2009 verhängte die Kommission ein Rekordbußgeld von 1,06 Milliarden Euro gegen den Chiphersteller Intel. Das Unternehmen habe Computerherstellern missbräuchliche Ausschließlichkeitsrabatte gewährt. Der Generalanwalt hält das für falsch.
Der amerikanische Computerchip-Hersteller Intel hat gute Chancen, einer 2009 von der Kommission verhängten Geldbuße in Höhe von 1,06 Milliarden Euro nun doch noch zu entgehen. Das geht aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Nils Wahl am Europäischen Gerichtshof (EuGH) hervor, der die Rechtsmittel des Unternehmens gegen eine das Bußgeld bestätigende Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union (EuG) geprüft hat.
Die Kommission hatte dem Unternehmen den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Weltmarkt für x86-Prozessoren von 2002 bis 2007 vorgeworfen. Intel habe vier führenden Computerherstellern (Dell, Lenovo, HP und NEC) Rabatte gewährt, die an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass sie alle oder nahezu alle x86-Prozessoren bei Intel kauften. Ebenso habe Intel Zahlungen an Media-Saturn geleistet um sicherzustellen, dass die Einzelhandelskette nur x86-Prozessoren von Intel verkaufe. Diese Rabatte und Zahlungen hätten die Treue der vier Hersteller und von Media-Saturn sichergestellt und dadurch die Fähigkeit des einzigen ernsthaften Wettbewerbers von Intel, AMD, einen auf den Vorzügen ihrer x86-Prozessoren basierenden Wettbewerb zu führen, erheblich verringert.
Eine Klage von Intel gegen die Entscheidung der Kommission wies das EuG ab (Urt. v. 12.06.2014, Az. T-286/09). Exklusivrabatte, wie sie Intel gewährt habe, seien mit dem Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs unvereinbar. Ihr einziger Zweck sei es, dem Abnehmer die freie Wahl seiner Bezugsquellen unmöglich zu machen und Konkurrenten den Zugang zum Markt zu erschweren. Ohne objektive Rechtfertigung sei dies als missbräuchliche Ausnutzung der eigenen beherrschenden Stellung zu sehen, befand das EuG damals. Eine Feststellung, ob jeder Einzelfall auch geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken, erübrige sich daher.
Auch bei "Ausschließlichkeitsrabatten" muss der Einzelfall geprüft werden
Der Generalanwalt sieht das aber anders. Das Gericht habe zu Unrecht befunden, dass Ausschließlichkeitsrabatte eine besondere und eigenständige Kategorie von Rabatten darstellen, bei denen für die Entscheidung, ob eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung vorliege, keine Beurteilung aller Umstände erforderlich ist. Zwar gebe es grundsätzlich eine Missbrauchsvermutung bei Treuerabattregelungen – dennoch müsse im Einzelfall geprüft werden, ob das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstellt.
Selbst wenn der EuGH dieser Ansicht nicht folgen sollte, sei Intels Rechtsmittel trotzdem stattzugeben. Ausschließlichkeitsrabatte würden an die Bedingung anknüpfen, dass der Abnehmer seinen Bedarf "vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil" bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung decke. Diese Bedingung sei unter den vorliegenden Umständen nicht erfüllt, denn HP und Lenovo seien noch in der Lage gewesen, signifikante Mengen von x86-Prozessoren bei AMD zu kaufen.
Das Fazit des Generalanwalts: Das Urteil des EuG müsse aufgehoben werden. Trotzdem solle die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen werden, damit es sämtliche Umstände des Einzelfalls und gegebenenfalls die tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen des Verhaltens von Intel auf den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts prüft. Eine solche Überprüfung des Sachverhalts falle in die Zuständigkeit des EuG.
acr/LTO-Redaktion
Generalanwalt hält Rechtsmittel für begründet: . In: Legal Tribune Online, 20.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20913 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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