Schäuble will BFH-Schlupfloch schließen
Die Idee ist bestechend: Die Kosten für das Studium oder eine teure Ausbildung nach dem Berufseinstieg von der Steuer absetzen und so den Fiskus hieran beteiligen. Noch geht das, auch wenn man ein wenig tricksen und vor die eigentlich erstrebte schnell noch eine Pro-Forma-Ausbildung schieben muss. Pilotenanwärtern wird sogar geraten, einfach vorher noch zum Yoga-Lehrer zu werden und schon wird die teure Fliegerschule zur unbegrenzt abziehbaren Zweitausbildung.
Und wie funktioniert das steuerlich? Da während des Studiums oder der Ausbildung typischerweise jede Menge Kosten, aber kaum Einnahmen anfallen, entstehen Verluste. Steuerlich lassen sich diese – nach bisheriger Gesetzeslage und gerichtlicher Auslegung - über den Verlustvortrag in spätere Zeiträume transferieren, um sie dann mit den Einkünften zu verrechnen. Für so manchen Berufseinsteiger konnte dies einen steuerfreien Karrierestart bedeuten.
Was den Bürger freut, stört den Fiskus, der deswegen jährliche Steuerausfälle von 1,5 Milliarden Euro zu verzeichnen hat. Ein neuer Referentenentwurf will dem nun wieder mal einen Riegel vorschieben. Damit geht ein lange schwelender Streit zwischen dem Bundesfinanzhof (BFH) und dem Bundesfinanzministerium (BMF) in eine neue Runde.
Das Studium: Sinnsuche oder Karrierestart?
Lange Zeit war das oben beschriebene Schlupfloch der Zweitausbildung noch nicht in den Fokus gerückt, denn man diskutierte nur über die Abzugsfähigkeit von Erstausbildungen allgemein. Seit Jahren versucht der Gesetzgeber, die Kosten für Erstausbildungen unter Sonderausgaben zu fassen, während die Rechtsprechung die jeweiligen Gesetze bisher immer dahingehend ausgelegt hat, dass sie als Werbungskosten zu qualifizieren sind.
Der kleine, aber feine Unterschied: Während sich Werbungskosten über den Verlustvortrag auch in späteren Jahren steuerlich auswirken können, sind Sonderausgaben auf das Jahr ihrer Entstehung begrenzt. Sie verfallen ungenutzt, wenn im betreffenden Jahr keine verrechenbaren Einkünfte vorliegen. Erst ab der zweiten Ausbildung handelt es sich um Werbungskosten.
Werbungskosten sind nur Aufwendungen, mit denen man seinen Beruf im weitesten Sinne fördert und fördern will. Sonderausgaben hingegen haben nicht direkt etwas mit dem Beruf zu tun. Im Kern des Streits geht es also um die Frage, ob die erste Ausbildung beruflich veranlasst ist oder aber noch zur privaten Lebensführung gehört. Die Rechtsprechung betont mit ihrer Auslegung als Werbungskosten, dass alle vorhergehenden Ausbildungen den späteren Beruf im weitesten Sinne fördern und daher abzugsfähig sein sollen. Das Finanzministerium und ihm folgend der Gesetzgeber finden, dass viele der davon erfassten Ausbildungen noch zur privaten Lebensführung gehören. Denn durch die Erstausbildung erfolge typischerweise die persönliche Entwicklung, die Festigung und der Ausbau der sozialen Stellung. Der Zusammenhang zur späteren Berufstätigkeit sei noch nicht hinreichend konkret.
Das Einkommensteuergesetz blieb schwammig
Seit den neunziger Jahren hatte die Rechtsprechung die Erstausbildung unter Werbungskosten subsumiert. 2004 änderte der Bundestag das Einkommensteuergesetz (EStG) dahingehend, dass Aufwendungen für die Erstausbildung nach § 12 Nr. 5 EStG nicht abzugsfähig, sondern nur begrenzt als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu berücksichtigen sind. Davon sollten nach der Vorstellung des Gesetzgebers alle nicht berufsbegleitenden Erstausbildungen erfasst sein. Das neue Gesetz besagte aber nur, dass unter Sonderausgaben alle Ausbildungskosten fallen, die keine Werbungskosten sind.
Die Lücke im Text fand der BFH in einer Entscheidung vom 28. Juli 2011 (Az. VI R 38/10) sofort und legte das aktuelle Einkommensteuergesetz dahingehend aus, dass es bei dem bisherigen Rangverhältnis bleiben solle. Die Aufwendungen einer ersten Berufsausbildung fielen weiterhin unter Werbungskosten. Ein gegenteiliger Wille lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen – da helfe auch die Zielvorstellung des Gesetzgebers nicht.
