Geldwäsche-Regeln helfen kaum bei der Beschlagnahme von Oligarchen Vermögen. Auftakt im niederländischen Strafprozess um die Tötung des Journalisten Peter de Vries. Das Kartellamt kann bei überhöhten Spritpreisen nur bedingt helfen.
Thema des Tages
Sanktionen gegen Oligarchen: Am Beispiel zweier Privatjets des Milliardärs Roman Abramowitsch erläutert das Hbl (Daniel Imwinkelried/Katharina Kort) die juristischen Schwierigkeiten bei der Beschlagnahme von Vermögen vermeintlich kremlnaher Oligarchen. Ein US-amerikanisches Bundesgericht hat wegen des Verstoßes gegen kriegsbedingte US-Exportkontrollen kürzlich einen Vollstreckungsbefehl bezüglich der Flugzeuge erlassen, diese befänden sich jedoch in Dubai bzw. Moskau.
Rechtsprofessorin Eva-Maria Kieninger und Rechtsprofessor Christoph Teichmann legen im FAZ-Einspruch die Schwierigkeiten bei der Bestimmung sanktionsbehafteter Vermögen dar. Als Beispiel dient eine am Tegernsee gelegene Immobilie des Oligarchen Alischer Usmanow, als deren Eigentümerin im Grundbuch eine auf der Isle of Man beheimatete Limited vermerkt ist. Ungeachtet dieses Falls sei augenfällig, dass "redlichen Bürgern" im Namen der Geldwäschebekämpfung "jede Menge Steine in den Weg" gelegt würden, während bei der Verwendung offenbarer Briefkastenfirmen zum Immobilienerwerb eine gewisse Nonchalance herrsche. Von den jüngst eingeführten Meldepflichten für sanktionsbetroffene Vermögen sei jedenfalls keine abschreckende Wirkung zu erwarten.
In einem Kommentar erinnert Klaus Ott (SZ) daran, dass bezüglich Usmanow "reihenweise Geldwäsche-Verdachtsmeldungen bei der Financial Intelligence Unit" eingegangen seien. "Herausgekommen ist dabei nichts", dies sei "aberwitzig, dämlich und grotesk". Auch wenn für Usmanow die Unschuldsvermutung gelte, sei es für jemanden wie ihn keine Zumutung, "die Herkunft seines Vermögens bis ins Detail offenzulegen." Solange eine derartige Beweislast-Umkehr nicht gelte, wird "Deutschland weiter versagen beim Kampf gegen die Geldwäsche in großem Stil."
Rechtspolitik
Chancenaufenthalt: Mit einem "Chancenaufenthaltsrecht" will die Regierungskoalition ihren angekündigten Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik vollziehen. Ein der taz (Dinah Riese/Sabine am Orde) vorliegender Referentenentwurf sieht zu diesem Zweck vor, mehrjährig Geduldeten, die gut integriert leben, eine "Aufenthaltserlaubnis auf Probe" zu erteilen. Innerhalb deren Dauer könnten von den Betreffenden dann die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht erbracht werden. Gleichzeitig sei eine Verlängerung der Abschiebehaft vorgesehen.
Digitales Bundesgesetzblatt: Vor zwei Wochen hat die Bundesregierung eine Gesetzesvorlage zur digitalen Herausgabe des Bundesgesetzblattes beschlossen. Dass die somit geplante Digitalisierung der Gesetzesverkündung einer Grundgesetzänderung bedürfe, wird vom akademischen Mitarbeiter Simon Gauseweg auf dem Verfassungsblog bestritten. Das in Art 82 Grundgesetz erwähnte Bundesgesetzblatt setze keineswegs die Papierform voraus, sondern sei lediglich "funktional im Sinne größtmöglicher Verbreitung unter den Rechtsunterworfenen zu betrachten." Im Übrigen beinhalte der aktuelle Gesetzentwurf lediglich einen Verzicht auf die eigentliche Drucklegung und verpasse somit "die Chance, die Gesetzesverkündung tatsächlich zu digitalisieren."
Mindestlohn: LTO berichtet, dass sich EU-Parlament und Mitgliedstaaten auf die Eckpunkte einer Richtlinie für bessere Bezahlung geeinigt haben. Der gefundene Kompromiss beinhalte Standards für die Festlegung gesetzlicher Mindestlöhne und verpflichte die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen für eine Steigerung der Tarifbindung, sobald diese unter 80 Prozent liegt. Das Hbl (Carsten Volkery) stellt die Kritik von Arbeitgeberverbänden in den Mittelpunkt seines Berichts.
