Chronisch kranke und behinderte Menschen können ihr Wissen über medizinisch notwendige Gymnastikübungen nach einiger Zeit auf Kosten der Krankenkasse auffrischen lassen, entschied das SG Mainz.
Chronisch kranke und behinderte Menschen, die über einen Funktionsgymnastikkurs auf Kosten der Krankenkasse dauerhaft medizinisch notwendige Übungen erlernt haben, haben nach einer gewissen Zeit Anspruch auf einen Auffrischungskurs. Das hat das Sozialgericht (SG) Mainz mit am Dienstag veröffentlichten Urteil entschieden (Urt. v. 03.11.2015, Az. 14 KR 458/12).
Die Krankenkasse bewilligte dem an Psoriasis-Arthritis – einer entzündlichen Gelenkerkrankung – leidenden, klagenden Mann in der Vergangenheit für insgesamt vier Jahre die Übernahme der Kosten für ein zweimal wöchentliches Funktionstraining in Form von Wassergymnastik. Nachdem er zwischenzeitlich dreieinhalb Jahre alleine trainiert hatte, lehnte die Krankenkasse einen erneuten Antrag des Mannes mit der Begründung ab, dass er die entsprechenden Übungen zwischenzeitlich erlernt habe. Er sei nun in die Lage, diese selbstständig und ohne Übungsleiter durchzuführen.
Damit war der Erkrankte aber nicht einverstanden. Er machte geltend, dass ihm sein behandelnder Arzt die Wassergymnastik verordnet habe. Es bestehe daher eine medizinische Notwendigkeit, das Training in der bisherigen Weise fortzuführen. Zudem bestehe die Gefahr, dass falsch ausgeführte Übungen seine Gesundheit erheblich gefährden könnten.
Ausführungsfehler können sich einschleichen
Das Gericht gab der Klage teilweise statt. Die Richter verurteilten die Krankenkasse, dem Mann ein Aktualisierungstraining einmal pro Woche für die Dauer eines Jahres zu bewilligen. Der Gesetzgeber habe dem Patienten, dem die Funktionsgymnastik bei der medizinischen Behandlung seiner chronischen Erkrankung helfe, grundsätzlich einen Anspruch auf das Erlernen der Funktionsgymnastik in einer Gruppe unter Anleitung eingeräumt, begründete das Gericht seine Entscheidung.
Die Krankenkasse habe zwar richtig erkannt, dass sie den Wassergymnastikkurs nicht mehr finanzieren müsse, wenn der Kläger nach einer gewissen Zeit in der Lage sei, die Übungen auch eigenständig durchzuführen. Dann dürfe sie den Kläger für die weiteren Übungen auf seine Selbstverantwortung verweisen. Die Selbstverantwortung habe aber Grenzen. Es müsse durch Fachleute sichergestellt bleiben, dass neue medizinische Erkenntnisse bei dem Kläger ankämen und sich bei den Übungen auf Dauer keine Ausführungsfehler einschlichen. Auch sei zu überprüfen, ob bei bestimmten chronischen Erkrankungen aufgrund ihres Fortschreitens neue oder andere Übungen notwendig seien. Daher habe die Krankenkasse nach einigen Jahren wieder ein Funktionstraining zu bewilligen, sofern es zu diesem Zeitpunkt von einem Arzt verordnet wird.
acr/LTO-Redaktion
SG Mainz zu Wassergymnastik: . In: Legal Tribune Online, 23.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18565 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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