Willem C. Vis Moot Court

Vienna cal­ling

von Christian GrohganzLesedauer: 6 Minuten
Der Willem C. Vis Moot ist einer der weltweit prestigeträchtigsten Moot Courts. Ende April trafen sich Studenten aus der ganzen Welt zur Finalrunde in Wien und Hongkong. Die Teams aus Frankfurt und Münster berichten auf LTO.de über ihren Weg in die K.o-Runden. Am Ende war es aber eine andere deutsche Uni, die einen Einzelsieg feiern konnte.

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Moot Courts haben in den letzten Jahren im Rahmen des Jurastudiums einen hohen Stellenwert erlangt. Die Bezeichnung "Moot Court" bedeutet so viel wie 'fiktives Gericht'. Den Studenten wird ein Fall vorgelegt, in dem sie eine der Prozessparteien vertreten müssen. Ihre Leistung bewerten renommierte Rechtswissenschaftler. "Durch die Teilnahme lernt man, was trotz der immer so gern behaupteten 'umfassenden' deutschen Juristenausbildung fast überhaupt nicht vermittelt wird: Durch gute Argumente und richtige Fragen zu überzeugen – schriftlich wie mündlich", sagt Felix Lautenschlager, der 2006 in Wien erfolgreich teilnahm und heute als Präsident der Moot Alumni Association, des Ehemaligenvereins, tätig ist. "Man muss den Fall, seine Fakten sowie die Rechtslage auswendig beherrschen und in der Lage sein, alles in einer vorbereiteten Präsentation vorzutragen. Und dann muss man sich auch noch in der Diskussion mit den Schiedsrichtern bewähren." Der Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot wird seit 1993 jährlich ausgetragen - in diesem Jahr zum 18. Mal. Die Teilnehmerliste liest sich wie das Who’s who der internationalen Hochschulen: unter anderem entsandten die Harvard Law School oder die Queen Mary University London ihre eloquentesten Jurastudenten. Neben dem Willem C. Vis Moot, dessen Finale in Wien stattfindet, besteht der kleinere Schwesternwettbewerb Willem C. Vis East Moot mit der Endrunde in Hongkong. Prozessual ist der Wettbewerb als Schiedsverfahren aufgebaut. "Ein Schiedsverfahren ist eine Alternative zu einem gerichtlichen Verfahren. Wenn die Streitparteien ein Schiedsverfahren vereinbaren, sind staatliche Gerichte automatisch unzuständig und die Parteien müssen sich an ein Schiedsgericht wenden", erklärt Felix Lautenschlager. Bei den Wettbewerben besteht die Rolle der Schiedsrichter in erster Linie darin, die Leistung der Studenten zu bewerten, und nicht, den Fall selbst zu entscheiden. Das materiell anwendbare Recht ist jedes Jahr das UN-Kaufrecht.

10 Bewerber  kämpfen um jeden Platz im Moot-Team

"Mit Veröffentlichung des Sachverhalts am 1. Oktober beginnt die schriftliche Phase, die bis Ende Januar dauert. In der Zeit bearbeiten die Studenten den Sachverhalt aus Kläger- und Beklagtensicht und verfassen je einen Schriftsatz für jede Seite", weiß Mirka Fries, Teilnehmerin mit dem Team der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. "Auf die schriftliche folgt die mündliche Phase, die im besten Fall bis Ostern geht." In den sogenannten Pre-Moots, die der Vorbereitung für Wien und Hongkong dienen, lernen die Studenten den Sachverhalt als Anwälte mündlich vor einem Schiedsgericht zu verteidigen, "sodass man nicht auf dem falschen Fuß erwischt wird, wenn ein völlig neues Argument kommt", sagt Thomas Hoppe vom Team Münster. "Außerdem lernt man auf diesen Pre-Moots enorm viele Leute kennen. Es geht also nicht nur um den Wettbewerb, sondern auch um das soziale Miteinander." Die Pre-Moots finden auf der ganzen Welt statt. "Unser Team hatte das Glück in Mailand, New York und München teilzunehmen." In die mündlichen Finals kann jede Universität ein Team entsenden. "Es ist natürlich interessant, wenn man an beiden Wettbewerben teilnimmt - und im besten Fall auch noch erfolgreich ist. Das machen aber nur Teams, die das finanzielle Budget aufbringen können", meint Thomas Hoppe. Jeder Teilnehmer dürfe außerdem nur in Hongkong oder in Wien als "Oral Speaker" teilnehmen – aber nicht in beiden Finals. "Daher haben unsere Coaches von Anfang an die sechs Team-Mitglieder aufgeteilt: Zwei für Hongkong und vier für Wien", erklärt Hoppe. Der Aufbau der Finals erinnert an eine Fußball-WM: In Hongkong treten knapp 80, in Wien rund 260 Teams an. In Vorrunden werden alle Teams durch Schiedsrichter mit Punkten bewertet. Die besten 64 (Wien) bzw. 16 (Hongkong) Mannschaften treten dann im K.o.-System gegeneinander an bis ein Sieger feststeht. Bereits das Vorauswahlverfahren an den Universitäten ist eine Hürde. Auf jeden Platz im Team kommen Bewerbungen von mehr als zehn Studenten. "Nach Eingang der Bewerbung, die einen Lebenslauf und ein Motivationsschreiben auf Englisch umfasst, haben wir mit jedem Bewerber ein Vorstellungsgespräch auf Englisch geführt", gibt der Coach des Frankfurter Teams der Goethe Universität, Samy Hamama, einen Einblick in seine Tätigkeit. "Unter anderem haben wir Fragen gestellt, die gezielt die Teamfähigkeit auf den Prüfstand stellen sollten. Um den Bewerber einer größeren Stresssituation auszusetzen, fand das Gespräch vor einem 'Tribunal' statt." Nach der Auswahl sei das Team geschult worden. Neben dem Lerneffekt hätten sich die Teilnehmer so kennenlernen und feststellen können, wer mit wem am besten zusammenarbeitet, schildert Hamama. Anschließend folgte die inhaltliche Vorbereitung. "Da es sich um zwei Rechtsgebiete außerhalb des typischen universitären Lehrplans handelt, mussten die Teilnehmer anhand eines Fallbuchs mit der Materie der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und des UN-Kaufrechts vertraut gemacht werden", erklärt Samy Hamama. "Darüber hinaus erhielten die Studenten einen 'Reader' zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in englischer Sprache, um das notwendige Vokabular und Kenntnisse zu vertiefen. Während der Vorbereitungstreffen wurde jeweils ein Abschnitt aus dem Lehrbuchfall von einem Teammitglied vorbereitet und präsentiert."

