Die CDU/CSU hofft bei der Cannabis-Teillegalisierung jetzt auf den Bundespräsidenten. Das Onlinezugangsgesetz 2.0 scheiterte im Bundesrat. IFG-Antragsteller:innen müssen Namen und Anschrift mitteilen.
Thema des Tages
Cannabis: Nachdem der Bundesrat am Freitag die Teillegalisierung von Cannabis hat passieren lassen, indem er den Vermittlungsausschuss nicht anrief, wird jetzt von Unionsseite gefordert, dass der Bundespräsident das Gesetz noch stoppen solle. "Wir appellieren an den Bundespräsidenten, das Cannabisgesetz nicht zu unterzeichnen", so der CDU-Politiker Tino Sorge laut der Mo-taz. Zu groß sei "die einstimmige Kritik sämtlicher Justiz- und Innenminister der Länder". Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte die Teilliberalisierung.
Über die Bundestagssitzung am Freitag haben Sa-FAZ (Marlene Grunert), Sa-SZ (Angelika Slavik), Sa-taz (Adefunmi Olanigan), spiegel.de (Matthias Bartsch/Lukas Eberle) und beck-aktuell berichtet. Ausführlich fasst LTO (Hasso Suliak) die Debatte sowie die wichtigsten inhaltlichen Punkte der Neuregelung zusammen. In einem weiteren Text beschreibt LTO (Hasso Suliak) das Abstimmungsverhalten der einzelnen Bundesländer und politische Reaktionen.
Es sei grundsätzlich eine gute Entscheidung, dass in Deutschland bald legal Cannabis konsumiert werden könne, meint Angelika Slavik (Sa-SZ), sie kritisiert aber, dass der legale Bezug von Cannabis für Gelegenheitskonsument:innen viel zu kompliziert sei. Karl Lauterbach sollte deshalb das Gesetz zügig nachbessern, fordert sie. Kritischer sieht Daniel Deckers (FAS) die Cannabis-Teillegalisierung. Die "Fortschrittsadvokaten" hätten "lieber auf die Cannabislobby als auf die Innenminister der Länder und viele Vertreter von Städten und Gemeinden, die parteiübergreifend davor warnten, dass die gesundheits- und rechtspolitischen Ziele der Ampel auf dem gewählten Weg in ihr Gegenteil verkehrt werden dürften", gehört. Am Ende sei ein Gesetz über alle parlamentarischen Hürden gehievt worden, das wie die ähnlich brachial durchgedrückte Reform des Bundestagswahlrechts danach schreie, so schnell wie möglich korrigiert zu werden, so Deckers.
Rechtspolitik
Digitale Verwaltung: Der Bundesrat hat dem Reformgesetz zum Online-Zugangs-Gesetz (OZG 2.0) die erforderliche Zustimmung verweigert. Das Gesetz sieht erstmals einen einklagbaren Anspruch der Bürger:innen auf digitale Dienste des Bundes vor, außerdem sollen einheitliche Standards und offene Schnittstellen dabei helfen, bundesweit einheitliche digitale Lösungen zu entwickeln. Streitpunkt ist die Finanzierung einer flächendeckenden Digitalisierung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), deren Haus bei dem Vorhaben federführend ist, kündigte an, dem Bundeskabinett vorzuschlagen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Mo-FAZ (Corinna Budras), netzpolitik.org (Esther Menhard) und LTO berichten.
Bund, Länder und Kommunen müssten endlich begreifen, dass jeder seinen Beitrag leisten muss und für Befindlichkeiten längst keine Zeit mehr sei, meint Corinna Budras (Mo-FAZ). Sonst müssten die Bürger noch in den nächsten Dekaden bei einem völlig überforderten Amt vorstellig werden – wenn sie denn noch Termine bekommen.
