BGH zu anwaltlichem Insolvenzverwalter

Wer als Anwalt auf­tritt, muss auch so handeln

von Martin W. HuffLesedauer: 4 Minuten
Anwälte müssen ihre Schreiben an den Anwalt der Gegenseite richten, sofern es einen gibt. Das gilt auch, wenn sie gar nicht als Anwalt handeln, aber dennoch ihren Briefbogen verwenden. Martin W. Huff stellt die Entscheidung des BGH vor.

Der Entscheidung lag ein Streit zwischen der Rechtsanwaltskammer München und einem bei ihr zugelassenen Anwalt zugrunde. Jener war als Insolvenzverwalter einer Aktiengesellschaft bestellt worden. Er forderte unter der Verwendung seines anwaltlichen Briefbogens den Vorstand der Aktiengesellschaft auf, einen bestimmten Betrag zur Insolvenzmasse zu zahlen. Für den Vorstand bestellte sich daraufhin ein Rechtsanwalt und bat darum, jeglichen Schriftverkehr nur noch mit ihm zu führen, wie dies auch § 12 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) verlangt. Durch die Vorschrift sah sich der spätere Kläger jedoch nicht gebunden: Er war der Auffassung, dass sie in diesem Fall nicht greife, da er ja gar nicht als Anwalt, sondern als Insolvenzverwalter tätig werde. Daraufhin erteilte die Rechtsanwaltskammer München ihm einen so genannten belehrenden Hinweis, wonach er in Zukunft verpflichtet sei, das Umgehungsverbot des § 12 BORA zu beachten, wenn er bei seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter zugleich als Rechtsanwalt auftrete.

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BGH: Umgehungsverbot dient fairem Verfahren, Gemeinwohl

Gegen diesen belehrenden Hinweis, der einen Verwaltungsakt der Rechtsanwaltskammer darstellt, erhob der betroffene Anwalt Klage, die Anfang des Monats vor dem Bundesgerichtshof (Urt. v. 06.07.2015, Az. AnwZ(Brfg) 24/14), wie zuvor schon vor dem der Anwaltsgerichtshof (AGH), scheiterte. Die Richter in Karlsruhe stellen in ihrer ausführlichen Begründung zunächst klar, dass § 12 BORA, was gelegentlich bestritten wird, verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Zwar werde mit dem Umgehungsverbot in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen, weil die Vorschrift Rechtsanwälten den unmittelbaren Kontakt mit anwaltlich vertretenen Gegnern grundsätzlich untersage und damit die berufliche Tätigkeit reglementiere. Doch diese Beschränkung sei durch allgemeine Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Regelung ziele vorrangig auf den Schutz des gegnerischen Mandanten. Wenn dieser einen Rechtsanwalt einschaltet, so soll er davor geschützt sein, dass der gegnerische Rechtsanwalt mit ihm direkt Kontakt aufnimmt.  Dieser Schutz vor Überrumpelung dient einem fairen Verfahren und damit dem Gemeinwohlinteresse. Das Umgehungsverbot, so die Richter weiter, gelte für alle Rechtsanwälte, sobald sie unter ihrer Anwaltsbezeichnung nach außen auftreten. Hier habe der betroffene Rechtsanwalt das unter Umgehung des Gegenanwalts an den Gegner gerichtete wiederholte Mahnschreiben auf dem Briefpapier seiner Sozietät verfasst und auch mit der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" unterzeichnet.

Insolvenzverwaltung ist eigener Beruf

Zwar sei die Insolvenzverwaltung ein eigener, vom Schutz des Art. 12 Grundgesetz (GG) betroffener Beruf, und nicht mehr bloße Nebentätigkeit für Rechtsanwälte und Kaufleute. Der Zugang sei mittlerweile in der Insolvenzordnung geregelt, auch wenn es noch keine Berufsordnung für Insolvenzverwalter gebe. Dass es sich um Anwaltstätigkeit handele, zeige etwa die Möglichkeit, Fachanwalt für Insolvenzrecht zu werden, wofür man in Insolvenzverfahren tätig gewesen sein muss. Dies bedeute aber nicht, dass die Berufsordnung für Rechtsanwälte nicht für einen als Insolvenzverwalter auftretenden Anwalt gelte. Denn wenn der Rechtsanwalt als Verwalter typische Anwaltstätigkeiten wie die Einziehung von Forderungen ausübe, so müsse er sich dabei an das Umgehungsverbot halten. Gründe dafür, dies nicht zu tun, findet der Anwaltssenat nicht.

Funktion, in der Anwalt auftritt, nicht immer klar erkennbar

Zudem könne der Gegner oftmals, auch wenn er einigermaßen kundig ist, nicht unterscheiden, in welcher Eigenschaft der Rechtsanwalt ihn anschreibt. Er dürfe darauf vertrauen, dass, wenn er selbst einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat, die Korrespondenz auch über diesen abgewickelt wird. Mit dieser klaren Entscheidung hat der Anwaltssenat  den Anwendungsbereich des § 12 BORA über den Einzelfall hinaus klargestellt: Wer als Rechtsanwalt nach außen auftritt, der muss sich auch an das Umgehungsverbot halten. Mit dieser klaren Regelung sollten alle Rechtsanwälte leben können. Sie müssen dann auch akzeptieren, dass der Rechtsanwalt auf der Gegenseite sich mitunter einfach nicht meldet und nicht Stellung bezieht, wozu er auch nicht verpflichtet ist. Dann die Gegenseite unter Hinweis auf die Untätigkeit ihres Anwalts direkt anzuschreiben, wie dies in der Praxis häufiger geschieht, ist unzulässig, wenn nicht ein seltener Ausnahmefall des § 12 Abs. 2 BORA vorliegt.

Umgehungsverbot auch bei Tätigwerden in eigener Sache

In der Praxis meinen zum Beispiel manche Rechtsanwälte, dass sie dann, wenn sie private Forderungen, etwa aus Mietverträgen, gegenüber anderen geltend machen, nicht durch das Umgehungsverbot gebunden wären. Dies sehen die meisten Anwaltskammern als Umgehung des § 12 BORA, wenn der Rechtsanwalt etwa zu Geltendmachung seiner Forderungen seinen anwaltlichen Briefbogen oder auch nur die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt verwendet. Diese Praxis wird jetzt durch das Urteil unterstützt. Die Entscheidung wird in Zukunft auch für die Unternehmensanwälte wichtig werden, die nach dem im Gesetzgebungsverfahren (BT-Dr. 18/5201) befindlichen "Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte" als "Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)" zugelassen werden. Für sie gilt ausdrücklich das anwaltliche Berufsrecht. Treten Sie etwa gegenüber Kunden des Unternehmens als Syndikusrechtsanwälte auf, so müssen also auch sie sich an § 12 BORA halten und dürfen nicht einfach weiter den Kunden direkt anschreiben, wenn sich für diesen ein Anwalt bestellt hat. Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LegerlotzLaschet (LLR) in Köln und Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Er bildet seit langem Pressesprecher der Justiz aus.

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