Die WTO verhandelt über die Aussetzung der Patente auf Coronaimpfstoffe. Der IRMCT spricht heute sein Berufungs-Urteil gegen General Ratko Mladic. Ex-Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff kritisiert das niederländische Shell-Urteil.
Thema des Tages
Corona – Impfpatente: Heute und morgen steht bei der Welthandelsorganisation ein Antrag von Indien und Südafrika auf der Tagesordnung, der die Aussetzung der Patentschutzrechte westlicher Pharmakonzerne auf Corona-Impfstoffe zum Gegenstand hat, um die Produktion der Impfstoffe zu steigern und gerechter zu verteilen, wie SZ (Björn Finke) und taz (Andreas Zumach) schreiben. Der Antrag wurde bereits im Oktober 2020 eingebracht. Nach geschlossenem Widerstand der Industriestaaten und von China wurde am 25. Mai ein revidierter Antrag vorgelegt, der nun alle Produkte detailliert auflistet, für die die Rechte ausgesetzt werden sollen. Die Aussetzung soll außerdem auf drei Jahre begrenzt werden. Einige Industriestaaten wie die USA, Japan oder Frankreich haben ihre anfängliche Ablehnung nun aufgegeben. Die EU-Kommission hat alternativ die Erteilung von Zwangslizenzen vorgeschlagen.
Rechtspolitik
Patentrecht: Der Bundestag wird voraussichtlich an diesem Freitag das Gesetz zur Modernisierung des Patentrechts verabschieden. Gerichte sollen mehr Spielraum bekommen, um Patentmissbrauch einzudämmen. Die neuen Vorschriften kommen in manchen Branchen gut an, andere sind jedoch unzufrieden. Das Hbl (H. Anger/D. Neuerer) stellt die Genese des Gesetzes und die unterschiedliche Rezeption in Politik und Wirtschaft vor.
Terrorgefahr von Atomanlagen: Wie die taz (Christian Rath) berichtet, will der Bundestag in der Nacht von Donnerstag auf Freitag die 17. Novelle zum Atomgesetz beschließen, in der die Klagemöglichkeiten gegen die Terrorgefahr von Atomanlagen beschnitten werden. So soll verhindert werden, dass Behörden Prozesse verlieren, weil sie geheime Dokumente nicht vorlegen können. Die Bewertung der Terrorgefahren und der Gegenmaßnahmen soll künftig allein den Behörden überlassen bleiben. Die Grünen beantragen in einem Änderungsantrag stattdessen die Einführung eines im Koalitionsvertrag vorgesehenen In-Camera-Verfahrens, bei dem wenigstens das Gericht die geheimen Dokumente einsehen könnte und so ein gewisses Kontrollniveau erhalten bliebe. Die Bundesregierung hat jedoch verfassungsrechtliche Bedenken gegen das In-Camera-Verfahren.
Intersexualität: Die GFF-Juristin Lea Beckmann und die GFF-Praktikantin Fabrizia von Stosch beleuchten auf LTO das kürzlich in Kraft getretene Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, das nun medizinisch nicht notwendige Behandlungen an einwilligungsunfähigen intergeschlechtlichen Kindern verbietet. Im Beitrag werden die gesetzlichen Regelungen vorgestellt, die teilweise die Forderungen verschiedener Ausschüsse der Vereinten Nationen sowie von Interessenvertretungen intergeschlechtlicher Menschen umsetzen. Die Autorinnen weisen jedoch auch auf noch bestehende Schutzlücken hin, wie etwa fehlende Sanktionen bei rechtswidrigen Eingriffen, das Fehlen von Entschädigungen für frühere Operationen sowie restriktive Verjährungsfristen.
Biometrische Überwachung: Wie netzpolitik.org (Pia Stenner) berichtet, fordern über 175 zivilgesellschaftliche Organisationen, Wissenschaftler und Aktivisten in einem offenen Brief ein weltweites Verbot von biometrischer Überwachung im öffentlichen Raum. Diese Technik führe oft zu grundlegenden Verstößen gegen Menschenrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz.
Justiz
BGH zu "Revolution Chemnitz": Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden bestätigt, das Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppe "Revolution Chemnitz" unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu Haftstrafen verurteilt hatte, wie LTO schreibt. Durch Anschläge sollten bürgerkriegsähnliche Zustände verursacht werden, um eine "Systemwende" herbeizuführen. Zwei Angeklagte hatten Revision gegen das Urteil wegen Rechtsfehlern eingelegt, die der Bundesgerichtshof aber ablehnte. Das Verfahren ist nun rechtskräftig abgeschlossen.
OLG Düsseldorf – "Goyim-Partei": Die Bundesanwaltschaft hat drei Männer wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der sogenannten Goyim-Partei, einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung, angeklagt, wie spiegel.de schreibt. Die Männer sollen auf einer Onlineplattform "extrem antisemitische, fremdenfeindliche und den Nationalsozialismus verherrlichende Beiträge" veröffentlicht haben. Das Oberlandesgericht Düsseldorf muss nun über die Zulassung der Anklage entscheiden.
LSG Celle zu Cannabis als Medizin: Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat im Eilverfahren eine vorläufige Versorgung mit Cannabis an Stelle einer nachhaltigen Behandlung von Schmerzursachen abgelehnt, wie LTO berichtet. Ein Mann hatte sich unter anderem wegen chronischen Rückenschmerzen auf Privatrezept Cannabisblüten verordnen lassen und bekam damit die Schmerzen in den Griff. Die Krankenkasse lehnte die Übernahme der Kosten jedoch ab.