Resilienz des BVerfG: Die Mo-FR (Ursula Knapp) illustriert anhand von Zitaten den mäandernden Kurs der CDU/CSU zur Frage einer möglichen Grundgesetzänderung für einen besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichtes vor Blockaden. Während Ende Januar Fraktionsvize Andrea Lindholz für eine Verankerung von Sicherheitsstrukturen im Grundgesetz stimmte, sah sie Ende Februar keine Notwendigkeit für eine Verfassungsänderung mehr. Mitte März dann hieß es aus der CDU, dass man "miteinander reden und ausloten" solle, was sinnvoll sei und was nicht und am 24. März forderte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz den Bundesjustizminister auf, einen Vorschlag zu machen.
Kinderehen: Der Bundestag hat in der vergangenen Woche auf Antrag der Unionsfraktionen über das Thema Kinderehen debattiert. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem vergangenen Jahr, die die bis dahin geltende pauschale Nichtigkeit von im Ausland geschlossenen Kinderehen für verfassungswidrig erklärte. Die Union drängt nun auf die vom Karlsruher Gericht geforderte Reform, nicht zuletzt, weil die dafür gesetzte Frist in drei Monaten endet. Die Sa-SZ (Ayça Balcı/Sina-Maria Schweikle) berichtet.
Zivilprozess: Im Interview mit beck-aktuell (Maximilian Amos) berichtet die Präsidentin des OLG Bremen Ann-Marie Wolff über die Auftakt-Veranstaltung der Initiative "Zivilprozess der Zukunft", in deren Rahmen die Präsident:innen der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs ein Konzept für ein modernes und digitales Zivilverfahren entwerfen wollen. Thema des Workshops sei dabei die Qualität und Effizienz der Rechtsprechung. Die Teilnehmer:innen hätten die Stärkung des Kammersystems, verbunden mit persönlicher Kontinuität der Richter:innen in den Spruchkörpern, eine Ausweitung des Fortbildungssystems und ein verbessertes Wissensmanagement gefordert. Richterin Wolff hofft, dass diesmal, anders als in der Vergangenheit, der Gesetzgeber auf die Justiz hören werde.
Lieferketten und Menschenrechte: Die Sa-taz (Hannes Koch) fasst noch einmal die wichtigsten Informationen zur europäischen Lieferkettenrichtlinie, auf d sich die Mitgliedstaaten – bei einer Enthaltung Deutschlands – jetzt geeinigt haben, in einem Q&A zusammen. Das Hbl (Cornelius Welb) verweist auf den erhöhten Beratungsbedarf durch die neue EU-Lieferkettenrichtlinie, von dem insbesondere Anwält:innen, Berater:innen, Prüfkonzerne und Softwareunternehmen profitieren wollten.
Bürokratieabbau: Die EU-Kommission sei die größte Bürokratiequelle in ganz Europa, kritisiert Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Interview mit dem Hbl (Heike Anger/Thomas Sigmund) und nennt als Negativbeispiel die EU-Lieferkettenrichtlinie, auf die sich die Mitgliedstaaten jetzt doch mehrheitlich geeinigt haben. In Bezug auf die nationalen Maßnahmen zum Bürokratieabbau wünsche er sich insgesamt mehr Mut und Tempo, sagt Buschmann. "Wir brauchen eine kräftige Portion Umsetzungswillen, mit Betonung auf Umsetzung. Sonst reden wir in zehn Jahren noch über die gleichen Probleme".
Leihmutterschaft: Für eine gesetzliche Regelung der Leihmutterschaft plädierten in der Sa-taz Clara Markurt und Nicole Schmidt, die beide in der SPD-Arbeitsgemeinschaft SPDqueer aktiv sind. Sie erläutern, dass im Mittelpunkt immer das Wohl des Kindes stehen sollte. Es geht um Fragen zur rechtlichen Anerkennung der Leihmutter sowie zur finanziellen Abhängigkeit und zu medizinischen Risiken. Die Autorinnen sprechen sich u.a. für die Möglichkeit eines "kleinen Sorgerechts" auch für die Leihmutter aus und fordern auf der anderen Seite ein Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Leihmutterschaft.
