Das AG Karlsruhe verurteilte Fanprojekt-Mitarbeiter, weil sie nicht gegen betreute Fans aussagen wollten. Beschäftigte können grundsätzlich auf ärztliche AU-Bescheinigungen vertrauen. Juris-Software zum Datenmanagement erntet Kritik.
Thema des Tages
AG Karlsruhe zu Fanprojekt-Mitarbeitern: Wegen versuchter Strafvereitelung in 21 Fällen hat das Amtsgericht Karlsruhe drei Mitarbeiter des Fanprojekts des Zweitligaklubs Karlsruher SC zu Geldstrafen von jeweils 90 Tagessätzen verurteilt. Nachdem das Abbrennen von Pyrotechnik bei einem KSC-Spiel im November 2022 zu Verletzten geführt hatte, wurden die Sozialarbeiter bei den nachfolgenden Ermittlungen als Zeugen vernommen. Sie verweigerten jedoch die Aussage unter Hinweis auf ihr besonderes Vertrauensverhältnis zu den Fans. Dabei sei ihnen nach Feststellung des Gerichts bewusst gewesen, dass ihnen weder ein Aussage- noch ein Zeugnisverweigerungsrecht zustand. Laut mündlicher Urteilsbegründung sei das berufliche "Spannungsfeld", in dem sich die Angeklagten befunden hatten, allerdings strafmindernd berücksichtigt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte höhere Geldstrafen gefordert. Die Angeklagten wollen Rechtsmittel einlegen. Der Dachverband der Fanhilfen kritisierte das Urteil und forderte ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht für die Mitarbeiter:innen von Fanprojekten. SZ (Christoph Ruf), LTO und spiegel.de berichten.
Rechtspolitik
E-Gesetzgebung: Die Bundesregierung hat ein Eckpunktepapier für ein "Elektronisches Gesetzgebungsverfahren des Bundes" vorgestellt. Wie beck-aktuell schreibt, soll nach der Umsetzung ab dem Jahr 2027 das Rechtsetzungsverfahren "vollständig elektronisch, medienbruchfrei und interoperabel abgebildet" sein.
Plattformarbeit: Die EU-Richtlinie zur Regelung von Plattformarbeit steht vor der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU. Die EU-Staaten haben bei der Umsetzung noch große Spielräume, z.B. bei der Definition von Kriterien, die für einen Status als Arbeitnehmer:in sprechen. netzpolitik.org (Ben Bergleiter) berichtet.
Leiharbeit: Rechtsanwalt Sebastian Klaus und Holger Kolb vom Sachverständigenrat für Integration und Migration zeigen sich im FAZ-Einspruch wenig überzeugt vom Versuch der Bundesregierung, mit ihrem Gesetzentwurf "zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung" die Leiharbeit für drittstaatsangehörige Ausländer:innen zu verbessern. Es erscheine widersinnig und wenig zielführend, ausufernde Bürokratie im Ausländerbeschäftigungsrecht mit mehr Bürokratie bekämpfen zu wollen.
Cannabisanbau Berlin: Mehr als ein halbes Jahr nach dem Inkrafttreten der Teil-Legalisierung von Cannabis sind nun auch in der Hauptstadt die Zuständigkeiten für die Bearbeitung von Anträgen zukünftiger Anbauvereinigungen geklärt. LTO berichtet, dass sich der Senat darauf verständigt hat, diese dem Landesamt für Gesundheit zu übertragen. Neben der Umsetzungsverordnung sei nun auch ein umfangreicher Bußgeldkatalog beschlossen worden, der am 1. November in Kraft treten soll.
Justiz
BGH zu fehlerhafter Krankschreibung: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs von Anfang Oktober darf ein Beschäftigter grundsätzlich auf die Richtigkeit einer ärztlichen Krankschreibung vertrauen, auch wenn diese tatsächlich fehlerhaft ist. Im konkreten Fall wurde dem Mitarbeiter einer Autowaschstraße nach einem Unfall von einem Arzt die Arbeitsunfähigkeit für gleich 14 Monate statt der medizinisch wohl indizierten zwei Monate attestiert; möglicherweise handelte es sich um einen Schreibfehler bei der Jahreszahl. Nach Auffassung des BGH seien Arbeitnehmende auf ärztliche Einschätzungen angewiesen und dürften diesen grundsätzlich vertrauen. Dies ist relevant für die Frage, ob der Beschäftigte für die gesamte Zeit der Krankschreibung Anspruch auf Verdienstausfall hat. Darüber muss nun wieder die Vorinstanz entscheiden. beck-aktuell berichtet.
BVerwG zu Bundeswehr-Beförderungen: Die von der Bundeswehr in ihrem Beförderungsverfahren bislang genutzte Potenzialfeststellung verletzt in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage das Recht einer Offiziersanwärterin auf Durchführung eines leistungsgerechten Auswahlverfahrens. Dies entschied laut beck-aktuell das Bundesverwaltungsgericht und gab damit dem Antrag der klagenden Unteroffizierin auf Neubescheidung ihrer Bewerbung statt. Das lediglich in Verwaltungsvorschriften geregelte Verfahren testet die psychologische Eignung von Bewerbern und Bewerberinnen.
LSG Berlin-BB zu künstlicher Befruchtung: Verschiedene Methoden der künstlichen Befruchtung sind bei der Zählung erfolgloser Behandlungsversuche jeweils einzeln zu zählen. Krankenversicherungen können sich demnach nur dann der gesetzlich vorgesehenen hälftigen Kostenübernahme entziehen, wenn die jeweilige Methode bereits dreimal erfolglos angewandt wurde. Dies entschied laut LTO das Landesozialgericht Berlin-Brandenburg in einem nun veröffentlichten Urteil von Mitte Oktober.
