Wende in der amerikanischen Abtreibungs-Rechtsprechung? Das legendäre Grundsatzurteil Roe v. Wade von 1973 könnte in Kürze aufgehoben werden. Das geht aus einem Urteilsentwurf des US-Supreme Courts hervor.
Der oberste US-Gerichtshof tendiert einem Medienbericht zufolge offenbar dazu, sein Grundsatzurteil zu Abtreibungen von 1973 zu revidieren. Das geht aus einem Entwurf der Urteilsbegründung hervor, der dem Magazin Politico vorliegt und der laut dem Bericht im Gericht kursiert. Das von Politico am Montag (Ortszeit) veröffentlichte Dokument ist auf den 10. Februar datiert. Unbekannt ist, ob sich der Entwurf seither verändert hat oder es weitere Entwürfe gab. Politico rechnet mit einer endgültigen Entscheidung des Gerichts in den nächsten zwei Monaten.
In dem Entwurf bezeichnet der Supreme Court-Richter Samuel Alito die Rechtsprechung, die als Roe v. Wade bekannt ist, als "von Anfang an falsch". Kippt der mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court die Rechtsprechung, wäre der Weg endgültig frei für schärferen Abtreibungsgesetze bis hin zu kompletten Verboten in den einzelnen US-Bundesstaaten.
Das Recht auf Abtreibung beschäftigt die amerikanische Justiz und Gesellschaft schon seit Jahrzehnten. Mehrere konservativ regierte Bundesstaaten haben ihre Regeln zu Schwangerschaftsabbrüchen bereits deutlich verschärft, mussten aber bisher fürchten, dass die Gesetze vom Supreme Court kassiert werden, weil sie gegen das Grundsatzurteil verstoßen. Roe v. Wade regelt die Möglichkeit, Schwangerschaften bis zur Lebensfähigkeit des Fötus abzubrechen - heute etwa bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Ein weiteres Urteil von 1992, das "Planned Parenthood v. Casey"-Urteil, bestärkte die vergleichsweise liberale Rechtsprechung.
"Wir denken, dass Roe und Casey zurückgewiesen werden müssen", schreibt Alito in dem Dokument, das die Meinung der Mehrheit der Richter wiedergeben soll. Es komme aber vor, dass Richter ihre Meinung ändern, während Papiere im Gericht kursieren und Kontroversen fortgeführt werden, schreibt Politico.
Präsident Biden will Gesetz
Unterdessen US-Präsident Joe Biden hat angesichts einer möglichen massiven Einschränkung des Abtreibungsrechts in den USA Gegenwehr angekündigt. Es brauche ein landesweites Gesetz, welches das Recht auf Abtreibung schütze, sagte der US-Präsident am Dienstag. Er wolle sich dafür einsetzen, dass ein solches Gesetz "verabschiedet und unterzeichnet" werde. Der Oberste US-Gerichtshof dürfe sein Grundsatzurteil zu Abtreibungen von 1973 nicht kippen. "Wir werden bereit sein, wenn eine Entscheidung ergeht", so Biden. Mit den aktuellen Mehrheiten im Senat können Bidens Demokraten ein solches Gesetz aber nicht ohne Weiteres durchbringen.
Er sei der Meinung, dass das Recht der Frau auf Wahlfreiheit von grundlegender Bedeutung sei und dass Roe v. Wade seit fast fünfzig Jahren geltendes Recht sei, so Biden. Der US-Präsident blickte in seiner Mitteilung auch auf die Kongresswahlen im November dieses Jahres. Es werden an den Wählerinnen und Wählern liegen, Abgeordnete und Senatoren zu wählen, die das Recht der Frau auf Entscheidungsfreiheit unterstützen. Es brauche mehr von ihnen, um schließlich ein entsprechendes Gesetz zum Recht auf Abtreibung zu verabschieden.*
dpa/LTO-Redaktion
*Die Reaktion des US-Präsidenten wurde am Tag des Erscheinens um 16.07 Uhr ergänzt
US-Supreme Court: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48320 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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