Das LG Halle verurteilte AfD-Politiker Höcke zu einer Geldstrafe. Der im Straßenverkehr zulässige THC-Grenzwert soll angehoben werden. OVG Bremen hält From the River-Slogan in Eilbeschluss für strafbar.
Thema des Tages
LG Halle zu Björn Höcke: Wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a StGB hat das Landgericht Halle den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen, insgesamt 13.000 Euro, verurteilt. Höcke hatte in einer Wahlkampfrede in Merseburg 2021 die Parole "Alles für Deutschland" benutzt, deren öffentliche Verwendung strafbar ist, weil sie als Losung der SA gilt. Höcke hatte behauptet, er habe den historischen Hintergrund nicht gekannt. Das Gericht sah es aber erwiesen an, dass Höcke die Deutschland-Parole in Kenntnis ihrer Strafbarkeit verwendete. Über das am Abend verkündete Urteil berichten SZ (Jan Heidtmann), taz.de (David Murschenich), spiegel.de (Wiebke Ramm), zeit.de (August Modersohn), zdf.de (Christoph Schneider) und LTO.
Unmittelbar vor den Plädoyers hatte die Verteidigung die Vernehmung des neurechten Publizisten Karlheinz Weißmann beantragt, der dem Gericht darlegte, dass die beanstandete Losung auch von anderen, demokratischen Gruppen verwendet wurde. Höcke selbst bezeichnete sich in seinem Schlusswort als politisch Verfolgter. Über den Sitzungstag berichten u.a. FAZ (Markus Wehner) und bild.de (Jan Schumann/Uwe Freitag).
Christoph Koopmann (SZ) erinnert in einem Kommentar daran, dass Höcke bereits seit langem Versatzstücke von NS-Rhetorik in seine Reden einflechte. Es sei äußerst zweifelhaft, dass dies unabsichtlich geschehe. Keiner seiner Zuhörer sollte vergessen, dass der Politiker beabsichtige, "zuerst die Grenzen des Sagbaren, später die Grenzen des Machbaren" zu verschieben.
Rechtspolitik
Cannabis und Straßenverkehr: Der Gesetzentwurf der Ampelkoalition zur Anhebung des THC-Grenzwerts bei der Teilnahme am Straßenverkehr soll am morgigen Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten werden. Nach dem Entwurf soll der Wert entsprechend der Empfehlung der hierzu eingesetzten Expertenkommission von bisher 1,0 auf 3,5 ng THC angehoben werden. Entsprechende Änderungen des Ordnungswidrigkeiten- sowie des Straßenverkehrsgesetzes sehen Verschärfungen bei Mischkonsum sowie eine Ausnahmeregelung für Menschen vor, die Cannabis aus medizinischen Gründen konsumieren. LTO (Hasso Suliak) berichtet.
Cannabis: FAZ (Marlene Grunert) und Welt (Kaja Klapsa) schreiben über eine Diskussion von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an einem Berliner Gymnasium über die Teillegalisierung von Cannabis. Die Schüler:innen warfen dem Gesetz handwerkliche Mängel und Widersprüchlichkeiten vor.
Asyl/GEAS: Wie erwartet hat nun auch der Rat der EU seine Zustimmung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gegeben. Damit hat die Reform die letzte formale Hürde genommen. LTO berichtet.
Gesundheitsdaten: Vorbehaltlich eines Beschlusses des EU-Ministerrates steht die Einführung des europäischen Raums für Gesundheitsdaten (EHDS) vor der unmittelbaren Einführung. Die hiermit verbundene elektronische Patientenakte könnte nach der von Rechtsanwältin Karolin Hiller im FAZ-Einspruch geäußerten Befürchtung ihren Sinn verlieren, sollte die bezüglich der Verwendung der elektronisch gespeicherten Gesundheitsdaten gewählte Widerspruchslösung Bestand haben. Das Erfordernis, in jedem Mitgliedstaat ein technisches Verfahren zu entwickeln, laufe dem Ziel zuwider, "einen einheitlichen europäischen Gesundheitsraum zu schaffen" und diesen auch für die Forschung nutzbar zu machen.
