Im Fokus der IMK stand das Thema "Hass und Hetze", insbesondere im Internet. Auf Wunsch der Innenminister soll sich das NetzDG künftig auch auf Messengerdienste wie Telegram erstrecken. Was sonst noch beschlossen wurde:
Die Innenministerinnen und Innenminister der Länder haben sich auf ihrer Herbstkonferenz in einer "Stuttgarter Erklärung" für diverse Maßnahmen gegen Hate Speech ausgesprochen. "Gerade im Internet müssen wir unseren Kampf gegen Hass und Hetze weiter entschieden fortsetzen - hier gibt es noch Lücken, die wir stopfen müssen", sagte Baden-Württembergs Innenminister Tobias Strobl (CDU), unter dessen Vorsitz die IMK in diesem Jahr stand.
Zielführend seien dafür unter anderem folgende Maßnahmen:
- besserer Schutz von jüdischen Einrichtungen durch regelmäßigen Austausch mit der Polizei
- feste Verankerung der Antisemitismusbekämpfung in der polizeilichen Aus- und Fortbildung
- Verstärkung der Sensibilität der Polizei für Minderheiten (z.B. der "LSBTI-Gemeinschaft")
- gesetzliche Regelungen zur Identifizierbakreit von Straftäter:innen im Netz
- zentrale Meldestellen für Hasskriminalität im Internet
Zugleich sprachen sich die Innenminister:innen dafür aus, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zu ergänzen. Das NetzDG soll Online-Netzwerke wie Twitter, Facebook und die Google-Tochtergesellschaft Youtube in die Pflicht nehmen, strenger gegen Hass im Netz vorzugehen. Laut Innenministerkonferenz (IMK) leistet das NetzDG - ungeachtet anhängiger Verfahren hiergegen unter anderem von Google - bereits einen wichtigen Beitrag, um gegen Hass und Hetze im Netz vorzugehen. Allerdings sei der Anwendungsbereich des Gesetzes beschränkt: "Auch Messengerdienste wie etwa Telegram können als Medium zur Verbreitung strafrechtlich relevanter Inhalte fungieren, insbesondere, wenn sie sich von Diensten zur individuellen Kommunikation hin zu Massenkommunikationsmitteln entwickeln", heißt es in der Erklärung der Minister.
Neue Waffenamnestie befürwortet
Weiterhin befürwortet die IMK eine erneute Amnestie zur straffreien Abgabe von Waffen in den kommenden Jahren. Er sei zuversichtlich, dass auch der Bundestag in der laufenden Legislatuperiode einen entsprechenden Beschluss fassen werde, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD).
2009 und Ende 2017/Anfang 2018 hatten Bürger:innen bereits Gelegenheit, illegale Waffen straffrei bei den Waffenbehörden und der Polizei abzugeben. 2009 waren dies bundesweit 200.000 legale und illegale Waffen. Bei der nächsten Aktion kamen 71.000 Waffen zusammen.
Das Bundesinnenministerium hatte im Februar erklärt, es strebe derzeit keine Waffenamnestie an. So etwas solle die Ausnahme bleiben. Auch Pistorius betonte jetzt: "Man kann das nicht beliebig wiederholen." Ziel solcher Amnestien ist es generell, die Zahl illegaler Waffen zu reduzieren, weil sie eine Gefahr darstellen können.
Bund soll mehr für Katastrophenschutz bezahlen
Beschlüsse gab es auf der IMK auch zum Katastrophenschutz. Dieser könne immer nur so gut sein, wie die Datenlage, hieß es. Um die Sicherheit für die Menschen z.B. bei Flutkatastrophen zu erhöhen, versprach Strobl die Einführung eines "vollkommen neuen Nationalen Lagebildes". "Ein Früherkennungssystem, einen echten Krisenradar, mit dem wir IT- und KI-gestützt riesige Datenmengen zusammenführen, in Sekundenschnelle scannen und in Echtzeit analysieren. Wir wollen damit Krisen erkennen, bevor sie entstehen. Die Krisenprävention, die Prognosen und das gesamte Krisenmanagement bekommt damit eine vollkommen neue Qualität", so Strobl.