Schwangerschaftsabbruch: Ausführlich wird im Spiegel (Sophie Garbe/Milena Hassenkamp) die rechtliche, die politische und die tatsächliche Situation in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche erläutert. Ein Hauptproblem sei derzeit die sich verschlechternde Versorgungslage, die Gegner:innen von Paragraf 218 StGB auch darauf zurückführen, dass derzeit Betroffene und Ärzt:innen stigmatisiert werden. In den kommenden Wochen sollen die Ergebnisse einer von der Bundesregierung eingesetzten Kommission zu Möglichkeiten einer Regelung außerhalb des Strafrechts vorgestellt werden
V-Leute: Der Spiegel (Jörg Diehl u.a.) schildert die Debatte über den Gesetzentwurf der Bundesregierung, die erstmals die Tätigkeit von V-Personen für die Polizei in der Strafprozessordnung regeln will. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) habe dem Gesetzentwurf nur zugestimmt, damit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) die Neustrukturierung der Bundespolizei nicht blockiert.
Biometrische Gesichtserkennung: Mit dem möglichen Einsatz von Gesichtserkennungssoftware bei der Strafverfolgung befassen sich im Verfassungsblog die Doktorand:innen Marc Bovermann, Johanna Fink und Jakob Mutter und in einem weiteren Beitrag der Doktorand Christian Thönnes. Anlass ist die Festnahme der Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette, die durch eine Privatperson mittels PimEyes, einer KI-basierten, biometrischen Gesichtserkennungssoftware, im Internet gefunden wurde. In beiden Texten wird zum Schutz von Grundrechten ein rechtlicher Rahmen für den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware gefordert.
Justiz
BVerwG zu Informationsfreiheit: Anonymen Auskunftsersuchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat das Bundesverwaltungsgericht jetzt eine Absage erteilt. Das IFG sehe anonyme Anfragen nicht vor, so das Gericht, "deshalb muss die Behörde den Namen und regelmäßig auch die Anschrift des Antragstellers kennen". Die Sa-FAZ berichtet.
Markus Reuter (netzpolitik.org) betont, dass damit auf Antrag des Bundesinnenministeriums der niedrigschwellige Zugang, den die Plattform "FragDenStaat" anbiete, zerstört werde, was potentielle Anfragende abschrecken könnte.
BVerfG – AfD-Ausschussvorsitzende: Der Doktorand Benedict Ertelt erläutert im Verfassungsblog den rechtlichen Rahmen für die derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragene Auseinandersetzung um die Besetzung der Vorsitzposten für Bundestagsausschüsse. Weil die entsprechenden Regelungen der Bundestags-Geschäftsordnung offensichtlich auf einem Grundkonsens zwischen den parlamentarischen Fraktionen über demokratische und institutionelle Werte und Verfahren beruhten, den es im Parlament in dieser Form nicht mehr zu geben scheine, plädiert der Autor für eine Änderung der Geschäftsordnung, mit der dann eine ungebundene Mehrheitswahl der Ausschussvorsitzenden ermöglicht wird und bei der dann AfD-Kandidat:innen nicht gewählt werden müssten.
BVerfG zu Sperrklausel/Europawahl: Rechtsprofessor Arnd Diringer widmet sich in seiner WamS-Kolumne der Sperrklausel für die Wahlen zum Europäischen Parlament. Während "DIE PARTEI" und ihr Vorsitzender Martin Sonneborn vor dem Bundesverfassungsgericht mit ihrem Organstreitverfahren bzw. der Verfassungsbeschwerde gegen das deutsche Zustimmungsgesetz für die Einführung einer Sperrklausel noch scheiterten, ist für Diringer gerade der Satiriker Sonneborn selbst ein Argument gegen eine solche Klausel. Er habe "zur Überraschung vieler durch fundierte Sacharbeit überzeugt – ohne dabei seinen Humor zu verlieren" und "den Finger oft dort in die Wunde gelegt, wo große Parteien aus Eigeninteressen heraus weggeschaut haben".