Datenschutz/Pay or Consent: In einem Gastbeitrag für den Recht und Steuern-Teil der FAZ kritisiert Stefan Brink, Ex-Datenschutzbeauftragter von Baden-Württemberg, eine "überzogene" Entscheidung des europäischen Datenschutzausschusses EDPB. Dieser hatte in einer im April veröffentlichten Stellungnahme von Anbietern wie Facebook gefordert, neben dem Wahlmodell "pay or consent" beim Umgang mit Daten Privater auch eine dritte Variante vorzuhalten, die quasi trackingfrei und kostenlos sein müsse. Dieser "Frontalangriff auf internetbasierte Wirtschaftsmodelle" durch den EDPB überdehne die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung und stehe im Widerspruch zur Datenstrategie der EU. Die Behörde maße sich zudem Befugnisse an, die dem Gesetzgeber vorbehalten seien.
Beamtenbesoldung: Im Leitartikel kritisiert Stephan Klenner (FAZ) den schleppenden Fortgang der vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Reform der Beamtenbesoldung. Seit Anfang des vergangenen Jahres hänge ein vom Bundesinnenministerium erarbeiteter Entwurf in der Ressortabstimmung fest, es sei nicht abzusehen, ob er jemals Gesetzesform erlange.
Aktionen vor Abtreibungseinrichtungen: Der Familienausschuss des Bundestags hörte Sachverständige zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über sogenannte Gehsteigbelästigungen in der Nähe von Kliniken und Beratungsstellen. Während einerseits der Eingriff in Versammlungs- und Meinungsfreiheit beklagt sowie die Notwendigkeit der Regelung insgesamt in Frage gestellt wurde, sei andererseits auf die staatliche Pflicht verwiesen worden, eine sichere Beratung zu gewährleisten. beck-aktuell berichtet.
Mietwucher: Die Welt (Michael Fabricius) berichtet über die Forderung des Deutschen Mieterbundes, stärker als bisher gegen überhöhte Mieten vorzugehen. Hierfür biete sich § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes an, der das Fordern "unangemessen hoher Entgelte" als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit einstuft. Ein vor zwei Jahren vom Bundesrat vorgelegter Gesetzentwurf, der die Anwendung erleichtern sollte, sei zwar bislang an Bedenken des Bundesjustizministeriums gescheitert. Diese seien aber nun in einem vom Mieterbund beauftragten Gutachten von Rechtsprofessor Kilian Wegner ausgeräumt worden.
Abgeordnetenbestechung: Über Inhalt und Reichweite des Ende April vom Bundestag verabschiedeten § 108f Strafgesetzbuch informiert Rechtsanwalt David Pasewaldt im Recht und Steuern-Teil der FAZ. Die künftig strafbewehrte unzulässige Interessenwahrnehmung betreffe sowohl Parlamentsmitglieder als auch spiegelbildlich jene, die Abgeordneten für die Wahrnehmung fremder Interessen Zuwendungen machen oder diese versprechen.
Justiz
OVG Bremen zu "From the River to the Sea": Das Oberverwaltungsgericht Bremen ließ in einem Eilbeschluss von Ende April das behördlich für eine Kundgebung verfügte Verbot der palästinensischen Parole "From the River to the Sea" unbeanstandet. Es nahm hierfür eine Interessenabwägung vor, die zulasten der Veranstalter ausfiel. Diese hätten ihr zentrales Anliegen auch ohne Verwendung der Parole zu Gehör bringen können. Demgegenüber sprächen gewichtige Gründe für eine Strafbarkeit der Verwendung gem. § 86a StGB, weil die Parole als Kennzeichen der Terrororganisation Hamas verstanden werden könne. Die diesbezüglich uneinheitliche Rechtsprechung stellt der Bericht von LTO (Charlotte Hoppen/Max Kolter) dar. Das OVG beanstandete indes behördliche Auflagen zur Parole "Kindermörder Israel". Die Parole könne auch als zulässige Kritik an der Kriegsführung der israelischen Regierung verstanden werden.