LG Bonn zu Cum-Ex/Warburg-Bank: Die FAZ (Marcus Jung) meldet, dass die Staatsanwaltschaft Köln Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bonn gegen den Ex-Generalbevollmächtigten der Warburg-Bank eingelegt hat. Die Staatsanwaltschaft hat rechtliche Bedenken gegen das Strafmaß von fünfeinhalb Jahren und seine rechtliche Begründung. Sie hatte eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren gefordert. Entscheiden muss nun der BGH.
LG Itzehoe – KZ-Sekretärin Stutthof: Wie spiegel.de (Julia Jüttner) berichtet, gilt die 96-Jährige ehemalige Sekretärin des Kommandanten im KZ Stutthof Irmgard Furchner als verhandlungsfähig. Es könnte nun zum Prozess gegen sie vor dem Landgericht Itzehoe wegen Beihilfe zum Mord in 11.412 Fällen kommen. Furchner hatte zwischen 1943 und 1945 als 18- bzw. 19-Jährige als erste Stenotypistin und Sekretärin in der Kommandantur des Konzentrationslagers Stutthof gearbeitet.
VG Münster zu Maskenpflicht in Schulen: Das Verwaltungsgericht Münster hält sich für unzuständig, wenn Eltern in der schulischen Maskenpflicht eine Kindeswohlgefährdung gem. § 1666 BGB sehen. In solchen Fällen seien die Familiengerichte zuständig. Statt das Verfahren ans VG zu verweisen, könnten sie es ggf. selbst einstellen. Das VG Münster hat nun das Bundesverwaltungsgericht angerufen, um die Gerichtszuständigkeit zu klären, berichtet LTO (Tanja Podolski). Bisher wurden solche Verfahren von Familiengerichten eingestellt oder an Verwaltungsgerichte verwiesen. Allerdings hatten sich ein Familienrichter in Weimar und eine Familienrichterin in Weilheim für zuständig erklärt und Entscheidungen gegen die Maskenpflicht gefällt.
StA München I zu Hitlergruß: Die Staatsanwaltschaft München I beantragt seit kurzem höhere Strafbefehle als bisher üblich für das Zeigen des Hitlergrußes, wie die SZ (Ronen Steinke) berichtet. So werden für ein "Heil Hitler" oder ein "Sieg Heil" nicht mehr wie bisher eine Geldstrafe in Höhe von einem Monatsgehalt, sondern 70 Tagessätze fällig. Dies begründet die Staatsanwaltschaft damit, dass solche Taten in München als einstiger "Hauptstadt der Bewegung" besonders verwerflich seien und auch steigende Fallzahlen rassistischer und antisemitischer Delikte dies rechtfertigten.
Recht in der Welt
IRMCT – Mladic: An diesem Dienstag fällt das UN-Jugoslawien-Tribunal sein Berufungs-Urteil über den bosnisch-serbischen General Ratko Mladic, auch bekannt als "Schlächter von Srebrenica". Mladic war wegen seiner zentralen Rolle in den von 1992 bis 1995 von serbischer Seite begangenen sogenannten ethnischen Säuberungen in der ersten Instanz 2017 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. In Serbien wird Mladic jedoch in einem großen Teil der Öffentlichkeit immer noch als Kriegsheld gefeiert, wie die taz (Erich Rathfelder) schreibt. In einem getrennten Beitrag schildert die taz (Jana Lapper) das Gerichtsverfahren aus der Sicht einer betroffenen Bosnierin, die vom Tribunal als Zeugin gehört wurde und beim Massaker von Srebrenica ihren Mann verlor.
Niederlande – Shell und Klima: In einem Gastbeitrag kommentiert die ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht Gertrude Lübbe-Wolf für das Hbl das Urteil eines niederländischen Bezirksgerichts, das das Unternehmen Shell dazu verurteilte, bis 2030 seine CO2-Emissionen gegenüber dem Niveau von 1990 um 45 Prozent zu reduzieren. Die Autorin ist der Meinung, dass das Gericht "weder die für eine soziale und ökologische Marktwirtschaft grundlegende Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und öffentlicher Gewalt noch die für eine Demokratie grundlegende Funktionsteilung im Verhältnis von Gesetzgeber und Justiz verstanden“ habe und hält das Urteil daher für besorgniserregend.
Niederlande – Flug MH 17: Vor einem Strafgericht in Amsterdam hat die Hauptverhandlung gegen vier Angeklagte aus Russland und der Ukraine begonnen, die angeklagt sind, den Abschuss einer Passagiermaschine über dem Osten der Ukraine mit fast 300 Todesopfern verursacht zu haben, wie die SZ meldet. Der Prozess wird in den Niederlanden geführt, da die meisten Opfer aus den Niederlanden stammten. Der Prozess findet in Abwesenheit der Angeklagten statt. Ein Urteil wird wohl nicht vor Ende des Jahres fallen.
Frankreich – Justizreform: Im Herbst soll in Frankreich ein großer Reformdialog über das Justizwesen im Land starten, wie Präsident Emmanuel Macron angekündigt hat. Ziel des Dialogs, in dem neben der Justiz und den Sicherheitskräften auch die Zivilgesellschaft eingebunden werden soll, sei eine systematische Reform des Justizwesens, wie LTO berichtet.
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lto/ls
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Die juristische Presseschau vom 8. Juni 2021: . In: Legal Tribune Online, 08.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45140 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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