Viele Ausländer leben lange in Deutschland, beantragen aber keinen deutschen Pass. Die Bundesregierung will das ändern – für mehr Fachkräfte, aber auch als Anreiz für eine bessere Integration. Kritik kommt von verschiedenen Seiten.
Gut integrierte Einwanderer und ihre Kinder sollen künftig schneller einen deutschen Pass bekommen. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch den Entwurf von Innenministerin Nancy Faeser, der Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes und des Passgesetzes vorsieht. Danach werden Wartezeiten verkürzt und auch Doppelpässe ermöglicht.
Bisher sind Anträge auf Einbürgerung eher selten: Im vergangenen Jahr beantragten rund 168.500 Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit - und damit laut Innenministerium gerade einmal 3,1 Prozent der Ausländer, die seit mindestens zehn Jahren hier leben. Deshalb machten die Grünen schon Ende vergangenen Jahres Druck, das Staatsangehörigkeitsrecht zu ändern.
Die oppositionelle Union befürchtet allerdings, dass das Gesetz "Integrationsprobleme" verschärft und "falsche Signale" sendet. Faeser dagegen argumentierte in Berlin, die neuen Regeln für die Einbürgerung setzten Anreize, hierzulande besser Fuß zu fassen. Denn je besser jemand integriert ist, deutsch spricht und sich gesellschaftlich engagiert, desto eher kann er die Staatsangehörigkeit beantragen. "Wir wollen, dass Menschen, die längst Teil unserer Gesellschaft sind, unser Land auch demokratisch mitgestalten können", sagte die SPD-Politikerin. "Denn unsere Demokratie lebt davon, dass alle mitmachen."
Faeser: Reform ist Anreiz für Fachkräfte
Zugleich stärke die Reform die Wettbewerbsfähigkeit. "Wir werden die besten Köpfe in der Welt nur gewinnen, wenn sie in absehbarer Zeit voll und ganz Teil unserer Gesellschaft werden können – mit allen demokratischen Rechten", sagte Faeser. Deutschland soll durch die Reform für Fachkräfte attraktiver werden.
Aktuell haben nach Zahlen des Innenministeriums etwa 14 Prozent der Menschen in Deutschland keinen deutschen Pass, etwas mehr als zwölf Millionen. Darunter seien auch rund 5,3 Millionen, die seit mindestens zehn Jahren hier leben. Faeser sieht darin ein Teilhabeproblem: "Wenn ein Teil der Bevölkerung, der hier zu Hause und verwurzelt ist, nicht an politischen Entscheidungsprozessen mitwirken kann, ist das überhaupt nicht gut für unsere Demokratie", sagte sie.
Einbürgerung bei guter Leistung schon nach drei Jahren
Grundsätzlich sollen Migranten nach dem Willen der Bundesregierung nun schneller den deutschen Pass bekommen können – aber mit Bedingungen zur wirtschaftlichen und demokratischen Integration.
Einwanderer sollen nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Staatsbürger werden können. Bisher mussten sie dafür acht Jahre im Land leben. Bei guten Leistungen in Schule oder Job, guten Sprachkenntnissen oder ehrenamtlichem Engagement soll eine Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich sein.
Wer in Deutschland eingebürgert werden will, muss sich außerdem zu den Werten einer freiheitlichen Gesellschaft bekennen. Ausdrücklich ausgeschlossen wird der deutsche Pass daher für Menschen, die aus antisemitischen oder rassistischen Motiven Straftaten begangen haben. Neu eingeführt wird mit der vom Kabinett beschlossenen Reform eine "Übermittlungsregelung": Die Staatsanwaltschaften müssen der Einbürgerungsbehörde auf Anfrage mitteilen, ob jemand, der sich um den deutschen Pass bewirbt, schon einmal wegen einschlägiger Straftaten verurteilt wurde.
