Das Jugendamt wird zum Vormund eines 14-jährigen Flüchtlings bestellt. Wo sich das Mündel aufhält, darf es aber nicht entscheiden. Der Grund: Das Mädchen hat bereits in Syrien geheiratet. Und die Ehe ist auch wirksam, entschied das OLG Bamberg.
Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hat entschieden, dass dem für einen minderjährigen Flüchtling als Vormund bestellten Jugendamt keine Entscheidungsbefugnis für den Aufenthalt seines verheirateten Mündels zukommt (Beschl. v. 12.05.2016, Az. 2 UF 58/16).
Der Familiensenat stützt sich bei seiner Entscheidung auf § 1633 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach ein verheirateter Minderjähriger u.a. selbst darüber bestimmen kann, wo er sich aufhalten und mit wem er Umgang haben möchte. Diese Einschränkung der Personensorge der Eltern eines verheirateten Minderjährigen gilt - so der Senat - nach § 1800 BGB auch für den Vormund, der für den minderjährigen Flüchtling bestellt worden ist.
In dem vom OLG Bamberg entschiedenen Fall ging es um ein Ehepaar, das nach Deutschland gekommen ist. Der volljährige Ehemann und seine damals 14-jährige Ehefrau waren bei Eingehung der Ehe syrische Staatsangehörige und haben in Syrien geheiratet. In Deutschland wurde das Jugendamt als Vormund des Mädchens bestellt. Das Amt trennte die Ehegatten in Ausübung seines Aufenthaltsbestimmungsrechts zunächst. Dagegen zog der Ehemann vor Gericht, er wollte Umgang mit seiner Frau. Voraussetzung für diese Einschränkung der Personensorge des Vormunds ist eine wirksame Ehe.
Ehe fehlerhaft und anfechtbar - aber wirksam
Von einer solchen wirksamen Ehe nach syrischem Recht geht der Senat aus. Denn selbst wenn, so die bayerischen Richter, bei Eheschließung ein Verstoß gegen das nach syrischem Recht geltende Ehemündigkeitsalter vorgelegen hätte, wäre die Ehe nach syrischem Recht zwar fehlerhaft und anfechtbar, aber - solange es keine begründete Anfechtung gibt - als wirksam anzusehen.
Die gleiche Rechtsfolge - Wirksamkeit der Eheschließung bis zu einer etwaigen Eheaufhebung auf Antrag - gelte auch nach deutschem Recht: Danach solle eine Ehe zwar nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Gleichwohl könne ein Minderjähriger, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, aber heiraten, wenn sein künftiger Ehegatte volljährig ist und das Familiengericht eine Befreiung vom Alterserfordernis erteilt. Auch nach deutschem Recht sei eine Ehe, die unter Verstoß gegen die Vorschrift zur Ehemündigkeit geschlossen worden sei, als wirksam anzusehen, solange sie nicht auf Antrag aufgehoben wird.
Ob in der Anerkennung des syrischen Rechts zum Ehemündigkeitsalter ein Verstoß gegen den ordre public liegt, hat das OLG nicht entschieden. In jedem Fall - sei es nach syrischem, sei es nach deutschem Recht – sei zum jetzigen Zeitpunkt von einer wirksamen Ehe auszugehen. Im Hinblick auf deren Wirksamkeit habe das Jugendamt als Vormund daher keine Entscheidungsbefugnis für die Frage, wo sich die minderjährige Ehefrau aufhalten und mit wem sie Umgang haben möchte.
Ehe war keine Zwangsheirat
Auch die Kindeswohlbelange prüfte der Familiensenat, kam aber zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere liegen nach den Ausführungen der Richter keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei der Eheschließung um eine Zwangsheirat handeln könnte.
Ganz sicher war sich der zweite Senat dann aber doch nicht. Er ließ die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung zu. Insbesondere habe sich der Bundesgerichtshof (BGH) bislang nicht dazu geäußert, ob eine Eheschließung im Ausland bei Unterschreitung des - nach deutschem Recht geltenden - Ehemündigkeitsalters einen Verstoß gegen den ordre public darstellt und ob unter Kindeswohlgesichtspunkten ein solcher Verstoß ausnahmsweise die Nichtigkeit der Ehe zur Folge hat.
acr/LTO-Redaktion
OLG Bamberg erkennt Ehe an: . In: Legal Tribune Online, 10.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19626 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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