Hendrick Kafsack (FAZ) beklagt in einem Kommentar, dass der mit der Verabschiedung der "Europäischen Säule sozialer Rechte" eingeschlagene Weg zu einer gemeinsamen europäischen Sozialpolitik fortgesetzt werde. Mitnichten stärke dies den Wettbewerb, der vielmehr durch eine "flexible" Sozialpolitik mit der Möglichkeit nationaler Anpassungen gefördert werde.
Justiz
BVerwG – Impfpflicht bei der Bundeswehr: Erst- und letztinstanzlich vor dem Bundesverwaltungsgericht wehren sich zwei Offiziere der Bundeswehr gegen die Aufnahme der Corona-Schutzimpfung in die Liste der für Soldaten und Soldatinnen verbindlichen Impfungen. In der Verhandlung stellten Vertreter der Kläger unter Applaus des Publikums die Effektivität der Impfung in Frage und warfen dem Robert-Koch-Institut die Manipulation von Daten vor, schreibt LTO. Die Verhandlung werde am heutigen Mittwoch fortgesetzt.
BAG zu betrieblichen Corona-Tests: Aus Anlass des letztwöchigen Urteils des Bundesarbeitsgerichts, das die Anordnung von Corona-Tests im Rahmen eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts für rechtens befand, beschreiben die Rechtsanwältinnen Katja Häferer und Miriam Siemen im Recht und Steuern-Teil der FAZ sich aus dieser und anderen Entscheidungen ergebende Leitlinien.
LG Itzehoe – KZ-Sekretärin Stutthof: Im Strafverfahren gegen die frühere KZ-Sekretärin Irmgard F. sagte am Landgericht Itzehoe Bruno Dey als Zeuge aus. Dey war ebenfalls im KZ Stutthof tätig und war wegen seiner dortigen Arbeit als Wachmann vom Landgericht Hamburg vor wenigen Jahren zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Nach dem Eindruck eines Nebenklagevertreters sei es erstaunlich gewesen, dass sich der Zeuge sehr detailliert an seine Einberufung erinnert, bei Fragen nach Vorgängen im Lager aber "Gedächtnislücken" offenbart habe. Seine Vernehmung werde fortgesetzt, schreibt spiegel.de (Julia Jüttner).
StA München II – Regionalbahn-Unglück: Wie LTO berichtet, hat die Staatsanwaltschaft München II Ermittlungsverfahren gegen drei Mitarbeiter der Deutschen Bahn aufgenommen, nachdem am vergangenen Freitag fünf Menschen starben, als ein Regionalzug bei Garmisch-Partenkirchen entgleiste. zeit.de (Manuel Bogner/Lisa-Marie Eckardt) bringt einen Überblick in Frage-und-Antwort-Form.
Umweltprozesse von RA Verheyen: In ihrem Unternehmens-Teil porträtiert die FAZ (Katja Gelinsky) Rechtsanwältin Roda Verheyen. Seit dem Frühjahr auch Richterin am Hamburgischen Verfassungsgericht, vertritt die 49-Jährige in ihrem "Hauptberuf" Umweltmandate wie die Klage eines peruanischen Bauern gegen RWE oder jene eines deutschen Biolandwirts gegen VW. Vorwürfe, sie versuche, mittels solcher Verfahren eine politische Agenda auf dem Rechtsweg durchzusetzen, bezeichnet Verheyen als "falsch und unangemessen".
Folter in Syrien: Aus Anlass des Verfahrens gegen den syrischen Arzt Alaa M. am Oberlandesgericht Frankfurt/M. sowie des beendeten Verfahrens gegen syrische Geheimdienstmitarbeiter am Oberlandesgericht Koblenz beschreibt die FAZ (Rainer Hermann) die Wirkung der Prozesse auf die arabische Welt. Zumindest der Koblenzer Prozess sei aufgrund regen Medieninteresses intensiv verfolgt worden. Geflüchtete Aktivist:innen begrüßten die Möglichkeit, Verbrechen in Syrien strafrechtlich verfolgen zu lassen. Machthabern im arabischen Raum sei dagegen die Möglichkeit bewusst, bei Reisen in den Westen wegen Ermittlungen festgenommen werden zu können.