BGH zu Kosten von WEG-Erhaltungsmaßnahmen: Dass die Eigentümerversammlung für Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum auch eine Kostenverteilung zulasten einzelner Wohnungseigentümer beschließen kann, hat laut Sa-FAZ (Katja Gelinsky), tagesschau.de (Gigi Deppe), beck-aktuell und LTO der Bundesgerichtshof in der vergangenen Woche entschieden. Die Eigentümer hätten hier einen weiten Gestaltungsspielraum, so das Gericht. Würden Kosten von Erhaltungsmaßnahmen, die zuvor alle zusammengetragen hätten, durch Beschluss einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt, sei dies jedenfalls dann nicht zu beanstanden, "wenn die Kostenverteilung den Gebrauch oder die Gebrauchsmöglichkeit berücksichtigt".
BSG zu Unfall im Homeoffice: Wer die heimische Heizung bedient, um im Homeoffice für eine erträgliche Raumtemperatur zu sorgen, und sich dabei verletzt, erleide einen Arbeitsunfall. Das hat das Bundessozialgericht jetzt laut LTO entschieden. Die Vorinstanzen waren noch der Auffassung, dass, weil es an einem Zusammenhang zwischen Arbeitstätigkeit und Unfallursache fehle, die beklagte Berufsgenossenschaft nicht zur Zahlung verpflichtet sei. Das BSG meinte nun jedoch, dass bei unternehmensdienlichen Verrichtungen auch im Homeoffice die von privaten Gegenständen ausgehenden Gefahren versichert seien. Die Möglichkeiten, häusliche Arbeitsplätze sicher zu gestalten, rechtfertige keine Einschränkung des Versicherungsschutzes.
VGH Hessen zu "From the river to the sea": Weil die Strafbarkeit der umstrittenen Parole "From the river to the sea" nach einer summarischen Prüfung äußert zweifelhaft sei, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof in der vergangenen Woche die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, mit der die Untersagung der Verwendung der Parole durch die Stadt Frankfurt/M. aufgehoben wurde. "Das Gericht sei sich zwar bewusst, dass die Parole von der Hamas genutzt werde. Allerdings habe sich hier der Antragsteller ausdrücklich für 'ein freies und friedliches Palästina für alle Menschen mit gleichen Rechten, egal welcher Religion oder Herkunft' ausgesprochen und sich damit von den Zielen der Hamas distanziert", so das VG. Mit seiner strafrechtlichen Würdigung vertritt der VGH eine andere Auffassung als einige Generalstaatsanwaltschaften in Deutschland; in Bayern, dem Saarland, Sachsen und Thüringen wird die Parole nach Behördenangaben konsequent geahndet. LTO berichtet.
OVG NRW zu Aktenpaginierung: Dass die Bezeichnung "Blatt" statt "Seite" bei der Nummerierung in einer elektronisch geführten Akte nicht bedeutet, dass das Gericht irgendwelche Informationen auf der Rückseite versteckt hat, musste das OVG NRW in einem PKH-Verfahren klarstellen, wie beck-aktuell (Michael Dollmann) berichtet.
LG Essen zu Gewalt gegen Ehefrau und Tochter: Das Landgericht Essen hat einen Mann zu einer dreizehneinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er im Jahr 2008 zunächst seine Ehefrau und 2016 dann auch noch seine damals 18-jährige Tochter aus einem Fenster im ersten Obergeschoss geworfen hatte. Später hatte er seine, dann von ihm bereits geschiedene Ehefrau auf Straßenbahngleise gestoßen. Das Gericht verurteilte ihn wegen versuchten Totschlags in drei Fällen, so spiegel.de.
