Im Zweifel muss ein Unternehmen seinen Mitarbeitern das eigene Betriebsgelände für einen Streik zur Verfügung stellen, entschied das LAG Berlin-Brandenburg. Die Sache wird voraussichtlich vor dem BAG landen.
Streiks auf dem Betriebsgelände des betroffenen Unternehmens durchzuführen, ist prinzipiell nicht verboten, wenn dies zu einer effektiven Grundrechtsdurchsetzung nötig ist. So entschied am Mittwoch das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (Urt. v. 29.03.2017, Az. 24 Sa 979/16).
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hatte einen Arbeitskampf in der Amazon Pforzheim GmbH ausgerufen. So sollte erreicht werden, dass die Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels in Baden-Württemberg dort zur Anwendung kommen. Zu diesem Zweck wollte ver.di Streikposten auf dem nicht eingefriedeten und zum Betriebsgelände gehörenden, gepachteten Parkplatz des Unternehmens aufstellen.
Das Vorhaben begründete die Arbeitnehmergewerkschaft damit, dass angesichts der örtlichen Verhältnisse und des Organisationsgrads der Belegschaft nur so eine Kommunikation mit arbeitswilligen Arbeitnehmern effektiv geführt werden könne.
ArbG gab Klage von Amazon statt
Amazon erhob daraufhin Unterlassungsklage vor dem Arbeitsgericht (AG) Berlin. Dieses gab dem Unternehmen Recht: Nach Ansicht des Gerichts sei die Amazon Pforzheim GmbH nicht gehalten, ihr Betriebsgelände für gegen sie gerichtete Streikmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Ob dieses eingefriedet sei oder nicht, sei dabei unerheblich (Urt. v. 07.04.2016, Az. 41 Ca 15029/15).
Dieser Auffassung trat das LAG nun entgegen und wies die Klage von Amazon ab. Das Unternehmen müsse sich Einschränkungen seines Besitzrechtes am Betriebsgelände gefallen lassen, sofern dies zur Verwirklichung der in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) geschützten gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit notwendig sei.
Im vorliegenden Fall war dies nach Ansicht der Richter nicht anders zu gewährleisten als durch Arbeitskampfhandlungen auf dem Betriebsgelände.
Revision zum BAG zugelassen
Im Wesentlichen folgten sie damit der Argumentation der Beklagten: Angesichts der
örtlichen Verhältnisse könnten die Streikenden mit der Belegschaft nur auf dem Parkplatz kommunizieren und nur dort arbeitswillige Mitarbeiter zur Teilnahme am Streik auffordern.
Die betriebliche Tätigkeit von Amazon werde zudem nicht beeinträchtigt. Das Unternehmen müsse schließlich auch keine Betriebsmittel für den Streik zur Verfügung stellen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Gericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.
mam/LTO-Redaktion
Streik auf Betriebsgelände: . In: Legal Tribune Online, 29.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22518 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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