Ein Gastwirt bekommt keine Entschädigung aus seiner Betriebsschließungsversicherung für den Lockdown im Frühjahr 2020. Covid-19 sei in den AGB nicht explizit genannt – und damit auch kein Versicherungsfall, so der BGH.
Je nach Formulierung einer Betriebsschließungsversicherung muss diese nicht für Ausfälle infolge von Lockdowns während der Corona-Pandemie aufkommen. Das hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) am Mittwoch anhand eines Falls aus Lübeck entschieden (Urt. v. 26.01.2022, (Az. IV ZR 144/21). Es ist das erste Mal, dass sich der BGH mit der Thematik befasst. Es gibt aber viele vergleichbare Fälle.
Im konkreten Fall begehrte ein Gastwirt die Feststellung, dass die Versicherung Axa ihm aufgrund der pandemiebedingten Schließung eine Entschädigung zahlen muss. Am 18. März 2020 trat nämlich die entsprechende Landesverordnung in Schleswig-Holstein in Kraft, die auch die Schließung sämtlicher Gaststätten vorsah.
Der Vertrag zwischen dem Gastwirt und der Axa enthält sogar Zusatzbedingungen im Fall der Schließung aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) – allerdings nur bei Auftreten der dort aufgezählten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger. Weder "Covid-19" noch "SARS-CoV" oder "SARS-CoV-2" sind dort ausdrücklich aufgeführt. Aus diesem Grund lehnten bereits die Vorinstanzen die Klage allesamt ab.
Aufzählung meldepflichtiger Krankheiten abschließend
Der BGH folgte dieser Auffassung nun und wies die Revision des Gastwirts zurück. Zwar setze der Eintritt des Versicherungsfalls nicht die Verwirklichung einer aus dem Betrieb selbst erwachsenden Infektionsgefahr voraus. Das habe noch das OLG Schleswig-Holstein angenommen. Allerdings habe es richtig erkannt, dass eine Betriebsschließung zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 oder SARS-CoV-2 nicht vom Versicherungsschutz umfasst sei. Die Aufzählung der meldepflichtigen Krankheiten in den Zusatzbedingungen der Versicherung sei abschließend.
Das ergebe sich auch aus der Perspektive des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, dessen Maßstab hier anzulegen sei. Sowohl Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Klausel sprächen dafür. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne nämlich nicht davon ausgehen, dass der Versicherer auch für nicht aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger die Deckung übernehmen will. Wie gerade Covid-19 zeige, könnten diese schließlich auch erst Jahre nach Vertragsschluss auftreten. Wegen der daraus folgenden Unklarheit sei für den Versicherer keine sachgerechte Prämienkalkulation möglich.
Die Klausel halte auch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stand, insbesondere liege kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Dies begründet der BGH wiederum mit dem klaren Wortlaut der Klausel.
"Entscheidung mit Breitenwirkung"
Dem Versicherungsrechtler Cäsar Czeremuga zufolge hat die Entscheidung des BGH "Breitenwirkung". "Der BGH entschied heute zwar einen Einzelfall und hob hervor, dass es stets auf die konkret vereinbarte Bedingungslage ankommt. Doch die dem Verfahren zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen – insbesondere die 'Liste' mit einer Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserreger – ist marküblich und weit verbreitet", so der Rechtsanwalt und Partner von Norden Rechtsanwälte gegenüber LTO. "Viele Hunderte versicherte Unternehmen werden wohl keine Versicherungsansprüche realisieren können. Allerdings muss man die schriftliche Urteilbegründung abwarten, um beurteilen zu können, welche weiteren Bedingungskonstellation keine Aussicht auf Erfolg haben dürften", so Czeremuga. Hoffnung bestehe dagegen weiterhin für Betriebe mit "Versicherungsbedingungen ohne Liste versicherter Krankheiten bzw. Krankheitserregen".
Fälle wie der aus Lübeck beschäftigten die Gerichte schon häufig. Alle sind dabei auf der Linie, dass es auf die konkrete Formulierung in den Vertragsbedinungen ankommt - wie der BGH nun bestätigte. So hat bereits das OLG Hamm eine Leistungspflicht einer Versicherung verneint, weil das Coronavirus in den AGB nicht ausdrücklich genannt wurde. Das OLG Karlsruhe hingegen hat über einen Fall entschieden, wo die gewählte Formulierung in den Versicherungsbedingungen nicht so eindeutig war. Genauso war es beim Wirt des bekannten Augustiner-Kellers in München, der eine Millionenentschädigung zugesprochen bekam. Das LG Köln hat ebenfalls mehrfach über die Frage der Entschädigungspflicht von Versicherungen für Betriebsschließungen wegen des Coronavirus entschieden.
pdi/LTO-Redaktion
BGH zur Betriebsschließungsversicherung: . In: Legal Tribune Online, 26.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47331 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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