Laut einem Gesetzentwurf dürften bald Frauenquoten für Vorstände großer Unternehmen gelten. Verfassungskundige bezweifeln Verfassungsmäßigkeit der 15-Kilometer-Regelung. In Berlin dürfen laut OVG temporäre Radwege zunächst bleiben.
Thema des Tages
Frauenquoten: Nach langem Koalitionsstreit beschloss das Bundeskabinett den Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD) für eine Frauenquote in Führungspositionen der Wirtschaft. Das Zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) sieht vor, dass im Vorstand eines börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmens mit in der Regel mehr als 2.000 Beschäftigten mindestens ein Mitglied eine Frau und ein Mitglied ein Mann sein muss, sofern der Vorstand mehr als drei Mitglieder hat. Unternehmen, deren Ziel "null Frauen" lautet, müssen dies in Zukunft begründen. Bei fehlender Begründung oder gar fehlender Festlegung einer Zielgröße sollen Unternehmen laut Entwurf sanktioniert werden können. Damit soll das FüPoG II das bereits 2015 in Kraft getretene FüPoG erweitern. Dieses sieht eine feste Quote bisher nur für Aufsichtsräte von großen Unternehmen vor. Betroffen wären von der geplanten Neuregelung für Vorstände derzeit circa 70 Unternehmen, von denen aktuell rund 30 noch keine Frau in ihren Vorstand berufen haben. Strengere Regeln sieht der Entwurf zudem für Unternehmen vor, die mehrheitlich dem Bund gehören. Diese müssen bereits ab zwei Mitgliedern im Vorstand mindestens eine Frau in den Vorstand berufen. Außerdem soll dort die Frauenquote in den Aufsichtsräten auf mindestens 30 Prozent erhöht werden. Es berichten das Hbl (Heike Anger), die SZ (Henrike Roßbach), FAZ (Dietrich Creutzburg) und LTO.
Traurig und peinlich findet es Henrike Roßbach (SZ), dass es eines solchen Gesetzes überhaupt bedarf, begrüßt aber den Vorstoß und meint, er wäre längst überfällig gewesen.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion, Bettina Stark-Watzinger, äußert sich gegenüber dem Hbl dagegen skeptisch. Das Gesetz setze ihrer Ansicht nach am falschen Hebel an und blende die wahren Ursachen der Ungleichheit aus. Von dem Gesetz würden zu wenige Frauen tatsächlich profitieren.
Rechtspolitik
Corona und Bewegungsbeschränkungen: LTO berichtet vertieft über die Regelung zur Einschränkung des Bewegungsradius der Bürger, auf die sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder am Dienstag zur Eindämmung der Coronapandemie verständigten und die auf Kritik von Verfassungsrechtlern stößt. So äußert unter anderem Rechtsprofessor Alexander Thiele seine Bedenken hinsichtlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes.
Arbeitsschutz in der Fleischindustrie: Das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Arbeitsschutzkontrollgesetz scheint gut umgesetzt zu werden, wie das Hbl (Michael Verfürden/Jan Keuchel), FAZ (Jonas Jansen) und SZ berichten. Viele ehemalige Werkvertragsarbeiter in der Fleischindustrie sind inzwischen festangestellt. Subunternehmen wurden von großen Schlachtkonzernen wie Tönnies und Westfleisch übernommen. Das Gesetz war nach den massiven Corona-Infektionen an deutschen Schlachthöfen und der dadurch entbrannten Debatte um die Arbeitsbedingungen und die Unterbringung der meist aus Osteuropa stammenden Werkarbeiter beschlossen worden. Es sieht insbesondere ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit für die Fleischbranche vor, um die unklaren Zuständigkeiten zwischen den bisher existierenden Subunternehmen aufzulösen.
Steuerrecht 2021: Auf LTO stellen die Rechtsanwälte Maximilian Krämer und Karl Reitmeier die neusten Änderungen im Steuerrecht und deren Auswirkungen vor. Unter anderem beschlossen kurz vor Weihnachten Bundestag und Bundesrat noch das Jahressteuergesetz 2020, dessen kurzfristige Umsetzung nun Beratende und Steuerpflichtige vor zeitliche Herausforderungen stellt.
Justiz
OVG Berlin-BB zu Pop-up-Radwegen: Die temporären Radfahrstreifen in Berlin müssen vorerst nicht zurückgebaut werden, sondern dürfen zunächst bleiben. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes und hob damit einen gegenteiligen Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin vom Herbst letzten Jahres auf. Während der Corona-Pandemie waren in Berlin mehrere Pop-up-Radwege vom Senat und den Bezirken eingerichtet worden. Weil diese zu einem erhöhten Stauaufkommen führen würden, stellte ein AfD-Abgeordneter beim VG einen Eilantrag. Dem hatte das VG stattgegeben, da es die Rechtmäßigkeit der Radwege bezweifelte. Laut sz.de und LTO reichte die beklagte Senatsverkehrsverwaltung dagegen Beschwerde beim OVG ein und lieferte umfangreiche Unterlagen zur Gefahrenprognose nach, weshalb das OVG schließlich den Beschluss des VG als "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Ergebnis fehlerhaft" aufhob.
BVerfG zur Auslieferung nach Rumänien: Anfang Dezember vergangenen Jahres entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in der Sache Europäischer Haftbefehl II. Dabei erkannte auch der Zweite Senat die Unionsgrundrechte als Prüfungsmaßstab der Verfassungsbeschwerde an, während der Erste Senat dies bereits 2019 bei seinen Entscheidungen zum "Recht auf Vergessenwerden I und II" tat. Habilitand Alexander Brade analysiert auf LTO das Umschwenken des Zweiten Senats und die lindernde Wirkung des Beschlusses für die angespannte Beziehung zwischen BVerfG und Europäischem Gerichtshof (EuGH).