LG München I – Cum-Ex/Vermögensverwaltung: In der nächsten Woche beginnt am Landgericht München I ein Strafprozess gegen zwei frühere Mitarbeiter einer Vermögensverwaltung. Den angeklagten Managern wird Steuerhinterziehung mittels Cum-Ex-Manipulationen in Höhe von mehr als 340 Millionen Euro vorgeworfen. Davon seien 220 Millionen Euro zwischenzeitlich zurückerstattet worden. FAZ (Marcus Jung) und beck-aktuell berichten.
LG Köln – Mord durch Drogenhändler: Am Landgericht Köln sind vier junge Männer wegen gemeinschaftlichen Mordes aus niedrigen Beweggründen angeklagt. Als Mitglieder einer Drogen-Gang sollen sie einen 15-jährigen Drogenverkäufer, der sie in einem vorherigen Strafprozess belastet hatte, aus einer Kneipe entführt und schließlich am Mülheimer Hafen mit mehreren Messerstichen getötet haben, schreibt die FAZ (Reiner Burger). bild.de (Mario Jüngling) berichtet zudem von Tumulten während der Prozesseröffnung.
LG Dresden – sexuelle Übergriffe durch Tätowierer: Am Landgericht Dresden werden einem Tätowierer zahlreiche sexuelle Übergriffe bis hin zu Vergewaltigungen vorgeworfen. Die zur Anklage gelangten Taten an 18 geschädigten Frauen sollen während der Tätowiersitzungen stattgefunden haben. bild.de (Thomas Fischer) zitiert aus dem Eröffnungsstatement der Verteidigung, der Angeklagte flirte gern.
Recht in der Welt
Frankreich – Gérard Depardieu: Am Montag wurde in Paris der Strafprozess gegen den Schauspieler Gérard Depardieu bis zum nächsten März vertagt, weil der Schauspieler krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähig ist. Dem 75-Jährigen werden sexuelle Übergriffe gegen Mitarbeiterinnen bei einem Filmdreh vorgeworfen. Es berichtet u.a. die Welt (Martina Meister).
USA – Geld für Petition: Ein Bezirksstaatsanwalt im US-Bundesstaat Pennsylvania hat eine Zivilklage gegen Tech-Milliardär Elon Musk angestrengt, weil dieser eine illegale Lotterie betreibe. Musk verlost täglich eine Million Dollar unter registrierten Wähler:innen, die seine Petition für Meinungsfreiheit und das Recht, Waffen zu tragen, unterschreiben. LTO (Joschka Buchholz) berichtet.
USA – KI: Ein im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien verabschiedetes Gesetz zur Regulierung von KI-Systemen ist durch ein Veto des demokratischen Gouverneurs Gavin Newsom vorläufig gestoppt worden. Newsom habe dies mit der Befürchtung einer Schwächung des Wirtschaftsstandortes begründet, so Rechtsanwalt Lothar Determann im Recht und Steuern-Teil der FAZ. Tatsächlich gebe es im wirtschaftsstärksten Bundesstaat der USA bereits einige Gesetze für die Regulierung von KI-Unternehmen.
Sonstiges
Juris Collect: Die FAZ (Jochen Zenthöfer) schreibt über mögliche rechtliche Probleme durch die neue Datenmanagement-Software "Juris Collect". Bei dem Angebot können Anwaltskanzleien Dokumente online hinterlegen und mit der Datenbank von Juris verbinden. Fraglich ist dabei insbesondere, ob die Dokumente datenschutzrechtlich ausreichend geschützt sind. Die Einhaltung anwaltlicher Verschwiegenheitsverpflichtungen obliege dabei weiterhin den hinterlegenden Kanzleien. Der CDU-Abgeordnete Martin Plum fordert das für Juris verantwortliche Bundesjustizministerium auf, schnell für ein rechtlich einwandfreies Angebot zu sorgen.
VDStRL/Ulrich Vosgerau: Über den Distanzierungsbeschluss der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer gegenüber ihrem Mitglied Ulrich Vosgerau berichtet nun auch die FAZ (Jochen Zenthöfer) in ihrem Geisteswissenschaften-Teil.
VW: Im Frage-und-Antwort-Format beschreibt die FAZ (Marcus Jung) arbeitsrechtliche Implikationen der Ankündigung des VW-Konzerns, in großem Stile Arbeitsplätze abbauen zu wollen. Nach der Kündigung der 1994 vereinbarten Beschäftigungssicherung seien betriebsbedingte Kündigungen ab dem nächsten Juli möglich.
EU-Wettbewerbsrecht: Auf Anfrage des Europaabgeordneten Markus Ferber (CSU) hat die scheidende Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mitgeteilt, dass die von ihr geleitete Behörde in den vergangenen zehn Jahren in knapp 90 Prozent der Fusions-, Kartell- und Missbrauchsfällen "ganz oder teilweise" erfolgreich geblieben sei. Damit sei sie "sehr zufrieden". Die FAZ (Werner Mussler) berichtet.
Das Letzte zum Schluss
Ermittlungshilfe: Einen Beitrag zur polizeilichen Ermittlungsarbeit leistete eine 67-jährige Dortmunderin. Die Frau gab sich gegenüber anrufenden Trickbetrügern als ahnungslos aus, informierte jedoch die Polizei, die den Kurier, der einen größeren Barbetrag bei der Frau abholen wollte, festnahm. spiegel.de berichtet.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/mpi/chr
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Die juristische Presseschau vom 30. Oktober 2024: . In: Legal Tribune Online, 30.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55738 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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