Das geplante Rückkehrrecht von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung ist vom Kanzleramt gestoppt worden. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles zeigt sich enttäuscht und wirft der Union vor, den Koalitionsvertrag zu brechen.
Es wäre ein großer Vorteil für viele Arbeitnehmer gewesen, die gerne für ein paar Jahre in Teilzeit gehen und danach wieder in die Vollzeitbeschäftigung zurückkehren möchten, insbesondere viele Mütter. Doch aus dem Vorhaben von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wird vorerst nichts. Wie sie am Dienstag in Berlin mitteilte, hat das Bundeskanzleramt das Gesetzesvorhaben gestoppt.
"Das Kanzleramt hat mir mitgeteilt, dass eine Kabinettsbefassung nicht mehr vorgesehen ist" erklärte Nahles und teilte sogleich gegen Koalitionspartner CDU aus. Der Stopp sei enttäuschend: "Frau Merkel verhindert damit das Gesetz, das für hunderttausende Frauen den Weg aus der Teilzeitfalle bereitet hätte".
Den Beweggrund hierfür witterte sie in Druck der Arbeitgeber. Nahles' Gesetzentwurf hatte vorgesehen, dass Beschäftigte, die zeitlich begrenzt ihre Arbeitszeit verringern möchten, danach zur ursprünglichen Arbeitszeit zurückkehren können. Dies sollte für Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern gelten und nur dann, wenn die Angestellten zuvor bereits sechs Monate dort beschäftigt gewesen waren. Sie sollten die begrenzte Teilzeit mindestens drei Monate vorher beantragen müssen.
Nahles: "Verwässern und Verzögern" durch Union
Union und Arbeitgebervertreter hatten andere Vorstellungen, was die Größe der Unternehmen betraf, auf die das Gesetz Anwendung finden sollte. Sie wollten die Eingangsschwelle bei 200 Beschäftigten festlegen, was rund drei Millionen Teilzeitbeschäftigte ausgeschlossen hätte.
Nahles betonte, stets gesprächsbereit gewesen zu sein, doch die Union sei nicht willens gewesen, sich konstruktiv einzubringen: "Die Strategie von Union und Arbeitgebern war Verwässern und Verzögern" warf sie ihren Gesprächspartnern vor. Sie hätten so viele Arbeitnehmer wie möglich von dem Gesetz ausnehmen wollen.
Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz meldete sich am Mittwoch zu Wort: "Verantwortung dafür trägt eindeutig die Vorsitzende der CDU, Angela Merkel, die ganz offensichtlich mit dieser Entscheidung zu einem Ende der ordnungsgemäßen Zusammenarbeit in der großen Koalition kommen will".
Man werde das Thema aber weiter auf der Tagesordnung behalten, kündigte Nahles an, die damit auch im aktuellen Bundestagswahlkampf werben will. In diesem Monat kam zudem aus Brüssel der Vorschlag für eine Richtlinie, die unter anderem ein Rückkehrrecht aus der Teilzeit vorsehen soll.
Vor allem Frauen arbeiten in Teilzeit
Teilzeitbeschäftigung ist ein immer wichtigeres Thema auf dem deutschen Arbeitsmarkt. In den letzten 20 Jahren stieg die Anzahl der in Teilzeit beschäftigten von 8,3 Millionen auf 15,3 Millionen in 2016. Prozentual stieg der Anteil seit 1991 kontinuierlich von 17,9 Prozent auf 39 Prozent im vergangenen Jahr. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nehmen vor allem Frauen Teilzeit in Anspruch - nicht immer auf ihren Wunsch hin.
Die Arbeitgeber müssten bei Gesetzesvorhaben wie diesem eingebunden werden, forderte ein Sprecher des Arbeitgeberverbandes BDA: "Flexibilität bei der Arbeitszeit ist nur mit, nicht gegen die Betriebe zu organisieren". Diese fänden mit ihren Beschäftigen flexible und individuelle Lösungen.
Dagegen kritisierte Reiner Hoffmann, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die Haltung der Betriebe: "Statt vor allem Millionen Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, Familie und Beruf endlich sinnvoll zu verbinden, beharren die konservativen Kräfte auf Stillstand". Die gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linken, Jutta Krellmann, forderte unterdessen die SPD auf, zusammen mit Linken und Grünen das Rückkehrrecht noch vor der Wahl zu beschließen.
dpa/mam/LTO-Redaktion
Kanzleramt stoppt Gesetzesvorhaben: . In: Legal Tribune Online, 23.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23014 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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