Dürfen Kinder und Eltern auch künftig steuerfrei auf Basaren und Schulfesten Kuchen verkaufen? Diese Frage erhitzte zuletzt die Gemüter in Baden-Württemberg. Nun hat das Land eine EU-Vorschrift umgesetzt.
Wenn Kinder oder Eltern bei Schulfesten selbst organisiert Kuchen verkaufen, sind die Erträge auch künftig von der Umsatzsteuer befreit. Die Schule als Teil des Staats darf dabei aber nicht als Verkäufer auftauchen. Das ist die neue Richtschnur, auf die sich die Landesregierung Baden-Württembergs verständigt hat, wie die Südwest Presse und die Deutsche Presse-Agentur am Freitag erfuhren. Das Land setzt damit entsprechende europarechtliche Vorschriften um. Das bedeutet aber auch: Wenn Schüler zum Beispiel jeden Samstag auf dem Wochenmarkt Gebäck verkaufen, müssen sie - wie auch jetzt schon - bei einem Ertrag von mehr als 22.000 Euro im Jahr wie ein kleines Unternehmen auch Steuern zahlen.
Die Frage, ob künftig Kinder und Jugendliche, die für ihre Klassenreise oder einen guten Zweck Kuchen verkaufen, Steuern zahlen müssen, hatte zuletzt für einige Aufregung vor allem an den Schulen des Landes gesorgt. Im Kern ging es um die Frage, ob an öffentlichen Einrichtungen Leistungen erbracht werden, die auch ein privater Dritter erbringen könnte. Nach der EU-Mehrwertsteuer-Richtlinie sind Einrichtungen des öffentlichen Rechts wie Schulen grundsätzlich nicht umsatzsteuerpflichtig. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn durch ihre Tätigkeiten eine größere Wettbewerbsverzerrung zu privaten Unternehmen entsteht. Das sei zum Beispiel der Fall, wenn der geschäftstüchtige Schülersprecher sich jeden Morgen auf den Schulhof stellt und den Kuchen billiger anbietet als die Bäckerin nebenan, erklärt Jörg Wojahn, der Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland.
"Päpstlicher als der Papst"
Wojahn hat eine klare Meinung zur Mehrwertsteuer auf Kuchenverkauf an öffentlichen Bildungseinrichtungen: "Wenn eine Landesregierung so etwas macht, ergibt sich das nicht aus den ursprünglich auf EU-Ebene beschlossenen Regeln, sondern aus der strengen Umsetzung einer EU-Richtlinie in Deutschland. Ein klassischer Fall von Goldplating. Oder, auf gut Deutsch, päpstlicher sein als der Papst."
Goldplating bedeutet, dass eine nationale Ebene – in Deutschland also Bund bzw. Länder – eine EU-Richtlinie noch strenger umsetzt, als es eigentlich notwendig wäre. Daher apelliert der Vertreter der Kommission an Bund und Länder, die Umsetzung der Richtlinie, die in Baden-Württemberg zum Kuchensteuerstreit geführt hat, nocheinmal zu überprüfen. Es solle schließlich der Wettbewerb geschützt werden und keine unnötige Bürokratie entstehen, meint Wojahn. Bayern habe beispielweise schon Möglichkeiten gefunden, die Regeln entsprechend zu gestalten, dass sie kleine Kuchenverkäufe nicht unnötig belaste.
cp/LTO-Redaktion mit Material der dpa
Kuchensteuerstreit in Baden-Württemberg: . In: Legal Tribune Online, 03.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48657 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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