Digitalisierung der Justiz: Hendrik Wieduwilt (Libra) berichtet über eine Studie der Bucerius Law School, der Boston Consulting Group und des Legal Tech-Verbands, bei der der Stand der Digitalisierung der Justiz in Deutschland mit jenem ausgewählter Länder verglichen wurde. Gegenüber Österreich, Kanada, Großbritannien und Singapur hinke die Bundesrepublik "10-15 Jahre hinterher." Hierfür seien weniger technische Fragen denn die "mentale Einstellung" der in der Justiz Agierenden verantwortlich.
KI in der Justiz: In einem Gastbeitrag für den Forschung und Lehre-Teil der FAZ versuchen sich der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU), Markus Hartmann, Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime in Nordrhein-Westfalen und Rechtsprofessor Rolf Schwartmann an einer theoretischen Grenzziehung für den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Rechtsprechung. Das "junge und dynamische Wachstumsfeld" bedürfe eines "deutlich höheren Engagements", bei dem aber immer klar sein müsse, dass KI "unterstützen und helfen" solle. Beteiligte müssten immer die Möglichkeit haben, "die Wirkweise der eingesetzten Künstlichen Intelligenz sachgerecht zu erfassen".
RAF-Verhandlungssaal: Über den geplanten, "zumindest aus architektonischer Sicht" zu verschmerzenden Abriss des Verhandlungssaals in Stuttgart-Stammheim, berichtet nun auch die SZ (Max Ferstl).
Recht in der Welt
Niederlande – Mord an Peter de Vries: Vom Prozessauftakt wegen des Mordes am niederländischen Journalisten Peter de Vries berichtet die FAZ (Thomas Gutschker). Einer der beiden Angeklagten habe versucht, jegliche Verwicklungen in Tötungspläne abzustreiten, der andere von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. In einem Vorbericht beschreibt zeit.de (Markus Sehl) die mutmaßlichen Hintergründe der Tat. Bereits seit geraumer Zeit laufe – unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen – der sogenannte Marengo-Prozess. In diesem seien 17 mutmaßliche Initiatoren eines Drogenkriegs verschiedener Banden angeklagt, auch der Getötete habe als Vertrauensperson des dortigen Kronzeugen eine gewichtige Rolle gespielt. Einen Überblick zu den wichtigsten Fragen des Prozesses bringt spiegel.de.
Schweiz – Sepp Blatter/Michel Platini: Ab diesem Mittwoch müssen sich die früheren FIFA-Funktionäre Sepp Blatter und Michel Platini vor dem schweizerischen Bundesstrafgericht in Bellinzona gegen den Vorwurf des Betrugs zu Lasten des Verbands verantworten. In ihrem Sport-Teil stellt die SZ (Johannes Aumüller/Thomas Kistner) vertieft dar, wie eine unscheinbare Mitteilung der Schweizer Bundesanwaltschaft im Jahre 2015 über die nun zur Verhandlung stehende Zahlung an Platini den Fall ins Rollen brachte und damit auch die jetzige FIFA-Präsidentschaft von Gianni Infantino ermöglichte. In einem separaten Stück gibt die SZ (Johannes Aumüller/Thomas Kistner) Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Strafprozess.
Österreich – Hans-Christian Strache: Am Wiener Landesgericht ist ein Strafprozess gegen den früheren Vizekanzler Hans-Christian Strache eröffnet worden. In einem Eröffnungsstatement habe der Anwalt des Angeklagten den Vorwurf der Postenkorruption zurückgewiesen, so LTO. Der mit einem Aufsichtsratsposten versehene Immoblienunternehmer sei vielmehr ein Freund des Ex-Politikers gewesen, die geleistete Spende gar nicht strafbar.
Schweden – Justizminister Johansson: Äußerst knapp hat der schwedische Justiz- und Innenminister Morgan Johansson ein parlamentarisches Misstrauensvotum überstanden. Der Antrag war von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten eingebracht und mit mangelndem Engagement des Ministers gegen eine sich seit Jahren ausbreitende Bandenkriminalität begründet worden, erklärt die FAZ (Matthias Wyssuwa). Vor dem Hintergrund des bevorstehenden NATO-Beitritts des Landes sei durch das Ergebnis eine schwere Regierungskrise abgewendet worden.