LG Berlin I – Suizidhilfe: Über den Prozess gegen einen Berliner Arzt, dem ein Tötungsversuch und eine Tötung vorgeworfen wird, weil er einer psychisch Kranken Suizidbeihilfe geleistet hat, berichtet der Spiegel (Julia Jüttner). Vor Gericht gehe es um die Frage, inwieweit die an Depressionen leidende Frau einen freien Willen bilden konnte.
LG Hamburg zu Gruppenvergewaltigung: Im Interview mit dem Spiegel (Andrea Müller) äußert sich nun erstmals die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring über die Entscheidung ihrer Landgerichtskammer zu der mehrfachen Gruppenvergewaltigung einer 15-Jährigen und ihren Umgang mit dem sich anschließenden Shitstorm auf das vermeintlich "lasche" Urteil. Die Entscheidung sei von allen Prozessbeteiligten, inklusive Staatsanwaltschaft und Nebenklägerin, akzeptiert worden. Dass nur einer von zehn Angeklagten ins Gefängnis muss, erklärte die Richterin damit, dass die Täter keine Gewalt und keine Drohungen anwenden mussten, weil die stark betrunkene 15-Jährige sich scheinbar freiwillig an sexuellen Handlungen beteiligte.
VG Freiburg zu Äußerung eines Oberbürgermeisters: Der Freiburger AfD-Kreisverband ist vor dem Verwaltungsgericht Freiburg mit dem Versuch gescheitert, den Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn zu verpflichten, auf Instagram nicht mehr dazu aufzurufen, bei der anstehenden Kommunal- und Europawahl rechtsextremistischen Parteien keine Stimme zu geben. Nachdem die Stadt auf ihrer Instagramm-Seite einen Bezug zur AfD entfernte, fehle es an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. LTO berichtet.
VG Aachen zu Impfverweigerung eines Soldaten: Das VG Aachen hat die fristlose Entlassung eines Zeitsoldaten wegen einer verweigerten Covid-19-Impfung bestätigt. Der Soldat habe die Gehorsamspflicht und die Pflicht zur Duldung ärztlicher Maßnahmen verletzt und damit die militärische Ordnung ernsthaft gefährdet, so das Gericht. Der Gesetzgeber habe zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr eine Pflicht zur Duldung von Impfungen als Teil der soldatischen Gesunderhaltungspflicht normieren dürfen und damit habe es nicht in der individuellen Entscheidung des Soldaten gelegen, sich impfen zu lassen oder nicht. beck-aktuell berichtet.
VG Berlin zu Polizist in Social Media: Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Berlin von letzter Woche zu den Social-Media-Aktivitäten von "Officer Denny" befasst sich Jost Müller-Neuhof (tagesspiegel.de). Neuhof sieht bereits ein Problem darin, dass die Vorgesetzten auf die korrekte Anzeige der Tiktok-Nebentätigkeit, wo der angestrebte "Polizeibezug" bereits offengelegt wurde, "keine Bedenken" signalisierten. Wie, so fragte sich Müller-Neuhof, soll die Polizei in der digitalen Jedermann-Öffentlichkeit auf Trennung von Dienst und Privatem achten, wenn dem Staat solche Trennungen im Internet zunehmend egal werden.
Bürgergeld: Dass gegen das Bürgergeld deutlich weniger geklagt werde, hat die Mo-FAZ (Katja Gelinsky) von mehreren befragten Rechtsanwält:innen erfahren. Die Beratungsanfragen seien "massiv zurückgegangen" – berichtet beispielsweise der Berliner Rechtsanwalt Volker Gerloff. Auch die Gerichte verzeichneten einen deutlichen Rückgang bei Klage- und Eilrechtsschutzverfahren zu SGB-II-Leistungen.
