Small Talk mit Christian Frick, Jurist bei der Bundeswehr

"Man muss lernen, sich in die Denk­weise von Sol­daten zu ver­setzen"

von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Im Small Talk fragen wir Juristinnen und Juristen, was sie denn so machen. Heute: Christian Frick, Jurist in der Verwaltung der Bundeswehr, über Auslandseinsätze in Mali und im Kosovo – und Semesterferien auf Truppenübungsplätzen.

LTO: Was machen Sie beruflich?

Oberregierungsrat Christian Frick: Ich bin Beamter im höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst der Bundeswehr, derzeit im Hauptquartier des Eurokorps in Straßburg. Für Juristinnen und Juristen gibt es bei der Bundeswehr drei Karrierewege: Als Rechtsberater bzw. Disziplinaranwalt, der Quereinstieg als Soldat oder eben die Bundeswehrverwaltung.

Das Hauptquartier ist eine multinationale Dienststelle und mit den sechs Rahmennationen Frankreich, Deutschland, Spanien, Belgien, Luxemburg und Polen sowie den assoziierten Nationen Griechenland, Italien, Türkei, Rumänien und Österreich besetzt. Unsere Abteilung ist verantwortlich für die Verwaltung, das Vertragswesen und das Budget des Hauptquartiers.

Christian Frick…

… ist Beamter bei der Bundeswehr

… arbeitet derzeit in Straßburg

… war in den Semesterferien auf Truppenübungsplätzen

… war auf Einsätzen im Kosovo, in Afghanistan und Mali

promoviert zu Inlandseinsätzen der Bundeswehr in Deutschland und Frankreich

Welche konkreten Aufgaben haben Sie?

Ich bin stellvertretender Abteilungsleiter der G8-Abteilung (Finanzen). Wir müssen nachweisen, dass die Haushaltsmittel, die die verschiedenen Staaten uns zur Verfügung stellen, für die vorgesehenen Zwecke eingesetzt werden.

Wir sind verantwortlich für das Budget des Eurokorps, das in diesem Jahr knapp 14,5 Millionen Euro beträgt und mit den Rahmennationen abgestimmt werden muss. Wir setzen uns mit Vertreterinnen und Vertretern der sechs Nationen zusammen und erklären, welche Vorhaben und Übungen geplant sind, welche Aufträge wir haben, etwa für die Nato, und welche Kosten eingeplant werden müssen.

Wir als Eurokorps sind sozusagen das Bindeglied zwischen den Nationen. Wir melden aufgrund unserer Aufträge einen Bedarf an und müssen dafür geradestehen, die Beteiligung der Rahmennationen aber auch einfordern. Jeder ist für die Idee einer gemeinsamen europäischen Verteidigung, aber bei Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf: Das sind knallharte Verhandlungen, oft geht es nur um geringe Beträge, aber es ist ein großes Verhandlungsgeschick notwendig.

Christian Frick, Foto: EUTMMali

Wie viele Mitarbeitende mit welchen Hintergründen arbeiten in Ihrer Abteilung?

In unserer Abteilung arbeiten 22 Mitarbeitende aus verschiedenen Ländern und ich bin der einzige Volljurist. Das liegt an der unterschiedlichen Ausbildung der nationalen Streitkräfte. Meine französischen und belgischen Kolleginnen und Kollegen haben die sogenannte Kommissarslaufbahn absolviert, die bei uns in der Verwaltung zu verorten wäre. Sie haben zwar einige juristische Module absolviert, aber kein Jurastudium.

Das kommt auch daher, dass Deutschland neben Schweden der einzige europäische Staat mit einer zivilen Militärverwaltung ist, andere Staaten haben militärische Verwaltungen. Nach Art. 87b Grundgesetz führt der Bund die Bundeswehrverwaltung in bundeseigener Verwaltung. Die Streitkräfte übernehmen die Verwaltung also nicht selbst, sondern sie ist organisatorisch getrennt. Bei den anderen europäischen Streitkräften ist alles in einer Hand. Deshalb bin ich als "Ziviler" in einer militärischen Abteilung; der Großteil meiner Kolleginnen und Kollegen sind Soldatinnen und Soldaten.

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"Soldaten haben einen anderen Auftrag als wir"

Welche Fähigkeiten und Eigenschaften muss man als Beamtin bzw. Beamter bei der Bundeswehr mitbringen?

Man muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen – und seine Entscheidungen überzeugend zu vertreten. Und man muss lernen, sich in die Denkweise von Soldatinnen und Soldaten zu versetzen. Wir in der Bundeswehrverwaltung bzw. beim Eurokorps unterstützen sie. Allerdings muss man immer bedenken, dass sie einen anderen Auftrag haben als wir, nämlich einen Verteidigungsauftrag.

Außerdem muss man flexibel und mobil sein: Die Bundeswehr hat zahlreiche Dienststellen, wie zum Beispiel hier in Straßburg oder auch in den USA. Man kann auch innerhalb Deutschlands versetzt werden. Wenn man Karriere machen will, muss man bereit sein, häufig umzuziehen oder am Wochenende zu pendeln.

Und man muss sich schnell auf neue Tätigkeiten einstellen können, denn mit jeder neuen Verwendung hat man andere Aufgaben. Die Luftwaffe beispielsweise hat ganz andere Anforderungen als das Heer, die Marine oder die Cyber-Abteilung.

Wie kann man sich einen typischen Arbeitstag bei Ihnen vorstellen?

