Von der Großkanzlei in die eigene Sozietät

"Weg in die Selbständigkeit muss gut vorbereitet sein"

Interview mit Carsten WettichLesedauer: 4 Minuten
Nach einigen Jahren in der Großkanzlei stellt sich für Associates oft die Frage, wie es beruflich weitergehen soll: Zum Partner aufsteigen, als Counsel eine (etwas) ruhigere Kugel schieben oder vielleicht doch lieber in ein Unternehmen wechseln? Carsten Wettich hat sich für eine vierte Variante entschieden und sich mit zwei Kollegen selbständig gemacht.

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LTO: Herr Dr. Wettich, Sie waren mehr als fünf Jahre als Associate bei Hengeler Mueller, Ihre beiden Mitgründer ähnlich lang, Herr Fleck zuletzt außerdem zwei Jahre bei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Nun haben Sie Ihre Jobs freiwillig aufgegeben, um sich selbständig zu machen. War das Gehalt wirklich so schlecht? Wettich: Nein, daran hat es sicher nicht gelegen. Hengeler ist ein toller Arbeitgeber, den ich auch heute noch jedem empfehlen würde. Trotzdem ist uns mit der Zeit klar geworden, dass wir gern noch selbstbestimmter arbeiten und das Gefühl haben möchten, dass wir unseren eigenen Laden schmeißen. LTO: Und haben Sie das? Dr. Carsten WettichWettich: Auf jeden Fall. Das fängt bei kleinen Dingen wie dem Corporate Design oder der Webseite an, die wir nach unseren eigenen Vorstellungen gestalten konnten. Letztlich betrifft es aber fast alle Aspekte unserer Arbeit: Wie wir uns gegenüber Mandanten positionieren, wie wir nach außen kommunizieren, welche Mandate wir annehmen – und natürlich, wann wir arbeiten. LTO: Von acht bis acht oder doch eher von neun bis neun? Wettich: Zugegeben, viel Arbeit bedeutet die Selbständigkeit schon, gerade in der Anfangsphase. Aber das waren wir von der Zeit in der Großkanzlei ja alle gewohnt. Und jetzt sind wir unsere eigenen Chefs und können flexibler entscheiden, auch mal früher zu gehen, wenn die Arbeitslage es zulässt.

"Wir können jetzt komplett auf den eigenen Instinkt vertrauen"

LTO: Wie unterscheidet sich denn die eigentliche Arbeit? Wettich: Inhaltlich ist die Arbeit gleich geblieben. Allerdings haben wir vorher häufig in deutlich größeren Teams gearbeitet, teilweise mit Kollegen, die im Ausland und in anderen Zeitzonen sitzen. Jetzt arbeiten wir in kleineren Teams, sind alleine verantwortlich und können die Dinge so lösen, wie wir es für richtig halten. Dadurch entfällt viel an Abstimmung, und wir können jetzt komplett auf unseren eigenen Instinkt und natürlich auf unsere juristische Expertise vertrauen. LTO: Dann haben Sie jetzt aber auch an eine andere Art von Mandanten? Wettich: Natürlich können wir nicht zu dritt Dinge erledigen, die in einer Großkanzlei von bis zu zwölf Leuten parallel bearbeitet werden. Das ist aber auch nicht unser Ziel. Wir fokussieren uns auf den Mittelstand und auf Familienunternehmen, wo die individuelle und persönliche Beratung des Mandanten besonders im Vordergrund steht. Das hat auch den schönen Effekt, dass wir viel mit den wirtschaftlichen Entscheidern zu tun haben. So sprechen wir direkt mit den Geschäftsführern oder einem einzelnen Justiziar. Daneben beraten wir zum Beispiel im Kapitalgesellschafts- und Konzernrecht oder bei Transaktionen aber auch weiterhin große Unternehmen und deren Rechtsabteilungen. LTO: Aber auch solche Aufträge fallen nicht vom Himmel. Haben Sie Ihren früheren Arbeitgebern den einen oder anderen Mandanten abgeluchst? Wettich: Nein, in diese Richtung gab es zum Glück keine Probleme. Im Gegenteil sind wir mit unseren früheren Kanzleien weiterhin freundschaftlich verbunden. Wir bearbeiten ja nun ohnehin überwiegend Mandate anderen Zuschnitts. Aber auch ohne direkt Mandanten zu "klauen", lernt man während mehrerer Jahre in einer Großkanzlei natürlich viele Leute kennen und knüpft Kontakte. Einige von denen haben uns nun unsere ersten Aufträge beschert.

"Erfüllung eines beruflichen Lebenstraums"

LTO: Trotz guter Kontakte ist so eine Selbständigkeit immer mit Risiken behaftet, nicht zuletzt finanziellen. Denken Sie, dass Sie als selbständige Anwälte an das Gehaltsniveau rankommen können, dass Sie zuvor hatten? Wettich: Unsere Sozietät gibt es noch nicht lange genug, um verlässliche Aussagen darüber treffen zu können, wie rentabel sie sein wird. Mit dem Start sind wir allerdings äußerst zufrieden. Mittelfristig gehe ich davon aus, dass wir unser altes Einkommensniveau erreichen und übertreffen. Gerade in der Anfangszeit muss man aber natürlich einiges investieren, ohne zu wissen, wann und wie viel Geld reinkommen wird. Ein paar finanzielle Rücklagen für die ersten Monate zu haben, ist also durchaus sinnvoll. Bei der Gründung von Berner Fleck Wettich hat das Geld aber nur eine untergeordnete Rolle gespielt; wichtiger war uns die Freude an der gemeinsamen Arbeit und die größere unternehmerische Freiheit. LTO: Welche anderen Tipps können Sie Anwälten geben, die darüber nachdenken, sich selbständig zu machen? Wettich: Der Schritt sollte auf jeden Fall gut vorbereitet sein. Wir hatten schon günstige Startvoraussetzungen, weil wir alle drei Kontakte zu potentiellen Mandanten hatten. Und natürlich, weil wir im Gesellschaftsrecht inzwischen viel Übung haben, so dass die Bearbeitung der Mandate vergleichsweise leicht von der Hand geht. Beides trifft auf Berufseinsteiger eher nicht zu. Trotzdem würde ich es jedem empfehlen, der die Lust und auch den Mut hat, sein eigener Chef zu sein. Und der vielleicht jemanden kennt, der mitmachen möchte, um größere Mandate bearbeiten und sich intern abstimmen zu können. Zudem sollte man sich auf einen bestimmten Bereich spezialisieren, in unserem Fall auf das Gesellschaftsrecht. Wenn die Chemie stimmt und man das Gefühl hat, mit einem oder mehreren Freunden zusammen etwas Eigenes aufzubauen, ist das befriedigender als jedes Angestelltenverhältnis. Für mich war dieser Schritt jedenfalls die Erfüllung eines beruflichen Lebenstraums. Dr. Carsten Wettich ist seit Anfang 2014 zusammen mit Dr. Thilo Fleck und Olaf Berner in der Kanzlei Berner Fleck Wettich tätig, die auf den Bereich Gesellschaftsrecht | Corporate spezialisiert ist. Das Interview führte Constantin Baron van Lijnden.

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