Seit einiger Zeit wird ein stärkerer Schutz des BVerfG durch GG-Änderungen diskutiert. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig. Die Union steht dem grundsätzlich offen gegenüber. Auch DAV und DRB befürworten die Pläne.
Die Spitze der Unionsfraktion hat sich angesichts des Erstarkens extremer Parteien für eine unaufgeregte Diskussion über Änderungen an den gesetzlichen Regeln zum Bundesverfassungsgericht ausgesprochen. "Ich warne einfach vor wie auch immer gearteten Schnellschüssen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), am Dienstag in Berlin. Man könne in die Stärke des Verfassungsorgans Bundesverfassungsgericht vertrauen. "Ich glaube, dass für eine hysterische Debatte in dem Zusammenhang kein Anlass besteht."
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, hatte der Welt am Sonntag gesagt, eine Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht solle künftig eine Zweidrittel- statt eine einfache Mehrheit erfordern. Fechner verwies unter anderem auf Polen, wo man erlebt habe, wie schnell ein Verfassungsgericht lahmgelegt werden könne.
Für LTO hat Dr. Markus Sehl den aktuellen Stand der Debatte hier umfassend analysiert.
Buschmann bestätigt Gespräche
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hält Vorkehrungen zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor Verfassungsfeinden für sinnvoll. Entsprechende Vorschläge würden auch bereits diskutiert, sagte der FDP-Politiker am Dienstag. "Als Demokraten haben wir die Verpflichtung, wachsam zu bleiben." Dazu gehörten auch Überlegungen, wie das Grundgesetz und seine Institutionen bestmöglich vor "verfassungsfeindlichen Einflüssen" geschützt werden könnten. Das Bundesverfassungsgericht als Hüterin der Verfassung habe da eine ganz besondere Stellung.
"Es werden bereits Gespräche geführt, wie dies wirksam gelingen kann", sagte Buschmann. Es brauche dazu insgesamt eine sorgfältig geführte, breit angelegte Debatte. Die vielfältigen Ideen, die derzeit diskutiert würden, lieferten dafür wertvolle Beiträge.
Frei sieht Richterwahl im GG skeptisch
Frei warnte nun gerade, alles, was im Grundgesetz festgeschrieben sei, sei mit Zweidrittelmehrheit fest gefügt. Er sehe derzeit nicht die Gefahr, dass eine politische Kraft im Bundestag und erst Recht nicht im Bundesrat mehr als 50 Prozent bekommen könne. Sehr viel größer sei dagegen die Gefahr, dass eine Kraft eine Sperrminorität von einem Drittel der Stimmen erhalten könne. Das müsse man bedenken.
"Es spricht viel dafür, das Gericht zu härten. Man muss aber aufpassen, dass es nicht verhärtet", warnte Frei. Man dürfe nicht das Gute wollen und das Gegenteil verursachen. So seien etwa die Regeln zur Wahl der Verfassungsrichter im Bundestag und Bundesrat nichts, was man mit Zweidrittelmehrheit im Grundgesetz verankern müsse. Die Richter am Bundesverfassungsgericht werden je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat jeweils mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Das Verfahren sorge auch dafür, dass ausgleichende Kandidaten gewählt würden, die nicht extreme Minderheitenpositionen verträten.
Auch Andrea Lindholz (CSU), stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, sagte gegenüber der Funke Mediengruppe: "Wir teilen die Sorge der parteipolitischen Einflussnahme auf die Justiz und insbesondere das Bundesverfassungsgericht. Dieses wichtige Thema sollte auf breiter Basis diskutiert werden".
DAV: "Widerstandsfähigkeit unseres Rechtsstaats steigern"
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt derweil Überlegungen zur Resilienz der Justiz. "Wir müssen die Widerstandsfähigkeit unseres Rechtsstaats steigern – institutionell und personell", mahnt Rechtsanwalt Dr. Ulrich Karpenstein, Vizepräsident des DAV. Hierfür müsse insbesondere die Justiz rechtzeitig vor politisch motivierten Ein- und Übergriffen geschützt werden. "Wir haben es in Polen, Ungarn und auch den USA gesehen: Wenn Autokraten und Populisten politische Mehrheiten erringen, wecken insbesondere die Besetzung und die Befugnisse der Verfassungsgerichte schnell Begehrlichkeiten."
Zwar sei das BVerfG im internationalen Vergleich "in hohem Maße unabhängig", so der DAV. Jedoch mahnt Karpenstein: "Auch unser System bietet zurzeit leider noch zu viele Angriffsflächen". Der DAV hält den Vorschlag, wesentliche Verfahrens- und Funktionsvorschriften der Verfassungsgerichte nur mit deren Einvernehmen zu ändern, für besonders zielführend. Ebenfalls denkbar wäre es jedoch, für derartige Regelungen eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages vorzusehen, zumindest jedoch systemrelevante Gewährleistungen unmittelbar im Grundgesetz zu verankern.
Um einer Blockade durch Sperrminoritäten entgegenzutreten, schlägt der DAV vor, dass zeitweise der Bundesrat die Richterstellen besetzen könnte, "sofern der Bundestag dieser Aufgabe über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen könne". Auch an die gesetzliche Errichtung von Richterwahlausschüssen unter Beteiligung der anwaltlichen Berufsverbände könnte gedacht werden, so der DAV, damit diese im Kooptationsverfahren etwaige Blockaden auflösen könnten.
Auch DRB grundsätzlich für GG-Änderung
Auch vom Deutschen Richterbund (DRB) kommt Unterstützung für eine mögliche Absicherung der Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts. Jedenfalls für eine Verankerung im Grundgesetz der wesentlichen Strukturen des Gerichts, also die Aufteilung in zwei Senate, zwölfjährige Amtszeit der Richter sowie der Zweidrittelmehrheit für ihre Wahl, spricht aus Sicht des DRB viel.
"Die Ampel-Koalition sollte jetzt in einem ersten Schritt Vorschläge machen, wie sich das Bundesverfassungsgericht noch besser gegen politische Durchgriffe und Blockaden absichern lässt", sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn am Dienstag. Weil die Justiz das Rückgrat einer demokratischen Gesellschaft sei, gelte es deshalb "rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Unabhängigkeit der Gerichte wirksam gegen Angriffe von Extremisten zu schützen", so Rebehn weiter.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Stand des Aritkels: 30.01.2023 15:53 Uhr
Besserer Schutz des BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 30.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53751 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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