Vergewaltigungen: Der Spiegel (Philipp Kollenbroich) analysiert, wie Sexualstraftaten in Deutschland bestraft werden und kommt zu dem Ergebnis, dass in der Praxis der Strafrahmen kaum ausgeschöpft werde. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts habe es von 2018 bis 2021 insgesamt 1756 Verurteilte wegen Vergewaltigung gegeben – elf Angeklagte seien dabei zu einer Geldstrafe verurteilt worden, rund 46 Prozent der Verurteilten hätten eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder weniger, weitere 45 Prozent im Bereich zwischen zwei und fünf Jahren erhalten.
Anwaltssprache: Unterhaltungen von Strafverteidiger:innen "gleichen gerne mal einem lustigen Anwaltsbingo", hat Ronen Steinke (Sa-SZ) beobachtet. Wenn beispielsweise die Rede davon sei, dass man vor Gericht "den 55 ziehen" könne, bedeutete das, nach Paragraf 55 der Strafprozessordnung die Aussage zu verweigern.
Recht in der Welt
Großbritannien – Straffällige Kinder: Für die englische Justiz sind bereits Kinder mit 10 Jahren strafmündig, gleiches gilt für Wales und Nordirland. In Schottland liegt das Mindestalter für die Strafmündigkeit bei 12 Jahren. Die Mo-SZ (Michael Neudecker) erläutert den Umgang mit straffälligen Kindern und die Kritik an der niedrigen Altersgrenze, die insbesondere vom UN-Komitee für Kinderrechte kommt. Die britische Regierung allerdings sehe keine Notwendigkeit für eine Anhebung der Strafmündigkeitsgrenze.
Sonstiges
Strafbefehl: Im Interview mit LTO (Tanja Podolski) berichtet die Verteidigerin Carolin Weyandt über ein Forschungsprojekt an der Uni Frankfurt, in dem die praktischen Auswirkungen des Strafbefehlsverfahrens untersucht werden sollen. Es bestehe der Eindruck, dass dabei vor allem so genannte sozial Schwache in unserer Gesellschaft betroffen seien, von denen viele nicht einschätzen könnten, was so ein Strafbefehl eigentlich bedeute.
Flaggen bei der Polizei: Berliner Polizeibeamt:innen dürfen während der Fußball-EM in diesem Jahr keine Deutschland-Fahnen an ihren Dienstfahrzeugen anbringen. Rechtsprofessor Florian Albrecht hält auf LTO die Berufung auf das Neutralitätsgebot jedoch für keine tragfähige Begründung für diese Maßnahme. Das Zeigen der Bundesflagge zeuge nicht von fehlender Neutralität, sondern betone die im Beamtenverhältnis bestehenden engen Bindungen zum Staat. Daran änderten auch die besonderen Umstände eines internationalen Fußballturniers nichts.
Kulturförderung und Kunstfreiheit: Jetzt fassen auch die Mo-taz (Christian Rath) und die WamS (Marcus Woeller) das vom Berliner Verfassungsrechtler Christoph Möllers verfasst Gutachten über die Zulässigkeit von Antisemitismusklauseln in der Kulturförderung zusammen. Solche Klauseln, die es zeitweise in Berlin und Schleswig-Holstein gab, verstießen teilweise gegen den Gesetzesvorbehalt, das Bestimmtsheitsgebot und gegen die Meinungsfreiheit. Es drohe zudem "die Errichtung einer Kontrollstruktur, die ihrerseits missbrauchsanfällig ist".
Rechtsgeschichte – Seemannspensionen: Martin Rath erinnert auf LTO an einen Rechtsstreit, in dem ein Besatzungsmitglied der im Pazifik auf ein Riff gelaufenen "Cormoran" erfolgreich um eine erhöhte Pension nach dem "Gesetz, betreffend die Versorgung der Kriegsinvaliden und der Kriegshinterbliebenen vom 31. Mai 1901" stritt. Die Behörde hatte die Pension zunächst reduziert, weil ihrer Behauptung nach "kein Schiffbruch" vorgelegen habe.
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LTO/pf/chr
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