Türkei – "Stop Femicide": In der Türkei muss sich die Frauenrechtsorganisation "We Will Stop Femicide" wegen Verstößen gegen Gesetz und Moral verantworten, schreibt spiegel.de (Anna-Sophie Schneider) in einer Reportage. Grundlage der Anklage seien unbelegte Behauptungen eines Kritikers der Gruppe, nach der diese Verbindungen zur verfemten Gülen-Bewegung unterhalte. Tatsächlich verfolge die Regierung bereits seit geraumer Zeit NGOs, die durch ihren Einsatz für Gleichberechtigung angeblich traditionelle Familienwerte bedrohten.
Sonstiges
BKartA – Kraftstoffpreise: Gegen die bei Einführung des sogenannten Tankrabatts geäußerte Vorstellung, das Bundeskartellamt sei dafür verantwortlich, die tatsächliche Weitergabe der vorübergehenden Steuersenkung an die Endverbrauchenden durchzusetzen, bringt Rechtsanwalt Paul Drößler auf LTO den Aufgabenbereich der Behörde in Erinnerung. Das formal dem Wirtschaftsministerium unterstellte, aber unabhängige Amt sei für Anwendung und Durchsetzung des Kartellrechts zuständig. Maßnahmen zum Schutz des Wettbewerbs setzten die gegenseitige Absprache von Unternehmen oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung voraus. Subjektiv überhöht erscheinende Benzinpreise genügen nicht für ein Einschreiten des Kartellamts.
Verfassungsschutzbericht: Über die Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2021 durch Behördenchef Thomas Haldenwang und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) berichten SZ (Ronen Steinke), FAZ (Helene Bubrowski) und LTO. Das Bedrohungspotential durch Rechts- und Linksextreme, Islamisten, Antisemiten sowie diffus staatsfeindlich Eingestellte sei weiterhin hoch.
Die von Haldenwang besonders herausgehobenen russischen Spionage-Aktivitäten thematisiert Ronen Steinke (SZ) in einem separaten Kommentar. Es sei hinlänglich bekannt, dass diplomatische Einrichtungen der Russischen Föderation in Deutschland "riesige Geheimdienst-Dependancen" seien und deren bisherige Duldung "Politik". Dass sich letztere Vorstellung gewandelt habe, folge der Erkenntnis, dass es nie sinnvoll sei, "bei Straftätern ungerührt" zuzuschauen, "bloß weil da draußen noch mehr Straftäter sein könnten".
Geo-Daten und Datenschutz: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Moritz von Rochow legt auf Libra dar, wie technologische Fortschritte bei der Anfertigung von Fotos durch Satelliten "klassische Datenschutzvorstellungen zum Anachronismus" werden lassen. Fotos aus dem All hätten die Verantwortlichkeit für die Kriegsverbrechen im ukrainischen Butscha offengelegt, sie führten aber gleichzeitig dazu, dass niemand mehr die begründete Erwartung hegen dürfte, "dass seine privaten Verhältnisse den Blicken der Öffentlichkeit entzogen blieben."
Fraport-Vorstand Giesen: In seiner Reihe "Small Talk" interviewt LTO-Karriere (Pauline Dietrich) die Volljuristin Anke Giesen, die aktuell das einzige weibliche Vorstandsmitglied der Fraport AG ist. Sie spricht über ihren Aufgabenbereich und ihren beruflichen Werdegang.
Das Letzte zum Schluss
Abgekupfert? Zum Grauen aller Weihnachts-Muffel stellt Maria Careys 90er Hit "All I Want for Christmas Is You" den Mittelpunkt jeder zünftigen Weihnachtsfeier. Am Erfolg des Hits will nun auch ein Songwriter partizipieren, der behauptet, dass die Diva den Titel bei ihm abgeschrieben habe und hierfür laut SZ (Johannes Korsche) nun 20 Millionen Dollar fordert. Der Durchsetzung der Forderung könnte hingegegen das lange Zuwarten des Klägers entgegenstehen – und der Umstand, dass bereits 177 Werke unter dem gleichen Titel urheberrechtlich geschützt seien.
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LTO/mpi
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Die juristische Presseschau vom 8. Juni 2022: . In: Legal Tribune Online, 08.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48680 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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