Wie das ZDF berichtete, unterstützt der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, die Regelung. "Ich begrüße das ausdrücklich", sagt er ZDF heute. Zwar habe eine antisemitische Straftat auch bisher schon eine Einbürgerung verhindern können, aber: "Dass es jetzt expressis verbis ausgedrückt wird, ausdrücklich erwähnt wird, ist ein wichtiges und gutes Zeichen."
Kritik von Grünen-Poltiker zu wirtschaftlichen Voraussetzungen
Voraussetzung ist auch, dass man seinen Lebensunterhalt in der Regel ohne Sozialleistungen bestreiten kann. Das wird jedoch scharf kritisiert: "Menschen mit Behinderung, Alleinerziehende und ältere Menschen, die existenzsichernde Leistungen beziehen, können die Anforderungen an einen gesicherten Lebensunterhalt oft nicht erfüllen", sagte die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman.
Ähnliche Kritik äußerten der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz: Die Grünen hätten sich gewünscht, dass es für Menschen, die unverschuldet ihren Lebensunterhalt nicht sichern können, weitergehende Möglichkeiten gegeben hätte. "Diese Ungerechtigkeiten sollte man versuchen, aus der Welt zu schaffen", sagte von Notz am Mittwoch im rbb24 Inforadio. Er hoffe auf Änderungen am Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren.
Faeser erklärte, für solche Fälle gebe es die Ermessenseinbürgerung: Eine Behörde kann der Einbürgerung in Ausnahmefällen auch zustimmen, wenn nicht alle Voraussetzungen erfüllt sind.
Doppelte Staatsbürgeschaft möglich
Wer einen deutschen Pass haben möchte, muss den alten künftig nicht mehr unbedingt aufgeben. Sogenannte Mehrstaatigkeit wird zugelassen, wenn Integration und Deutschkenntnisse nachgewiesen werden. Das ist bisher nur für EU-Bürgerinnen und -Bürger möglich.
Außerdem sollen alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern einen deutschen Pass bekommen, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt. Bisher gilt hier eine Frist von acht Jahren. Die Kinder sollen zusätzlich die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten dürfen.
Auch für Einwanderer, die schon sehr lange in Deutschland leben, sind Erleichterungen geplant. Bei Menschen, die bis in die 1970er Jahre als Gastarbeiter nach Deutschland oder bis 1990 als Vertragsarbeiter in die DDR kamen, soll auf schriftliche Deutsch-Prüfungen und einen Einbürgerungstest verzichtet werden. Sie hätten in der Vergangenheit nur wenig Angebote zur Integration bekommen, argumentierte Faeser. Sie müssen nur nachweisen, dass sie sich im Alltag ohne nennenswerte Probleme auf Deutsch verständigen können.
Union: Reform ist großer Fehler
Die Union im Bundestag hält die Reform für einen großen Fehler. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte: "Wer in Zeiten immer neuer Höchstzahlen bei der Migration auch noch die Voraussetzungen für den deutschen Pass absenkt, provoziert die weitere Polarisierung in der Gesellschaft." Fraktionsvize Andrea Lindholz warnte, der Doppelpass verstärke politische Einflussmöglichkeiten ausländischer Staaten in Deutschland.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sieht die Pläne der Bundesregierung für eine erleichterte Einbürgerung ebenfalls kritisch: "Das Gesetz wirkt wie ein Magnet – auch für mehr illegale Migration – und ist deshalb ein Rückschritt für die Integration."
Mit dem Beschluss im Kabinett ist das Gesetz noch nicht in Kraft. Es wird nun an den Bundestag weitergeleitet, der nach mehreren Debatten-Runden darüber abstimmt. Faeser sagte, im Idealfall könne die Reform im Januar umgesetzt sein.
dpa/lfo/LTO-Redaktion
Kabinett beschließt Reform des Staatsangehörigkeitsrechts: . In: Legal Tribune Online, 23.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52545 (abgerufen am: 22.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag