Am Donnerstag findet im Bundestag die 1. Lesung des Entwurfs zur Reform des Sexualstrafrechts statt. Die sieht zwar eine Ausweitung der Strafbarkeit vor, aber vielen geht das noch nicht weit genug.
Bundesweit werden pro Jahr rund 8.000 Vergewaltigungen angezeigt. Von wie vielen weiteren die Behörden nie erfahren, ist unbekannt. Manche Schätzungen gehen davon aus, dass nur einer von zehn Fällen angezeigt wird - und von diesen enden nur etwa zehn Prozent in einem Strafurteil.
Schon seit langem wird insbesondere von Frauen- und Opferverbänden unter dem Slogan "Nein heißt nein" eine Verschärfung des geltenden Rechts gefordert, wonach jede sexuelle Handlung gegen den erklärten Willen des Opfers strafbar werden soll. Bereits Mitte Juni vergangenen Jahres stand ein Entwurf aus dem Justizministerium, im März 2016 fand er die Zustimmung der Regierung, am heutigen Donnerstag findet die erste Lesung im Bundestag statt.
Das Papier soll im Wesentlichen zwei Lücken schließen. Erstens sind danach nun Fälle des unerwarteten Angrabschens erfasst, die bisher zumeist nicht strafbar waren, da das Opfer auf Grund der plötzlichen Begehungsweise weder Widerstand leisten noch überhaupt einen entgegenstehenden Willen bilden kann, bevor es zur Berührung kommt.
Widerstand nicht nötig, aber "Nein" nicht ausreichend
Zweitens soll es künftig strafbar sein, wenn der Täter "unter Ausnutzung einer Lage, in der eine andere Person im Fall ihres Widerstandes ein empfindliches Übel befürchtet", sexuelle Handlungen an dieser vornimmt oder von ihr an sich vornehmen lässt. Damit sollen Fälle erfasst werden, in denen das Opfer etwa aus Angst keinen Widerstand leistet. Dies konnte zwar schon bisher nach § 177 Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch als "Ausnutzen einer schutzlosen Lage" bestraft werden, doch die Maßstäbe, die die Rechtsprechung an dieses Tatbestandsmerkmal anlegte, empfanden manche als zu hoch.
Feministinnen, Rechtsanwältinnen und Betroffenenverbände, aber auch Abgeordnete verschiedener Parteien kritisieren die Neuerungen gleichwohl, da diese keine vollgültige "Nein heißt Nein"-Lösung vorsehe. Vielmehr gelte weiterhin der Grundsatz, dass sich das Opfer physisch zur Wehr setzen oder eine etwaige Fluchtmöglichkeit nutzen oder sich jedenfalls im Fall seines Widerstandes vor einem empfindlichen Übel fürchten müsse. Sie fordern, dass ein einfaches, klar ausgesprochenes "Nein" ausreichen muss. Manchen geht allerdings schon der vorliegende Entwurf zu weit - es könne leicht zu falschen Beschuldigungen kommen.
cvl/dpa/LTO-Redaktion
Debatte um Reform des Sexualstrafrechts: . In: Legal Tribune Online, 28.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19247 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag