Google und Meta müssen den Meldepflichten des umstrittenen NetzDG in dessen § 3a nicht nachkommen. Die Norm verstößt nach Ansicht des VG Köln gegen Unionsrecht und ist damit unanwendbar – genau wie eine weitere zentrale Vorschrift.
Google und Meta müssen den Meldepflichten nach dem Netzwerksdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vorerst nicht nachkommen. Der entsprechende § 3a NetzDG verstößt nach Ansicht des Verwaltungsgerichts (VG) Köln gegen Unionsrecht und ist damit nicht anzuwenden. Außerdem ist das Bundesamt für Justiz nach Auffassung des Gerichts nicht unabhängig genug, um als zuständige Behörde die Einhaltung der Pflichten nach dem NetzDG zu überwachen. Das VG gibt damit den Eilanträgen von Google und Meta teilweise statt (Beschl. v. 01.03.2022, Az. 6 L 1277/21; 6 L 1354/21).
Vor dem VG ging es zum einen um den neu eingeführten § 3a NetzDG, der die sog. NetzDG-Beschwerde regelt. Demnach werden Anbieter sozialer Netzwerke verpflichtet, die ihnen gemeldeten rechtswidrigen Inhalte auf das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für bestimmte Straftatbestände zu überprüfen und dann die Inhalte zusammen mit bestimmten Nutzerangaben an das Bundeskriminalamt zu übermitteln, wenn sie derartige Anhaltspunkte finden. Außerdem statuiert § 3b NetzDG die Pflicht der Online-Plattformen, ein Gegenvorstellungsverfahren in Bezug auf Entscheidungen über die Entfernung oder die Sperrung des Zugangs zu einem Inhalt einzuführen.
In § 4a NetzDG wird das Bundesamt für Justiz als für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des NetzDG zuständige Behörde bestimmt.
Verstoß gegen Herkunftslandprinzip
Gegen diese neu geschaffenen Pflichten im NetzDG gingen Youtube (Google), Facebook und Instagram (beide Meta) vor und beantragten die Feststellung, dass sie diesen Pflichten nicht unterliegen. Sie begründeten das mit Verstößen gegen das Unionsrecht sowie nationales Verfassungsrecht.
Das VG gab ihnen nun im Eilverfahren teilweise Recht. In Bezug auf die Pflicht zur Einführung eines Gegenvorstellungsverfahrens für Inhalte, denen keine NetzDG-Beschwerde zugrunde liegt, fehle es bereits am Rechtsschutzbedürfnis. Die antragstellenden Social-Media-Plattformen müssten erst einmal aufsichtsrechtliche Verfügungen abwarten, gegen die sie sich dann gerichtlich wenden könnten.
In Bezug auf Gegenvorstellungsverfahren nach NetzDG-Beschwerden hat sich das VG dagegen auch inhaltlich geäußert: Diese Pflicht sei rechtmäßig. Die Vorschrift sei von der Befugnis der EU-Mitgliedstaaten zur Festlegung von Verfahren für die Entfernung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr (Art. 14 Abs. 3 ECRL) gedeckt.
Allerdings ist das VG der Ansicht, dass die Einführung von § 3a NetzDG gegen das Herkunftslandprinzip der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (ECRL) verstößt – und damit wegen eines Verstoßes gegen Unionsrecht unanwendbar ist. Nach der Richtlinie richten sich die Anforderungen an einen in der EU niedergelassenen Anbieter elektronischer Dienste nämlich nach dem Recht seines Sitzstaates. Im Fall von Google und Meta wäre das Irland - und eben nicht Deutschland.
Auf Ausnahmen könne sich die Bundesrepublik als Antragsgegnerin auch nicht berufen, da der Gesetzgeber weder das für Ausnahmen vorgesehene Konsultations- und Informationsverfahren durchgeführt habe noch die Voraussetzungen eines Dringlichkeitsverfahrens vorgelegen hätten.
"Von Staatsferne beim Bundesamt für Justiz keine Rede"
Klare Worte fand das VG zudem in Bezug auf das Bundesamt für Justiz als zuständige Behörde nach § 4a NetzDG. Die Norm verstoße gegen die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie). Darin sei die rechtliche und funktionelle Unabhängigkeit der zuständigen überwachenden Medienbehörden statuiert. Das Bundesamt für Justiz sei aber dem Bundesjustizministerium unterstellt – und nehme von diesem Weisungen entgegen. Daher könne "von der Richtlinie geforderten Staatsferne beim Bundesamt für Justiz keine Rede sein". Gegen diese Norm ging nur Google vor.
Die Beschlüsse gelten nur zwischen den Verfahrensbeteiligten. Die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster ist möglich. Am VG Köln sind nach eigenen Angaben in Bezug auf das NetzDG auch noch Anträge von Twitter und TikTok auf im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anhängig.
pdi/LTO-Redaktion
VG Köln zu Eilanträgen von Google und Meta: . In: Legal Tribune Online, 01.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47681 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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