Workshops, Coaching, Mentoring

Was Kanz­leien für den Nach­wuchs tun

von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten
Die Absolventenzahlen sinken weiter, Sozietäten groß bis klein reagieren entsprechend: Verschiedene Angebote machen die erste Kontaktaufnahme mit möglichen Arbeitgebern leichter. Das könnten Studenten und Referendare nutzen.

Praktika sind eine gute Möglichkeit, Kanzleiluft zu schnuppern und zu erleben, wie ein Anwalt arbeitet – immerhin wird mehr als jeder zweite Volljurist später ein solcher. Manche Studenten entscheiden sich deshalb neben dem Pflichtpraktikum für weitere Praxiseinsätze, um unterschiedliche Kanzleien kennenzulernen. Der Nachteil: Praktika kosten Zeit, die nicht jeder investieren kann oder will. Zum Glück gibt es mittlerweile weitere Möglichkeiten, Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern zu knüpfen. Doch was haben große, mittelständische und kleine Kanzleien im Angebot? Auf dem Arbeitsmarkt sitzen Absolventen derzeit am längeren Hebel, weil es mehr Stellen als Bewerber gibt. Daher müssen sich die Kanzleien groß wie klein einiges einfallen lassen, um fähige Kandidaten für sich zu gewinnen. Am aufwendigsten sind in der Regel die Programme der Großkanzleien, die natürlich allesamt um Top-Juristen buhlen. Baker McKenzie zum Beispiel hat bereits 2008 das Career Mentorship Program für rund 45 Kandidaten ins Leben gerufen. "Die meisten Teilnehmer haben das erste Staatsexamen schon hinter sich, wir haben aber auch Studierende dabei", erklärt die Personalverantwortliche Claudia Trillig. Dabei bekommt jeder Teilnehmer einen Mentor zur Seite gestellt, mit dem er sich etwa einmal im Monat austauscht. Alle zwei Monate finden Seminare zu Hard und Soft Skills statt, und wer will, kann virtuelle Sprachtrainings absolvieren. Einmal im Jahr kommen dann alle Mentoren und Mentees ein Wochenende zu einem Summercamp zusammen, ebenfalls alle zwölf Monate findet mit Mentor und Personalabteilung ein Entwicklungsgespräch statt, in dem weitere Schritte, etwa ein Auslandspraktikum oder Mandanteneinsätze, besprochen werden. "Idealerweise bleiben die Mentees bis zum Einstieg als Associate im Programm", erklärt Trillig das Mentoren-Programm zur Nachwuchssuche. "Wenn wir aber auf dem Weg feststellen, dass es doch nicht passt, weil der Teilnehmer zum Beispiel merkt, dass ihm eine Großkanzlei nicht liegt, trennen wir uns einvernehmlich. Das Programm ist schließlich kein Zwang." Aber: Wer im Mentoren-Programm aufgenommen wird, muss sich darauf einstellen, dass dies neben dem Studium einiges an Engagement und Aufwand bedeutet, "schließlich wollen und sollen ja beide Seiten etwas davon haben", so Trillig. Sie sagt auch, dass das Programm nicht mit einem Assessment Center vergleichbar sei, bei dem der Kandidat unter dauerhafter Beobachtung steht. "Wir brauchen keine Evaluierungsbögen, um uns ein Bild von den Kandidaten zu machen. Über die Monate und Jahre hinweg bekommt man auch so einen guten Eindruck voneinander – der Mentee ebenso wie wir als Kanzlei."

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Eine Nummer kleiner: der Mittelstand

Die Organisation von mehrjährigen Programmen mit Dutzenden von Teilnehmern können mittelständische Kanzleien in der Regel selten leisten. Um Nachwuchs zu finden, wird dieser Teil der Branche häufig anders aktiv. Zeitlich nicht so langfristig angelegte Angebote, bei denen Studierende die möglichen Arbeitgeber kürzer, aber nicht weniger intensiv kennenlernen können, sind dort weit verbreitet. Die Kanzlei Menold Bezler aus Stuttgart hat sich beispielsweise mit zwei weiteren mittelständischen Kanzleien – Esche Schümann Commichau aus Hamburg und Kümmerlein aus Essen – zusammengetan, um gemeinsam eine größere Veranstaltung anzubieten: "Wir sind alle drei in unseren jeweiligen Regionen recht bekannt, aber darüber hinaus weniger. Das wollen wir mit unserem sogenannten Jurfixe ändern", erklärt Personalleiterin Stefanie Müller die Idee. Einmal im Jahr laden die drei Kanzleien deshalb jeweils an einem ihrer Standorte rund 30 angehende Juristen zu einem verlängerten Wochenende ein. Es finden Workshops und Podiumsdiskussionen mit den Partnern statt, aber auch soziale Events wie der Besuch einer Kochschule oder eine Stadtführung. "Der Bewerbermarkt ist eng, da müssen wir schon schauen, wo wir punkten können", sagt Müller. Der Jurfixe bietet den drei Kanzleien und den eingeladenen Bewerbern die Gelegenheit, nicht erst in einem formellen Vorstellungsgespräch aufeinanderzutreffen, sondern schon vorher eine längere Zeit miteinander zu verbringen. Das vermeidet auch Missverständnisse, sagt Müller: "So können die Teilnehmer Kontakte zu Berufsträgern knüpfen und herausfinden, ob eine mittelständische Kanzlei etwas für sie sein könnte."