BGH zu nicht geringer Cannabis-Menge: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Max Mewes und Alessandro Giannini legen auf dem Verfassungsblog dar, dass die Ende April verkündete Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Bestimmung einer "nicht geringen Menge" Cannabis gegen das Analogieverbot verstößt. Das Abstellen auf die Menge des Wirkstoffs THC – und nicht die Anzahl der sichergestellten Pflanzen einer Indoorplantage – folge zwar Grundsätzen der Rechtsprechung zum Betäubungsmittelgesetz, funktioniere aber nicht in der Systematik des Konsumcannabisgesetzes.
OLG Frankfurt/M. zu "sale and rent back": In der vergangenen Woche urteilte das Oberlandesgericht Frankfurt/M., dass ein sogenanntes "sale and rent back"-Geschäft eines Pfandleihhauses wegen Wucher sittenwidrig ist. Im entschiedenen Fall hatte die Eigentümerin dem Leihhaus ihr Auto zu einem Preis von 3.000 Euro verkauft, obgleich der Händlereinkaufpreis bei rund 15.000 Euro gelegen hatte. Der hierin liegende Sittenverstoß sei so schwerwiegend, dass sowohl Kauf- als auch der anschließend geschlossene Mietverrag nichtig sind. beck-aktuell berichtet.
LG Itzehoe - Messerangriff im Zug: Vor der für den heutigen Mittwoch geplanten Urteilsverkündung zum Messerangriff im schleswig-holsteinischen Brokstedt fassen spiegel.de (Julia Jüttner) und FAZ (Julian Staib) die im Verfahren am Landgericht Itzehoe gewonnenen Erkenntnisse über die Tat und den geistigen Zustand des Angeklagten zusammen. Während die Staatsanwaltschaft den Vorwurf eines zweifachen Mordes aus niedrigen Beweggründen für erwiesen hält, plädierte die Verteidigung für die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt und hilfsweise für eine Verurteilung wegen Totschlags.
LG Berlin II zu Fluggastentschädigung/Corona: Wie schon die Vorinstanz verweigerte auch das Landgericht Berlin II Entschädigungsansprüche wegen der coronabedingten Annullierung eines Fluges. Dessen Durchführung sei der beklagten Airline angesichts damals geltender Reisebeschränkungen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch evident unzumutbar gewesen. Dies schließe Entschädigungszahlungen aus. Über das im Februar verkündete Urteil berichtet beck-aktuell.
LG Mannheim zu Zustellungsvermerk: Fehlt auf einem "gelben Umschlag" der handschriftliche Vermerk zum Zustellungsdatum, kann die Frist des übermittelten Schriftstücks erst mit der tatsächlichen Kenntnisnahme des Adressaten zu laufen beginnen. Dies entschied laut beck-aktuell das Landgericht Mannheim in einem Streit über den rechtzeitigen Einspruch gegen einen Strafbefehl.
AG München zu Trunkenheitsfahrten: Wegen mehrfacher Trunkenheitsfahrten hat das Amtsgericht München den früheren Elitesoldaten Maximilian Eder zu einer Haftstrafe von zehn Monaten verurteilt. In seinem vierstündigen letzten Wort legte Eder seine von Verschwörungstheorien geprägte Weltsicht dar, schreiben SZ (Annette Ramelsberger) und bild.de (Torsten Huber). Ab der nächsten Woche muss sich Eder als Mitglied der Verschwörergruppe um Prinz Reuß vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/M. verantworten.
Recht in der Welt
Österreich – Josef Fritzl: Nach Beschluss des österreichischen Landesgerichts Krems wird der zu lebenslanger Haft verurteilte Josef Fritzl aus dem Maßrahmenvollzug in den Normalvollzug überstellt. Die Persönlichkeitsstörung Fritzls sei durch seine fortschreitende demenzielle Erkrankung begraben, von ihm seien keine strafbaren Handlungen mit schweren Folgen mehr zu erwarten, schreiben FAZ (Stephan Löwenstein) und bild.de (Andreas Bachner). Der beantragten Entlassung sei aus spezialpräventiven Gründen nicht entsprochen worden.
