Schüler, deren Eltern Hartz IV beziehen, bekommen ihre Berufskleidung vom Jobcenter bezahlt. Das hat das LSG Niedersachsen-Bremen erstmalig entschieden. Allerdings darf die Kleidung dann nicht privat getragen werden.
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat erstmalig entschieden, dass Anschaffungskosten für Berufsschulkleidung vom Jobcenter vollständig zu übernehmen sind – und das unabhängig von der gesetzlichen Schulbedarfspauschale, wie das Gericht am Montag bekanntgab (Urt. v. 26.05.2020, Az. L 11 AS 793/18). Das gelte allerdings nicht für Kleidung, die auch privat getragen werden kann (Beschl. v. 15.04.2020, Az. L 11 AS 922/18).
Entschieden hat das LSG damit die Fälle eines 17-jährigen Schülers aus Hannover und einer 16-jährigen Schülerin aus Hildesheim, deren Familien beide Hartz-IV-Leistungen beziehen. Beide Jugendlichen gingen auf Berufseinstiegsschulen. Die 16-jährige besuchte eine Klasse für Hauswirtschaft und Pflege. Für den schulischen Kochunterricht benötigte sie eine weiße Hose, weiße T-Shirts und rutschfeste Schuhe. Der Junge nahm an einem speziellen Unterricht teil, um den Kochberuf zu erlernen. Dafür brauchte er ein neues Kleidungsset von Mütze bis Schuh.
Die Anträge auf Erstattung der neuen Kleidungsstücke lehnte das Jobcenter jeweils ab, weil die Jugendlichen bereits Pauschalbeträge für den Schulbedarf erhalten hätten. Weitere Beihilfen seien gesetzlich nicht vorgesehen. Alles was darüber hinaus gehe, müsste deswegen aus dem Regelbedarf finanziert werden.
"Reine" Berufsbekleidung muss das Jobcenter zahlen
Dieser Auffassung ist das LSG im Falle des 17-jährigen Schülers entgegengetreten und hat das Jobcenter dazu verurteilt, die Kosten von 115 Euro zu übernehmen. Nach Angaben des Gerichts erhält ein hilfebedürftiger 17-Jähriger eine monatliche Regelleistung von 306 Euro. Das notwendige Geld für die Berufskleidung lasse sich davon nicht ansparen, daher liege eine "offensichtliche und evidente Bedarfsunterdeckung" vor, womit das menschenwürdige Existenzminimum nicht gewährleistet werde. Die Berufskleidung werde nicht von der Schulbedarfspauschale erfasst, so das LSG. Hierzu zählten nur persönliche Ausstattungen wie der Ranzen und Turnzeug oder Gebrauchsmaterialien zum Schreiben, Rechnen und Zeichnen.
Deswegen schloss der Senat die verbliebene Bedarfslücke mit einer verfassungskonformen Auslegung. Denn der Gesetzgeber sei erkennbar gewillt gewesen, das Existenzminimum von Schülern zu decken, so das LSG. Da dies anhand des Wortlauts des Gesetzes nicht möglich sei, müsse die Lücke vom Gericht geschlossen werden. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat es aber die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) zugelassen.
Aus Alltagskleidung wird keine Berufskleidung
Anders beurteilte der Senat allerdings den Fall der Schülerin und bestätigte dort die Ablehnung durch das Jobcenter. Entscheidender Unterschied sei, dass es sich bei den erworbenen Kleidungsstücken der 16-jährigen nicht um spezielle Berufskleidung handele, sondern auch um Alltagskleidung, die auch außerhalb des Schulunterrichts getragen werden könne.
Außerdem hegte das LSG Zweifel an dem Kauf der Schülerin. So war es für die Celler Richter nicht nachvollziehbar, dass sie für den Einkauf von Schuldkleidung extra von Hildesheim nach Braunschweig zu Primark gefahren sei und dann auf einem langen Kassenbon einzelne Positionen als Nachweis markierte. Wenig überzeugend sei es auch, mit Kassenzetteln aus dem Monat Mai vermeintliche Kosten für das neue Schuljahr im September belegen zu wollen. Deswegen stand für den Senat fest, dass es sich dabei um herkömmliche Bekleidung handelt. Alltagskleidung sei allerdings aus dem Regelsatz zu beschaffen und werde nicht dadurch zu Berufskleidung, dass sie auch in der Schule getragen werde.
mgö/LTO-Redaktion
LSG Niedersachsen-Bremen: . In: Legal Tribune Online, 22.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41969 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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