LG Chemnitz zu "Revolution Chemnitz"-Mitläufer: Wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilte das Landgericht Chemnitz einen 35-jährigen mutmaßlichen Mitläufer der rechtsextremen Terrorvereinigung "Revolution Chemnitz" nun zu elf Monaten Haft ohne Bewährung. Gemeinsam mit sechs anderen Männern und acht im letzten Jahr verurteilten Neonazis von "Revolution Chemnitz" war der Verurteilte 2018 in einem Chemnitzer Park als Bürgerwehr aufgetreten und hatte versucht, Ausweise zu kontrollieren, wobei bei einer Auseinandersetzung ein Mann mit einer Flasche verletzt wurde. Die anderen Angeklagten waren bereits im Dezember zu Haftstrafen teilweise auf Bewährung verurteilt worden, so sz.de. Gegen einige Urteile wurde bereits Revision eingelegt.
VG Köln zu Briefporto-Erhöhung: Nun berichtet auch die SZ (Benedikt Müller-Arnold) über den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Köln, wonach die 2019 von der Bundesnetzagentur erteilte Genehmigung zur Erhöhung des Briefportos auf 80 Cent "voraussichtlich rechtswidrig" ist. Um eine Rechtsgrundlage zu schaffen, bereitet das Bundeswirtschaftsministerium nun eine Anpassung der postgesetzlichen Regeln vor. Mit dem Entwurf kann laut Ministerium in den kommenden Wochen gerechnet werden.
Fondsbesteuerungsreform vor Gericht: Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) hält einzelne Teile der Reform zur Besteuerung von Investmentfonds von 2018 für verfassungswidrig und verkündete kürzlich, gegen die Reform eine Musterklage für eines ihrer Mitglieder anstrengen zu wollen. Wie die FAZ (Marcus Jung/Martin Hock) erörtert, geht es bei der finanzgerichtlichen Klage um die Abführung von Steuern, welche sich nicht an dem tatsächlich erzielten Gewinn bemessen, sondern an dem Höchstwert des Fonds und damit weitaus höher sind als der tatsächliche Gewinn.
Rapper vor Gericht: Nun beschäftigt sich auch die Zeit (Ursula März) mit der Häufung von Strafprozessen gegen Rapper. Am Beispiel von Fler und Bushido erklärt sie: "Wenn Delikte einer inszenatorischen Absicht folgen, dann verzerrt dies unweigerlich die Realitätswahrnehmung, und zwar auf allen Seiten. Das Publikum sieht seine Gangsta-Rapper, wie es sie sehen soll. Die Protagonisten wiederum sehen sich als Rollendarsteller, ob bei Führerscheinkontrollen, im Gerichtssaal oder auf dem roten Teppich einer Filmpremiere."
Bordellbetreibende gegen SPD-Politikerin: Wegen übler Nachrede und Verleumdung haben über 50 Bordellbetreibende bei den Staatsanwaltschaften Berlin und Stuttgart Strafanzeigen gegen die Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier (SPD) eingereicht. Breymaier hatte sich in den letzten Monaten sehr negativ über die Sexarbeitsbranche geäußert und sich gegen Corona-Hilfen für Bordelle ausgesprochen. Dagegen wehren sich laut der taz (Patricia Hecht) jetzt Betreibende aus ganz Deutschland. Nun entscheiden die Staatsanwaltschaften am Dienst- und Wohnsitz Breymaiers, ob Ermittlungen aufgenommen und die Aufhebung ihrer Immunität als Abgeordnete beim Bundestag beantragt wird.
Recht in der Welt
Großbritannien – Julian Assange: Wikileaks-Gründer Julian Assange wird nicht gegen Kaution freigelassen. Das entschied jetzt die gleiche Richterin an einem Gericht in London, welche noch am Montag den Auslieferungsantrag der USA gegen Assange wegen Suizidgefahr abgelehnt hatte. Es bestehe die Gefahr, dass Assange Auflagen umgehen oder sich absetzen könnte. Es berichten taz (Daniel Zylbersztayn-Lewandowski), SZ (Cathrin Kahlweit) und FAZ (Jochen Buchsteiner).
Anna Lehmann (taz) plädiert für die Freilassung von Assange. Es gehe um die Würde eines Menschen und den Wert der Demokratie.
USA – Polizeigewalt: Der weiße Polizist, der in Kenosha dem Afroamerikaner Jacob Blake sieben Mal in den Rücken schoss, wird nicht anklagt. Laut SZ und spiegel.de erklärte der zuständige Staatsanwalt am Dienstag, dass eine Verurteilung des Polizisten mit Blick auf dessen Recht auf Selbstverteidigung unwahrscheinlich gewesen wäre. Die Schüsse auf Blake hatten zu Ausschreitungen geführt, bei denen ein minderjähriger Trump-Anhänger zwei Menschen erschoss.
Hongkong – Verhaftungswelle: Mehr als 50 Politikerinnen und Aktivisten der Opposition wurden am gestrigen Mittwoch von der Polizei in Hongkong festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, durch die Kandidatur und Mitwirkung an den nicht genehmigten Vorwahlen des prodemokratischen Lagers im vergangenen Jahr gegen den im neuen Sicherheitsgesetz enthaltenen Straftatbestand der Subversion verstoßen zu haben. Die EU forderte die sofortige Freilassung, wie die taz (Fabian Kretschmer) und tsp.de (Benedikt Voigt) berichten.
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lto/ali
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Die juristische Presseschau vom 7. Januar 2021: . In: Legal Tribune Online, 07.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43909 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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