Eigentlich sollte es für eine Klasse aus Niedersachsen Mitte März 2020 nach Liverpool gehen. Als dann aber das Coronavirus bekannt wurde, stornierte die Lehrerin die Fahrt. Reiseveranstalterin und Schulträgerin streiten nun um die Kosten.
Die Kosten für eine Klassenfahrt, die wegen einer akuten Pandemielage im Reiseland abgesagt wurde, sind entschädigungslos zu erstatten. Das entschied das Oberlandesgericht Hamm (OLG) am 30. August 2021, geht aus einer am Montag veröffentlichten Pressemitteilung hervor (Urt. v. 30.08.2021, Az. 22 U 33/21).
Eine Klasse einer Schule in Niedersachsen hatte für März 2020 eine Klassenfahrt geplant. Die Lehrerin hatte bei einer Reiseveranstalterin eine einwöchige Reise nach Liverpool gebucht. Dafür stellte die Reiseveranstalterin einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro in Rechnung, den die Schulträgerin, eine Stiftung, zahlte.
Als sich dann jedoch das Coronavirus auch in Europa immer stärker verbreitete und die gesundheitlichen Folgen und Risiken bekannt wurden, stornierte die Lehrerin die Reise kurz vor der geplanten Abfahrt am 12. März 2020. Die Reiseveranstalterin erstattete allerdings nur knapp 1.000 Euro des gezahlten Betrages.
LG Detmold: Vertragspartner sind nur die Schülerinnen und Schüler
Dagegen klagte die Stiftung. Sie forderte die Rückzahlung des Restbetrags von 9.000 Euro. Sie sei nämlich zum entschädigungslosen Reiserücktritt berechtigt gewesen, da zum Zeitpunkt der Stornierung in England wegen der Coronapandemie "außergewöhnliche Umstände" im Sinne des § 651h Abs. 3 BGB vorgelegen hätten.
Das Landgericht Detmold wies die Klage jedoch ab (Urt. v. 01.02.2021, Az. 01 O 153/20). Das Gericht begründete die Entscheidung damit, die Stiftung selbst könne keine Rückzahlung des Betrages verlangen. Vertragspartner seien nämlich nur die für die Klassenfahrt angemeldeten Schülerinnen und Schüler selbst geworden. Sie seien bei Vertragsschluss durch die Lehrerin vertreten worden.
OLG gibt Stiftung Recht
Dieser Argumentation folgte das OLG nun jedoch nicht, sodass die Berufung ganz überwiegend Erfolg hatte. Zwischen der Stiftung und der Reiseveranstalterin sein ein Pauschalreisevertrag über eine Gruppenreise nach Liverpool zustande gekommen. Aus den Umständen der Vertragsabwicklung und der Korrespondenz sei aus Sicht der Reisveranstalterin deutlich geworden, dass die Lehrerin die Buchung nicht im Namen der Schülerinnen und Schüler oder ihrer Erziehungsberechtigten abgeschlossen habe. Vielmehr habe sie im Namen der Schule und damit der Schulträgerin, also der Stiftung, gehandelt.
Darüber hinaus hat der 22. Zivilsenat des OLG entschieden, dass die Reiseveranstalterin den vollen Reisepreis an die Stiftung zurückzahlen müsse. Die Covid-19-Pandemie habe eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des § 651h Abs. 3 BGB dargestellt. In Liverpool bestand ein deutlich erhöhtes Ansteckungsrisiko, sodass ein konkretes Risiko für ernsthafte Gesundheitsschäden vorgelegen hätte. Zwar habe das Auswärtige Amt erst am 17. März 2020 eine Reisewarnung für Reisen ins Ausland ausgesprochen. Allerdings sei bereits am 12. März 2020, als die Lehrerin die Reise stornierte, bekannt gewesen, dass es sich beim Coronavirus um einen neuartigen Krankheitserreger handele. Dieser könne akute Atemwegserkrankungen hervorrufen, die im schlimmsten Fall tödlich enden könnten.
Gerade bei Schülerreisen bestehe nun die Erwartung der Erziehungsberechtigten, dass sich die Schülerinnen und Schüler in einem sicheren Umfeld bewegten. Das Risiko einer Coronainfektion sei aber bei einer Reise nach Liverpool deutlich höher gewesen als in Deutschland, wo bereits am 12. März 2020 auch Schuldschließungen konkret im Raume standen und am nächsten Tag beschlossen wurden.
ast/LTO-Redaktion
OLG Hamm zu wegen Corona abgesagter Klassenfahrt: . In: Legal Tribune Online, 13.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45999 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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