Hat an einem perfekten Arbeitstag die Handwerker da
Dr. Stefanie Killinger
Ist: Präsidentin des Verwaltungsgerichts Göttingen.
Macht: Das Gericht leiten und Recht sprechen.
Außerdem: In der 2. Staatsprüfung prüfen und gelegentlich unterrichten, z.B. an der Uni Göttingen. Seit diesem Jahr stellvertretendes Mitglied des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs.
Vorher: Zum Berufseinstieg ein Jahr Großkanzlei, natürlich im öffentlichen Recht. Dann bin ich meinem Mann nach Niedersachsen gefolgt, dort Eintritt in die niedersächsische Justiz. Abordnungen an das Niedersächsische Justizministerium 2009 und 2012 bis 2016, davon zwei Jahre Büroleiterin der damaligen Justizministerin, dazwischen Erprobung am Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht. Seit 2017 Präsidentin des Verwaltungsgerichts Göttingen.
Was machen Sie beruflich?
Ich leite ein Gericht und muss dafür sorgen, dass der Laden läuft. Ich bin auch selbst Richterin mit einem eigenen Dezernat, das gehört dazu.
Was mögen Sie an Ihrem Job am liebsten?
Die Verwaltung macht mir am meisten Spaß: wenn es im Gericht vorangeht, wenn wir für Rechtsschutzsuchende zugänglicher werden oder nach innen bessere Arbeitsbedingungen schaffen können. Da freue ich mich auch über kleine Maßnahmen, z.B. einen barrierefreien Briefkasten oder eine Fluchttür in der Rechtsantragstelle. Und ich liebe die mündliche Verhandlung; da komme ich an die Menschen heran und kann das Recht vermitteln. So entsteht Vertrauen in die Justiz und in die Demokratie, auf deren Schultern wir stehen. Im Schriftlichen sind wir für die meisten unverständlich, leider.
Und was mögen Sie nicht?
Nicht jedes Personalgespräch und nicht jede mündliche Verhandlung hat erfreuliche Inhalte. Die hängen mir dann manchmal nach.
"Richterinnen und Richter mögen nicht abgebügelt werden"
Wieviel Diplomatie ist gefragt?
Konfrontation bringt uns in der Justiz nicht voran, weder in den Rechtssachen noch intern. Als Richterin muss ich mich persönlich immer zurückhalten, das ist klar. Und intern müssen wir alle ja dauerhaft gut zusammenarbeiten können, auch wenn es in der Sache mal knirscht. Richterinnen und Richter sind sehr selbstbewusst, sie mögen es nicht, abgebügelt zu werden.
Was muss man tun, um Ihren Job zu kriegen?
Eine Leitungsfunktion in der Justiz setzt Verwaltungserfahrung voraus, die muss man irgendwann auf seinem Weg erwerben. Zum Beispiel in einem Ministerium oder in der Präsidialabteilung eines großen Gerichts. Und man muss den Job auch wollen.
Wie sieht der perfekte Arbeitstag aus?
Der beginnt mit einem positiven Bericht in der Tageszeitung über die Justiz. Im Flur sehe ich Handwerker, auf die wir seit einem Jahr warten und die jetzt endlich das barrierefreie WC sanieren. Der Richterrat stimmt der Neuorganisation des Eildienstes zu. In einem Erörterungstermin kann ich die Klägerin motivieren, einen Sprachkurs zu machen, ihr Mann strahlt. Die Beratung in der Kammer ist konzentriert, alle sind top vorbereitet. Die Referendarin stellt ihren Fall vor und überzeugt mich. Nachmittags kommt die Mittelzuweisung für die LED-Beleuchtung rein. Und dann habe ich Zeit für die Vorbereitung meiner Sitzung in der nächsten Woche, weil meine Kids heute gut ohne mich klarkommen.
Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang die Rollen tauschen?
Ich wäre gern mal Anwältin und käme zu Gericht. Den Außenblick auf uns hätte ich gern, ich wette, mir würden Dinge auffallen, die ich aus meiner Warte gar nicht bemerke.
"Ich sieze alle am Gericht, auch wenn ich sie sehr mag"
Wo finden Sie Ihr Netzwerk?
Unter den Führungskräften in der niedersächsischen Justiz, wir kennen einander gut. Es gibt auch Zirkel für kollegiale Beratung, die ich wichtig finde. Und ich bin im Deutschen Juristinnenbund aktiv, da finde ich Austausch über die Justiz hinaus. Ich lerne in jedem Gespräch etwas dazu.
Von wem bekommen Sie Lob – und von wem Kritik?
Nur mein Mann lobt mich jeden Tag und von Herzen! Feedback bekomme ich im Kollegenkreis, wenn ich darum bitte. Und Kritik gibt es natürlich auch. Mir helfen die Rückmeldungen immer.
Du oder Sie – wie halten Sie's?
Ich sieze alle im Gericht, auch wenn ich sie wirklich sehr gern mag.
Was ist Ihr Highlight des Jahres?
Mein Highlight ist die Digitalisierung in der Justiz, die in der Pandemie nochmal Schub bekommen hat. Wir können jetzt gute, effektive Home-Office-Angebote machen, sogar für die Unterstützungsdienste, unser "Back-Office". Unser Output ist sehr gut und an manchen Gerichten sinkt sogar der Krankenstand! Das wird uns erhalten bleiben und hoffentlich viele Kolleginnen motivieren, mit einem höheren Stellenanteil zu arbeiten. Gut für das Gericht und gut für die Kolleginnen!
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Annelie Kaufmann.
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2021 M04 29
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