Freiburger Student als "Best Oralist" ausgezeichnet

Dass sich die harte Vorbereitung gelohnt hat, zeigt das Abschneiden der Frankfurter. "Unser Klägerschriftsatz wurde als einer der 25 besten Schriftsätze mit einer 'Honorable Mention' ausgezeichnet. Bei den Verhandlungen in Wien sind wir in die 'Final Rounds' der 64 besten Teams gekommen. Und zu guter Letzt wurden drei unserer vier Vortragenden für ihre mündlichen Leistungen ausgezeichnet", berichtet Hamama. "Persönlich wäre ich auch ohne diese Auszeichnungen sehr zufrieden gewesen", resümiert Samy Hamama. "Das Team hat es geschafft, trotz immensen Leistungsaufwandes sehr harmonisch und effizient zusammenzuarbeiten. Jeder Teilnehmer hat sehr viel über sich selbst, seine eigene Stärken und Schwächen gelernt." Auch das Team aus Münster musste sich in diesem Jahr nicht hinter seiner Leistung verstecken. In Wien schied es erst in der Runde der letzten 64 gegen einen späteren Halbfinalisten knapp aus. Zudem konnte jeweils eine "Honorable Mention" für die Beklagtenschriftsätze sowie für Mirka Fries als Einzelsprecherin verbucht werden. Dass die deutschen Teams eine durchaus ruhmreiche Tradition zu wahren hatten, zeigt die Anzahl der bisher in Wien gewonnenen "Awards": Die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg führt die ewige Bestenliste mit 10 Auszeichnungen an, vor der Uni Münster (5 Awards), dann erst folgt die University of Queensland (4). Im Hongkonger Schwesterwettbewerb war bisher die Loyola Law School Los Angeles (5) am erfolgreichsten, gefolgt von der Uni München (4) und der Uni Freiburg (3).* Den zehnten Award für die Uni Freiburg gewann in diesem Jahr Robin von Olshausen als "Best Individual Oralist during the General Rounds". Die Universität Hamburg belegte in Wien den dritten Platz (Halbfinale) in der Kategorie "Team Orals". Die gleiche Platzierung erreicht die Uni Freiburg in Hongkong.

Party-Award: "What happens in Vienna, stays in Vienna!"

Trotz aller Widrigkeiten, am wichtigsten war für alle Teilnehmer der Spaß an der Sache. "Es gab zahlreiche lustige Momente", verrät Samy Hamama. "Jedes Jahr wird auch ein 'Party Award' verliehen. Der diesjährige ging verdientermaßen nach Mexiko, an die 'Universidad Panamericana'. Ihre Studenten zeichneten sich dadurch aus, dass sie am wildesten und längsten in der offiziellen Moot-Bar, dem Ost Klub, feierten. Genauere Einzelheiten darf ich allerdings nicht nennen." Denn sonst würde Hamama gegen die wichtigste Vis-Moot-Regel verstoßen: "What happens in Vienna, stays in Vienna!" * Anm. d. Red.: In der ursprünglichen Version dieses Beitrags war die Angabe der Universitäten mit den meisten Awards im Wiener Wettbewerb nicht korrekt. Wir haben den Fehler am 22.07.2011 berichtigt und die Angaben zur ewigen Bestenliste des Hongkonger Wettbewerbs ergänzt. Mehr auf LTO.de: Studenten: Pre-Moots in Hamburg und Düsseldorf Moot Court am OLG Köln: Junge Semester dominieren Plädoyer-Duell Moot Courts: Probe für den Ernstfall

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