Frankreich – Roman Polanski: Ein Pariser Gericht hat den Regisseur Roman Polanski vom Vorwurf der Verleumdung freigesprochen. Polanski hatte Behauptungen der Schauspielerin Charlotte Lewis, er habe sie in den 1980er-Jahren sexuell missbraucht, als "abscheuliche Lüge" bezeichnet. Nach Ansicht des Gerichts habe er hiermit sein Recht auf freie Meinungsäußerung nicht missbraucht, so die FAZ (Lena Bopp). Die taz (Jenni Zylka) berichtet in einem Porträt der Schauspielerin.
USA – Trump/Stormy Daniels: Über die Zeugenvernehmung Michael Cohens, des früheren Vertrauten von Donald Trump, in dessen New Yorker Schweigegeld-Prozess berichten nun auch u.a. SZ (Boris Herrmann/Christian Zaschke) und FAZ (Sofia Dreisbach). zeit.de (Carsten Luther/Isabelle Daniel) stellt "die wichtigsten Akteure" des Verfahrens vor.
USA – Eltern/Amokläufer: Im vergangenen Monat verurteilte ein Gericht im US-Bundesstaat Michigan die Eltern eines jugendlichen Amokläufers wegen fahrlässiger Tötung. Der Fall tauge wegen der offensichtlichen Nachlässigkeit der Eltern nur bedingt für eine grundsätzliche Mithaftung von Eltern, schreibt die FAZ (Christiane Heil). Auch ließen sich gesetzliche Regelungen zur strafrechtlichen Mithaftung von Eltern jugendlicher Straftäter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückverfolgen, ohne dass dies zu nennenswerten Erfolgen geführt hätte.
Südafrika – Jacob Zuma: Das Verfassungsgericht Südafrikas verhandelt derzeit als Berufungsinstanz über das passive Wahlrecht des früheren Präsidenten Jacob Zuma für die am Ende des Monats anstehenden Wahlen. Laut Landesverfassung können verurteilte Straftäter mit einem Strafmaß von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe von einer Kandidatur ausgeschlossen werden, so die taz (Helena Kreiensiek). Zuma war 2021 wegen Korruption zu einer Haftstrafe von 15 Monaten verurteilt worden.
Sonstiges
RA Christian Schertz: Der FAZ (Michael Hanfeld) ist die aktuelle ARD-Doku "Der Star-Anwalt: Christian Schertz und die Medien" etwas zu einseitig geraten. Statt der "Pose des strahlenden Helden" hätte ein differenziertes Bild des Medienanwalts auch eine Erwähnung von "Graubereichen" und Niederlagen verdient.
Anwaltliches Business Development: Mit LTO-Karriere (Franziska Kring) sprechen die Coaches Christian Kessel und Anna von Troschke über Mittel und Wege, der startenden anwaltlichen Karriere einen Schub zu verleihen. Von besonderer Wichtigkeit sei Eigeninitiative und die Bereitschaft, unternehmerisch tätig zu sein. Die Interviewten empfehlen, "sich sichtbar" zu machen und hierbei insbesondere nicht Chancen zu versäumen, auch vor größerem Publikum Vorträge zu halten.
Wahlempfehlungen des Arbeitgebers: Die arbeitsrechtliche Zulässigkeit von Wahlempfehlungen des Arbeitgebers untersucht LTO (Tanja Podolski). Wenn die Leitungen die Unvereinbarkeit von Unternehmenswerten mit den Zielen einer konkreten Partei darlegen, können sie sich regelmäßig auf ihre Meinungsfreiheit berufen. Politische Einstellungen von Beschäftigten sind demgegenüber deren Privatsache und ohne Belang für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, solange der Betriebsfrieden nicht nachhaltig gestört wird.
Das Letzte zum Schluss
Ohne Finderlohn: Ehrlichkeit währt am längsten, mag sich ein Münchner Busfahrer denken, der vergangenen Woche pflichtschuldig eine in seinem Fahrzeug von einer Seniorin vergessene Tasche abgab. Deren Inhalt: Gold- und Platinplatten im Wert von mehr als 100.000 Euro. Der grundsätzlich bestehende Anspruch auf Finderlohn entfällt wegen des Beschäftigungsverhältnisses des Finders. Dies erklärt spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/mpi/chr
(Hinweis für Journalisten und Journalistinnen)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Die juristische Presseschau vom 15. Mai 2024: . In: Legal Tribune Online, 15.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54542 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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