Diesen gegenteiligen Willen wollte man dann mit einer Gesetzesänderung erneut, diesmal richtig, zementieren. Das Parlament beschloss, dass Kosten der Erstausbildung außerhalb von Dienstverhältnissen gem. § 9 Abs. 6 EStG nun generell keine Werbungskosten sind.
2/2 Rebellischer Bundesfinanzhof
Der Gesetzgeber hatte die Rechnung aber erneut ohne die obersten Finanzrichter in München gemacht. Der Bundestag habe nämlich vergessen, zu definieren, was denn eine Erstausbildung im steuerlichen Sinne ist. Entsprechend sei es wieder an der Justiz, dies über die Gesetzesauslegung nachzuholen.
Und das höchste deutsche Finanzgericht stellte in seinem Urteil vom 28. Februar 2013 (Az. VI R 6/12) denkbar geringe Anforderungen. Weder muss es sich um einen gesetzlich anerkannten Ausbildungsberuf handeln, noch verlangt der BFH formal ein Ausbildungsverhältnis oder die Einhaltung einer bestimmten Mindestdauer. In Berufsausbildung befindet sich demnach jeder, der sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet.
Damit war der Umgehung der gesetzgeberischen Wertung wieder Tür und Tor geöffnet. Denn die ganze Zeit ging es ja nur um die Erstausbildung – an die Zweitausbildung geht der Gesetzgeber nicht ran. Diese fällt seit jeher unter Werbungskosten und das wird auch in Zukunft so bleiben. Denn würde er auch Zweitausbildungskosten unter Sonderausgaben fassen, könnten plötzlich z.B. Anwälte ihre Fachanwaltsausbildungen oder sonstigen Fortbildungen nicht mehr absetzen. Das ist politisch und wohl auch verfassungsrechtlich nicht machbar.
Daher fanden findige Steuersparer nun die eingangs beschriebene Umgehungsmöglichkeit: Anstatt direkt zu studieren, wird man erstmal Yoga-Lehrer – so wird das Studium zur Zweitausbildung und dadurch trotz der Gesetzesänderung zeitlich unbegrenzt abziehbar.
Wer sitzt am längeren Hebel?
Der neueste Gesetzesentwurf der Bundesregierung möchte der Trickserei nun endgültig ein Ende bereiten und nur noch "ernsthafte", wirklich berufsbezogene Ausbildungen steuerrechtlich gelten lassen. Daher formuliert er nun bestimmte Mindestanforderungen an eine Erstausbildung. Diese orientieren sich teilweise an den Kriterien des Berufsbildungsgesetzes. Die Ausbildung muss danach formal geregelt sein und eine Mindestdauer von 18 Monaten umfassen. Alles darunter soll zukünftig nur noch als Anlernphase gelten.
Wer dann noch Steuern sparen will, der muss sich zumindest ein bisschen mehr ins Zeug legen und rechnen, ob sich eine "richtige", länger andauernde erste Ausbildung wirklich im Hinblick auf die spätere Steuerersparnis rentiert. Und er muss sie aus eigener Tasche zahlen, denn wenn die Eltern zur Kasse gebeten werden, funktioniert das ganze Modell nicht mehr.
Ob der Streit zwischen BMF und BFH damit endet, ist noch gar nicht sicher. Als Antwort auf die jüngste Rechtsprechung war dieser Schritt freilich zu erwarten. Selten hat das Finanzministerium so viele Anläufe gebraucht, um missliebiger Rechtsprechung die gesetzliche Grundlage zu entziehen. Natürlich lassen sich auch die handwerklichen Mängel des Steuergesetzgebers beklagen, die erst immer wieder die abweichende Gesetzesauslegung ermöglichen - oder im Einzelfall sogar gebieten.
Allerdings darf man nicht vergessen, dass der Gesetzgeber das letzte Wort hat. Wenn er die Ausbildung der privaten Lebensführung zuordnet, dann bewegt er sich damit innerhalb der ihm zugewiesenen Entscheidungskompetenz. Immerhin ist er das demokratische legitimierte Organ, um solche Grundsatzentscheidungen zu treffen. Darüber darf sich letztlich auch die Rechtsprechung nicht dauerhaft hinwegsetzen. Sie ist kein Ersatzgesetzgeber, selbst wenn sie sich dazu berufen oder besser qualifiziert fühlen sollte.
Der Autor Prof. Dr. Dennis Klein ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht sowie Rechnungslegung an der Leibniz-Fachhochschule in Hannover. Außerdem ist er Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht.
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2014 M09 30
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