Gerade kleine Kanzleien tun für ihre Sichtbarkeit viel

Je kleiner eine Kanzlei, desto schwieriger ist es für sie, potenzielle Bewerber überhaupt zu erreichen - es sei denn, sie tut etwas für ihre Sichtbarkeit. Obwohl beispielsweise die Wendelstein LLP aus Frankfurt "nur" 16 Anwälte beschäftigt, ist sie mittlerweile überregional bekannt. Das liegt unter anderem an den Moot-Court-Coachings, bei denen die Kanzlei Teams mehrerer Universitäten für ihren Auftritt bei internationalen Moot Court vorbereiten. "Dieses Jahr kamen sechs Teams zu uns nach Frankfurt. Unsere Juristen stellen ein Schiedsgericht zusammen, vor dem die Teilnehmer ihren Auftritt üben können und Feedback erhalten", erklärt Partner Frank Fischer die Maßnahme. Beim anschließenden gemeinsamen Essen können sich die Teilnehmer über die Kanzlei informieren. Der Kanzlei ist es dabei wichtig, zu den Studierenden auch nach dem Coaching Kontakt zu halten – natürlich auch mit Blick auf die künftigen Referendare, aus denen später Kollegen werden könnten. Fischer dazu: "Bei uns greift auch mal ein Partner zum Telefon und ruft ehemalige Teilnehmer oder auch Praktikanten an – das ist in einer großen Kanzlei sicherlich nicht so einfach machbar." Bei Wendelstein wolle man die Ausbildung und Förderung künftiger Juristen nicht nur den Größeren überlassen: "Wir tragen hier auch eine gewisse Verantwortung für guten Nachwuchs", sagt Fischer. Neben den Moot-Court-Coachings führt die Kanzlei auch andere Veranstaltungen mit Praktikanten und Referendaren durch, etwa ein Skiwochenende oder alpine Wanderungen. "Auch wenn unser Rahmen bescheidener ist als die Veranstaltungen so mancher Großkanzlei, haben wir sicherlich nicht weniger Spaß dabei", meint Fischer.

Alles mitzunehmen muss nicht sinnvoll sein

Workshops, Coaching, Mentoring, Abendessen, Ausflüge und so weiter – die Auswahl an Veranstaltungen für angehende Juristen ist groß. "Je nach Region – vor allem in Ballungsgebieten von Kanzleien – sind manche Studierende regelrecht übersättigt von solchen Angeboten", weiß Ute Ritzer, eine der Inhaberinnen der Altkoenig Personalberatung, die sich auf die Beratung und Rekrutierung von Rechtsanwälten und Unternehmensjuristen spezialisiert hat. "Auf der anderen Seite gibt es Teilnehmer, die alles mitnehmen, was sie bekommen können, weil sie es als zusätzliche Vorbereitung für das Examen und den Berufseinstieg ansehen." Wie sinnvoll sind solche (Bewerber-)Veranstaltungen nun wirklich? Ritzer sagt: "Man hat gewisse Chancen, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Man lernt die Menschen der Kanzlei ein wenig näher und persönlich kennen und kann somit vergleichen, wo man sich wohler fühlt". Die soziale Komponente spielt also eine große Rolle. Für wen hingegen das Gehalt oder die Reputation einer Kanzlei der wichtigste Faktor für eine Bewerbung ist, der könne sich solche Veranstaltungen womöglich sparen, sagt sie. Als besten Zeitpunkt für eine Teilnahme empfiehlt sie das Ende des Studiums oder die Referendarzeit. Denn: "Vorher sollte man sich lieber auf sein erstes Staatsexamen konzentrieren." Ein guter Abschluss ist auch aktuell eben noch die verlässlichste Komponente für den gewünschten Berufseinstieg.

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