Unzufireden zeigten sich die Innenminister:innen hier mit dem bisherigen Engagment des Bundes: "Zu einem wirksamen Bevölkerungsschutz gehört auch, gerade nach den Erfahrungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Sommer, dass zukünftig wieder über Sirenen gewarnt werden kann", sagte Pistorius. Der Bund stelle aber leidiglich 88 Millionen Euro für die Ertüchtigung der Sirenen in den Jahren 2021 und 2022 für alle Länder zur Verfügung. Das reiche bei Weitem nicht aus, so Pistorius. "Allein Niedersachsen benötigt eine geschätzte Summe zwischen 80 und 100 Mio. Euro, also etwa das Zehnfache der uns bereitgestellten Summe. Rund 90 Prozent der Investitionen müssten wir aus Landesmitteln bestreiten. Darum haben wir auf der IMK beschlossen, dass der Bund diese Zahlungen verstetigen muss, um seiner Verantwortung im Bevölkerungsschutz nachzukommen."
Weiter* fordern die Landesinnenminister:innen den Bund auf, sich dafür einzusetzen, dass Sicherheitsbehörden bei der verschlüsselten Kommunikation "nicht im Blindflug" unterwegs sind. Anbieter von Kommunikationsdiensten müssten den Sicherheitsbehörden Kommunikationsinhalte unverschlüsselt zur Verfügung stellen. Die Behörden müssten sich besser vernetzen, um der zunehmenden Cyberkriminalität schnell Paroli bieten zu können, sagt Strobl. Auch will man schärfer gegen Cybererpressung vorgehen. Strittig bleibt die Frage der Strafbarkeit von Lösegeldzahlungen. Es soll geprüft werden, ob man Lösegeldzahlungen vom Versicherungsschutz ausnehmen sollte.
"Lösegeld bei einem Hackerangriff zu bezahlen, wirkt wie ein Brandbeschleuniger", sagt Strobl.
Sprengung von Geldautomaten: Appell an die Banken
Pistorius fordert die Banken in Deutschland auf, mehr für die Sicherheit ihrer Geldautomaten zu tun. Andernfalls seien auch entsprechende gesetzliche Vorgaben nicht ausgeschlossen. Pistorius sagte: "In den Niederlanden und in Belgien gibt es gesetzliche Verpflichtungen für die Banken, die Geldautomaten besser zu schützen. Bevor wir so etwas bei uns machen müssen, appelliere ich an die Banken hier in Deutschland und die entsprechenden Verbände, dass sich die Bankinstitute zukünftig zunächst auf freiwilliger Basis besser schützen." Nach Angaben der Polizei gab es 2020 bundesweit mehr als 400 Geldautomatensprengungen in Deutschland. Laut Pistorius ist die Zunahme in den vergangenen Jahren auch auf ein Ausweichen der Täter zurückzuführen, nachdem die Sicherheitsvorkehrungen in Belgien und den Niederlanden verstärkt worden waren.
Schließlich sprachen sich die Ministerinnen und Minister dafür aus, Schleuserkriminalität härter zu bestrafen. Bisher droht Schleusern eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten.
Die Innenminister wollen, dass künftig eine Mindeststrafe von sechs Monaten gelten soll, die nicht mehr ersatzweise mit einer Geldstrafe abgegolten werden kann. Ein Abschiebestopp nach Afghanistan sei auf der Konferenz kein Thema gewesen, weil derzeit de facto keine Abschiebungen möglich seien, sagt Pistorius. Man habe sich aber darauf verständigt, die Verfahren für Menschen aus Afghanistan zu beschleunigen - und zu klären, ob ein befristetes Aufenthaltsrecht gewährt werden könne.
Schärfere Strafen soll es auch im Kampf gegen Homophobie und transfeindliche Gewalt geben. "Wir können es in einer liberalen offenen Gesellschaft nicht dulden, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung angefeindet, bedroht und angegriffen werden und sich zum Teil nicht mehr frei und ohne Angst in der Öffentlichkeit bewegen können", sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD). Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) müssten besser geschützt werden. Das Bundeskriminalamt verzeichnete für das vergangene Jahr bundesweit 782 Straftaten aufgrund sexueller Orientierung.
*Von der Redaktion aktualisiert am 3.12.2021 um 16.35 Uhr
jb/hs/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
215. Sitzung der IMK in Stuttgart: . In: Legal Tribune Online, 03.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46837 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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