Um den Kopf freizukriegen, versuche ich immer, vor der Arbeit Sport zu machen. Soldatinnen und Soldaten müssen sich ja fit halten – deshalb gibt es in jeder Kaserne sehr gute Sportmöglichkeiten. Dienstbeginn ist gegen 7:30 Uhr, Ende gegen 17 Uhr.

Ich beginne damit, alle Aufträge, die wir erhalten haben, auszuwerten, dann finden Besprechungen im ganzen Stab statt, mittlerweile allerdings überwiegend digital.

Danach kümmern wir uns um die Aufträge und Beschaffungen. Vor kurzem haben wir zum Beispiel festgestellt, dass einige unserer Generatoren, die wir für eine Übung brauchen, defekt sind. Wir müssen dann auf dem Weltmarkt möglichst schnell entsprechende Generatoren finden, die so schnell wie möglich geliefert werden, damit die Soldatinnen und Soldaten damit trainieren können.

"In den Semesterferien war ich auf Truppenübungsplätzen"

Haben eher Sie Ihren Job gefunden oder Ihr Job Sie?

Mein Job hat mich gefunden. Ich bin Jahr 2007 als Wehrdienstleistender zur Bundeswehr gegangen und das war entscheidend, denn ohne den Wehrdienst hätte ich diese Welt nie kennengelernt. Ich habe dann in Göttingen Jura studiert und war währenddessen Reserveoffizier und in den Semesterferien fünf Wochen auf Truppenübungsplätzen oder Lehrgängen. Das war eine gute Abwechslung zu Jura und Lernen.

Die Wahlstation im Referendariat habe ich im Verteidigungsministerium gemacht. Seit 2017 bin ich Beamter bei der Bundeswehr, zunächst in Bonn bei einer Bundesoberbehörde der Bundeswehrverwaltung. Seit 2020 bin ich beim Eurokorps in Straßburg.

Als Beamter bei der Bundeswehr waren Sie auch auf verschiedenen Auslandseinsätzen, unter anderem im Kosovo, in Afghanistan und in Mali. Welche Aufgaben haben Sie da übernommen?

Ich habe Aufgaben in der Verwaltung übernommen, die je nach Einsatzgebiet verschieden waren. Im Kosovo wurde eine ganze Liegenschaft geschlossen und wir mussten den Rückbau organisieren. Ich habe Baupläne von vor 25 Jahren studiert – das war sehr interessant, wie das Gebiet vorher aussah.

Die Beschaffung im Ausland ist anders als in Europa: Auf dem europäischen Markt bekommt man fast alles und kann durch Ausschreibungen herausfinden, welches das beste Produkt zum besten Preis ist. Das gibt es in Krisenregionen natürlich nicht.

In Mali war ich im Auftrag der EU für einen Haushalt in Höhe von knapp 44 Millionen Euro verantwortlich – dafür musste ich in Brüssel vor den 27 Nationen Rechenschaft für eine Erhöhung auf knapp 59 Millionen Euro ablegen: Die Delegierten der Mitgliedstaaten wollen etwa wissen, wieso Soldaten mehr MEDical EVACuation (MedEvAC)-Hubschrauber und Flugstunden anfordern. Die Antwort war einfach und überzeugte: Verletzte Soldaten könnten sonst nicht rechtzeitig in ein Krankenhaus (die goldene Stunde) gelangen und Menschenleben wären in Gefahr.

In Mali müssen wir riesige Gebiete abdecken, Strecken wie von Wien nach Paris. Es gibt dort keine Infrastruktur wie in Europa mit Autobahnen, sondern man kann nur Hubschrauber nutzen. Wenn diese militärisch nicht zur Verfügung gestellt werden können, müssen wir sie extern einkaufen.

Wie haben Sie die Situation in Mali und die Zusammenarbeit mit den Maliern erlebt?

In Mali hat mich die Offenheit der Leute begeistert, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Die Vertragspartner haben uns freundlich und offen empfangen, das hat mich beeindruckt. Die Bevölkerung ist sehr jung, also ganz anders als in Deutschland beispielsweise. Die Malier werden ihren Weg gehen und ich bin froh, sie auf dem Weg unterstützen zu können.

"Die deutsch-französische Geschichte lebt im Elsass"

Zudem promovieren Sie am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Religionsverfassungsrecht und Rechtsvergleichung von Frau Prof. Dr. Edenharter an der Fern-Universität in Hagen. Um welches Thema geht es in Ihrer Dissertation?

Meine Doktorarbeit ist ein Rechtsvergleich zwischen Deutschland und Frankreich in Bezug auf die Inlandseinsätze der Streitkräfte. In Deutschland ist es nach der Verfassung nur selten zulässig, die Armee im Inland einzusetzen. Wenn man auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg geht, sieht man dagegen Militärpatrouillen. Es sind Nachbarländer und wir sind nur wenige Kilometer von der Grenze entfernt, aber die Regelungen sind grundverschieden. Für meine Doktorarbeit ist der Standort Straßburg super, die deutsch-französische Geschichte lebt hier im Elsass.

Zum Schluss fragen wir unsere Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner gerne nach Buchempfehlungen – haben Sie eine für uns?

Ja: "Le soldat méconnu" (auf Deutsch: Der vergessene Soldat), von Bénédicte Chéron. Das Buch beschreibt die Art und Weise, wie die französische Gesellschaft heutzutage Soldaten sieht. Sie haben nämlich ein sehr hohes Ansehen. Aus Sicht eines Deutschen fand ich das Buch sehr interessant.

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