanzleien bereit waren, LTO gegenüber hierzu Auskunft zu geben, zeichnet sich ein sehr uneinheitliches Bild. Kanzleien wie GSK Stockmann, KPMG Law, Willkie Farr & Gallagher, PwC (PwC Legal inbegriffen) und EY (EY Law inbegriffen) haben bereits formale Konzepte für eine Workation ausgearbeitet, Redeker ist noch dabei und möchte bis zum Herbst ein Programm vorstellen.
Nach der derzeitigen Regelung von PwC kann jeder Mitarbeiter von jedem Ort in Deutschland aus arbeiten, Workation im Inland ist also kein Problem. Workation im Ausland ist dort nach einem entsprechenden Antrag in über 40 Ländern möglich, eine feste Obergrenze bezüglich der Dauer gibt es nicht. Mit dem "Remote Work Assistant" hat PwC auch ein Tool entwickelt, das Informationen zu Betriebsstätten, Lohnsteuer, Sozialversicherung, Arbeitsrecht und Migrationsrecht in bis zu 40 Ländern enthält.
EY hat ebenfalls eine offizielle Regelung zur Workation, möglich ist dies hier für bis zu 90 Tage im Jahr in aktuell 26 Ländern. Sowohl PwC als auch EY begründen diese großzügigen Regelungen gegenüber LTO damit, dass mobiles Arbeiten und das hierfür nötige Vertrauen Teil der Unternehmenskultur sei und Workation zudem die Attraktivität als Arbeitgeber steigere.
Bei GSK Stockmann können alle Mitarbeiter:innen bis zu 20 Tage pro Jahr aus dem Ausland arbeiten. Auch bei KPMG Law besteht diese Möglichkeit für festangestellte Mitarbeiter:innen ebenfalls für bis zu 20 Tage pro Jahr, allerdings nur in neun ausgewählten Ländern innerhalb Europas, namentlich Finnland, Dänemark, Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland, Schweiz, Österreich und Kroatien. Bei Willkie Farr & Gallagher ist Workation an bis zu zehn Tagen pro Jahr möglich, egal von welchem Land aus. Individuell können aber auch längere Zeiträume vereinbart werden – nach Kanzleiangaben wurden derartige Anträge bislang immer positiv beschieden.
Workation nach individueller Vereinbarung
Andere Kanzleien vermelden, dass es mangels Nachfrage bisher keine allgemeinen Regelungen gebe, u.a. berichtet Görg, dass es dort derzeit auch keine Pläne für ein formales Workation-Programm gibt. Bei Noerr gibt es nach Auskunft der Kanzlei "gelegentlich" diesbezügliche Nachfragen von Mitarbeiter:innen. Deshalb solle "in Zukunft" ein entsprechendes Konzept ausgearbeitet werden.
Auch SZA, Hogan Lovells und Advant Beiten haben bislang keine grundsätzliche Regelung zur Workation, es können aber individuelle Vereinbarungen in den jeweiligen Teams getroffen werden. Advant Beiten hat hier positive Erfahrungen gemacht – sowohl aus Perspektive der Mitarbeiter:innen als auch der Vorgesetzten. Hogan Lovells verweist zudem auf die Möglichkeit, mit dem Mobilitätsprogram "HL Passport" drei Monate in einem anderen Büro von Hogan Lovells zu arbeiten, auch im Ausland.
Auch bei trustberg gibt es die Möglichkeit von Workation, trustberg-Partner Clemens Engelhardt, der selbst vier Wochen von Mauritius aus gearbeitet hat, hat im LTO-Interview seine Erfahrungen geschildert.
Kanzleien berichten von positiven Erfahrungen
Eine Workation will natürlich gut geplant sein und man muss viele Absprachen treffen, beispielsweise muss man bei Calls mit Arbeitskolleg:innen oder Mandant:innen eine eventuelle Zeitverschiebung berücksichtigen. Das dürfte aber in der Praxis kein großes Problem sein – jedenfalls im EU-Ausland.
Die Kanzleien, die in der Umfrage dazu Stellung genommen haben, berichten durchweg von positiven Erfahrungen und positivem Feedback der Mitarbeiter:innen. "Die Möglichkeit, den Arbeitsort flexibel anzupassen, wird von den Mitarbeitenden sehr gerne angenommen", resümiert Andreas Butz, Talent Leader bei EY Deutschland, gegenüber LTO. Das bestätigt auch EY Law-Rechtsanwalt Georg Nikokiris, der im vergangenen Jahr nach einer Woche Urlaub in Montpellier, Südfrankreich, noch drei Wochen Workation dort verbracht hat: "Durch die Workation konnte ich meine Begeisterung für Frankreich und die französische Kultur mit meiner regulären Tätigkeit verbinden. Auch meine Sprachkenntnisse konnte ich dort nach Feierabend, u.a. im Kontakt mit anderen Ortsansässigen und Expats, vertiefen. Das Workation-Angebot wird hier durchweg gerne angenommen, auch viele Kollegen und Kolleginnen haben mir bereits positiv von ihren Erfahrungen in anderen Ländern berichtet."
Die Beliebtheit der Programme zeigen sich auch in den Zahlen: Bei EY etwa haben bereits 20 Prozent der Belegschaft, verteilt über alle Fachbereiche, nicht nur unter Jurist:innen, das Angebot bereits genutzt. Bei KPMG Law wurden zwischen der Einführung von Workation im Jahr 2022 bis einschließlich März 2024 insgesamt 60 Anträge genehmigt.
Da Workation Umfragen zufolge zu den beliebtesten Arbeitgeber-Benefits gehört, werden sich alle Kanzleien im "war for talents" früher oder später mit der Frage beschäftigen müssen, ob sie diese Möglichkeit anbieten wollen. Hier gibt es bereits einige Vorreiter mit großzügigen Programmen, andere Kanzleien werden im Laufe der Zeit wohl nachziehen müssen.
Hanna E. Weißer ist Volljuristin und promoviert derzeit am Institute for Law and Finance in Frankfurt am Main.
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2024 M06 19
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