Eine Pathologie-Mitarbeiterin eines Krankenhauses in München war sauer, weil angeblich PCR-Tests von ungeimpften Beschäftigten selbst bezahlt werden sollten. Sie drehte ein Video am Arbeitsplatz. Jetzt wehrt sie sich gegen die Kündigung.
Die Pathologie-Mitarbeiterin Samira Y. (27) hat auf Instagram ein Video gepostet und sich gegen angeblich kostenpflichtige PCR-Tests für ungeimpfte Klinikmitarbeiter ausgesprochen. In den Kreisen der so genannten Querdenker ist es auf große Begeisterung gestoßen. Bei ihrem Arbeitgeber nicht.
Arbeitgeber ist das Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Das hatte schnell mit einer Mitteilung reagiert, in dem es "großes Befremden" ob des online gestellten Videos ausdrückte. "Die LMU distanziert sich aufs Schärfste von dem Inhalt des Videos und weist .. darauf hin, dass das Drehen und Posten von Videomaterial in den Räumlichkeiten der LMU für Privatzwecke und ohne Genehmigung unzulässig ist". Gegen die Mitarbeiterin sei ein Hausverbot ausgesprochen worden, die LMU habe sie von ihren Dienstaufgaben freigestellt. Eine fristlose Kündigung werde auf den Weg gebracht.
Im Wege eines Vergleichs haben die LMU und Samira Y. zudem ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Amtsgericht München mit einem Vergleich beendet, das auf Unterlassung gerichtet war. Samira Y. hat das Video gelöscht – und offenbar nicht wieder gepostet.
Video gelöscht, Kündigung eingegangen
Auf ihrem Instagram Account hat Samira Y. das Video gelöscht, im Internet ist es aber so viral gegangen, dass es weiterhin auffindbar ist. Inzwischen hat die Frau im Gespräch mit einer Boulevardzeitung geäußert, dass sie hinsichtlich der durch die Mitarbeitenden zu tragenden Kosten Fehlinformationen aufgesessen war: "Im Nachhinein habe ich erfahren, dass es ein Irrtum war." Auch das Filmen und Posten sieht sie, die nach Berichten selbst geimpft sein soll, inzwischen kritisch: "Unüberlegt war das, impulsiv und nicht durchdacht und doof, dass man das in der Arbeit gemacht hat."
Die Kündigung kam trotzdem, wie ihr Anwalt Albrecht Schöllhorn-Gaar mitteilte. Der zählt mit Blick auf die Branchenberichterstattung nicht zu den renommiertesten dieses Fachs, ist aber durch TV-Formate durchaus bekannt. Die Begründung sei ihm zu dürftig, teilte er der Boulevardzeitung mit: "Sie hat ihre freie Meinung zu Corona und dem Gesundheitswesen gesagt. Das ist ja nicht verboten. Dass sie das in den Räumen der LMU Großhadern getan hat, ist kein Kündigungsgrund. Ich sehe da nicht mehr als höchstens eine Abmahnung." Samira Y. hat vor dem Arbeitsgericht München Kündigungsschutzklage eingereicht.
Fristlose Kündigung eher streitig
Ob sie damit durchkommt, ist unter Fachleuten durchaus umstritten: "Auch wenn Arbeitsgerichte beim Abmahnungserfordernis sehr streng sind, gibt es doch klare Fälle", meint Dr. Burkard Göpfert, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Arbeitsrechtsboutique Kliemt. Entscheidend sei die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, "die hier verhaltensbedingt klar gegeben ist", so der Münchener Anwalt. Die personenbedingte Kündigung wäre ein weiterer Weg, weil man den psychosozialen Hintergrund solcher Fälle ausleuchten müsste. Der Arbeitsrechtler meint, man könne durchaus von einer Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ausgehen.
Doch es gibt auch die andere Seite: Samira Y. hat keine Geheimnisse über ihren Arbeitgeber preisgegeben. Sie hat ihre Meinung geäußert, greift nicht explizit ihren Arbeitgeber an, sondern richtet sich in ihren Aussagen gegen die allgemeine politische Entscheidung, dass Tests für Ungeimpfte kostenpflichtig sein könnten – was im Fall der LMU nicht richtig ist.
Pflichtverletzung ja, aber wie erheblich?
Die Mitarbeiterin begeht zweifellos eine Pflichtverletzung, indem sie in den Räumlichkeiten ihres Arbeitgebers filmt. Aber ist das so schlimm, dass es eine fristlose Kündigung rechtfertigt? Wird der Arbeitgeber dadurch so sehr in die Öffentlichkeit gezogen? Doch nicht mehr, als wenn sie diese Äußerung auf dem Marienplatz bei einer Demonstration getätigt hätte, meint ein Arbeitsrechtler, der im Kontext dieses Falles nicht genannt werden möchte. Er wirft aber weitere Fragen auf: "Ist es dem Arbeitgeber wirklich unmöglich, sie weiter zu beschäftigen oder hätte eine Abmahnung ausgereicht? Würde sie nach einer Abmahnung erneut ein solches Video posten?" Relevant für den Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens wäre zudem, ob sie das Video während der Arbeitszeit produziert und gepostet hat und wie ernsthaft die geäußerte Reue ist. Dieser Arbeitsrechtler, der klar auf Jura und nicht auf Schwurbelei setzt, jedenfalls meint: "Ich vermute, die Gerichte würden der Kündigungsschutzklage stattgeben. Aber man weiß es nicht."
Die Güteverhandlung wird im Januar stattfinden. Die LMU wollt "mit Blick auf die Tatsache, dass es sich hier um ein laufendes arbeitsrechtliches Verfahren handelt (…) derzeit keine weiteren Auskünfte geben".
Video der LMU-Mitarbeiterin Samira Y.: . In: Legal Tribune Online, 20.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46996 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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