Klagen gegen schlechte Examensbewertung

BVerwG verlangt volle nachträgliche gerichtliche Kontrolle

von Dr. Wolfgang ZimmerlingLesedauer: 2 Minuten
Paukenschlag aus Leipzig! Das BVerwG hat eine Praxis der Prüfungsämter für rechtswidrig erklärt, die seit Jahrzehnten anerkannt war. Bei Klagen gegen einen abschließenden Prüfungsbescheid können unzufriedene Kandidaten nun auch Bewertungen von Prüfungsteilen in einem früheren Widerspruchsverfahren rügen. Diese Entscheidung überrascht, kommentiert Wolfgang Zimmerling.

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In der ersten juristischen Staatsprüfung fiel sie durch. Die Studentin, die bis nach Leipzig klagte, focht sowohl die Bewertung ihrer Hausarbeit als auch die von Klausuren an, das Prüfungsamt gab ihrem Widerspruch aber nur hinsichtlich der Hausarbeit statt. Auch im zweiten Versuch aber lief es nicht besser, die Prüfer beurteilten auch die neu angefertigte Hausarbeit mit "mangelhaft". Nun focht die Kandidatin erneut, auch die Bewertung der alten Klausuren vollumfänglich an. Zunächst kam sie damit nicht weit. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main vertrat in I. Instanz die Auffassung, aus Rechtsgründen sei es ihm nicht möglich, die Klausurenbewertung zu überprüfen. Die Bestandskraft des Widerspruchsbescheides stehe dem entgegen, so die Frankfurter Richter. Diese Auffassung teilte der Verwaltungsgerichtshof Kassel in II. Instanz vollumfänglich und hielt der Studentin vor, sie habe den ursprünglichen Widerspruchsbescheid insoweit nicht angefochten. Das wäre nach Ansicht der Instanzgerichte aber erforderlich gewesen, anstatt zunächst das Ergebnis der Wiederholung der Hausarbeit abzuwarten.

BVerwG: Klausurbewertungen nur unselbständige Grundlage des Prüfungsbescheids

Ergänzend hat der VGH Kassel ausgeführt, es würde gegen den Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge verstoßen, wenn bloß aus Anlass  eines Vorgehens gegen einzelne wiederholte Prüfungsbestandteile gleich auch die Bewertung älterer, bis dahin gar nicht angegriffener Prüfungsbestandteile nachträglich in Frage gestellt würde. Damit lag der Senat auf einer Linie mit der einhelligen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Prüfungsrecht eine hohe Bedeutung beimessen. Es überrascht durchaus, dass das Bundesverwaltungsgericht diese Meinung nun nicht teilt. Nach Ansicht der Leipziger Richter stellen die Bewertungen der Aufsichtsarbeiten keine der Bestandskraft fähigen behördlichen Regelungen dar. Sie seien lediglich eine rechtlich unselbständige Grundlage des verfahrensabschließenden Prüfungsbescheids und daher vom Gericht sehr wohl mit zu überprüfen, wenn der Kandidat sie in die Klage einbezieht – auch dann, wenn das Prüfungsamt den Widerspruch noch vor dem Abschluss des Prüfungsverfahrens zurückgewiesen hat (BVerwG, Urt. v. 23.05.2012, Az. 6 C 8.11). Obwohl das Urteil aus Leipzig die Anfechtungsmöglichkeiten von Prüfungsleistungen durch Prüflinge beträchtlich erweitert, wird die Entscheidung keine Auswirkungen auf die Erfolgsquote bei Prüfungsanfechtungen haben. Nach wie vor billigt das BVerwG den Prüfern einen weiten Bewertungsspielraum zu – Klagen gegen eine Leistungsbewertung werden weiterhin in aller Regel scheitern. Der Autor Dr. Wolfgang Zimmerling ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungs- und Arbeitsrecht in Saarbrücken. Er ist auf das Prüfungsrecht spezialisiert, Autor zahlreicher Publikationen auf diesem Gebiet und referiert häufig auf prüfungsrechtlichen Seminaren.

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