Die Berliner Polizei hat für bestimmte Bereiche ukrainische Flaggen und ukrainische Marschmusik pauschal verboten. Das Verwaltungsgericht Berlin sieht hierfür aber keine Rechtsgrundlage, jedenfalls nicht bei kleinen Versammlungen.
Auf einer kleinen Versammlung in Berlin dürfen Fahnen und Flaggen mit ukrainischem Bezug gezeigt und ukrainische Marsch- bzw. Militärlieder gespielt werden. Dies hat am Abend das Berliner Verwaltungsgericht (VG) entschieden (Beschl. v. 9.05.2022, VG 1 L 172/22).
Die Berliner Polizei hatte mit einer Allgemeinverfügung vom 4. Mai 2022 das Zeigen von Fahnen und Flaggen mit ukrainischem Bezug und auch das Abspielen und Singen ukrainischer Marsch- bzw. Militärlieder in verschiedenen Bereichen in Berlin verboten. Vermieden werden soll damit das massenhafte Verwenden militärischer Flaggen und das Singen bzw. Abspielen militärischer Lieder und ein damit verbundenes suggestiv-militante Erscheinungsbild. Am Wochenende hatte die Polizei im Stadtzentrum unter anderem eine 25-Meter lange Ukraine-Flagge sichergestellt, das Vorgehen hatte für Diskussionen um das Flaggenverbot gesorgt.
Ein Bürger aus Baden-Württemberg hatte für den 9. Mai von 21.30 bis 22 Uhr eine Versammlung mit wenigen Teilnehmenden vor dem Deutsch-Russischen Museum in Berlin Karlshorst im Südosten der Hauptstadt angezeigt und damit in einem Bereich, der unter das Flaggenverbot fiel. Mit seinem Eilantrag gegen das Verbot hatte er nun Erfolg.
Keine Gefahr für öffentliche Sicherheit und Ordnung ersichtlich
Die 1. Kammer des VG Berlin führte aus, dass die Beschränkung der Durchführung der Versammlung auf keine Rechtsgrundlage gestützt werden könne. Nach den § 14 Abs. 1 noch auf § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 des Berliner Versammlungsfreiheitsgesetzes sind Beschränkungen von Versammlungen bei Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung möglich.
Doch im konkreten Fall fehlten jegliche Anhaltspunkte, um von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, insbesondere der Individualrechtsgüter Dritter, auszugehen. Die Allgemeinverfügung beziehe sich in ihrer Begründung insoweit auf Erkenntnisse von Versammlungen mit pro-russischem Bezug. Ein solcher sei bei der geplanten Versammlung jedoch erkennbar nicht gegeben.
Die Beschränkung sei auch nicht zum Schutz der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt. Die geplante Versammlung sei schon aufgrund der geringen Teilnehmeranzahl, kurzen Dauer zu einer Tagesrandzeit, nicht geeignet, einschüchternd zu wirken. Zudem sei kein zentral gelegener Ort für die Veranstaltung gewählt worden. Irgendwelche Gefahren wie etwa Gewaltbereitschaft seien durch die Versammlung nicht zu befürchten. Zudem sei bei einer Versammlung dieser Größe davon auszugehen, dass die vor Ort befindlichen Polizeibeamten unschwer entsprechende Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung treffen und durchsetzen könnten.
Entscheidung gilt nur für kleine Versammlungen
Die differenzierte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin zeigt, dass ein pauschales Flaggenverbot in Berlin, nach Auffassung des Gerichts rechtlich nicht haltbar ist. Nicht entschieden hat das Verwaltungsgericht, ob bei größeren Versammlungen an zentralen Plätzen ein Flaggen- und Musikverbot zulässig ist. Doch die Entscheidungsbegründung, die maßglich auf die geringe Anzahl von Teilnehmenden abstellt, lässt durchblicken, dass das Gericht in diesem Fall zu einer anderen Bewertung kommen könnte.
Gegen den Beschluss kann das Land Berlin beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde erheben.
fz/LTO-Redaktion
Verwaltungsgericht Berlin kippt pauschales Verbot: . In: Legal Tribune Online, 09.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48388 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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