Die "Letzte Generation" als kriminelle Vereinigung? Zu dieser Frage vertraten am Mittwochabend bei ZDF heute live "Strafverteidiger"-Herausgeber Matthias Jahn und Ex-Bundesrichter und LTO-Kolumnist Thomas Fischer unterschiedliche Ansichten.
Nach der Großrazzia gegen die "Letzte Generation" und der Beschlagnahme der Internetseite der Aktivisten – inklusive anschließendem Warnchaos – wird nun auch in der breiten medialen Öffentlichkeit über die Frage diskutiert, ob die "Letzte Generation" tatsächlich eine kriminelle Vereinigung im Sinne des Strafgesetzbuches (StGB) ist.
Im ZDF diskutierten am Mittwochabend in der Online-Sendung heute live zwei Strafrechtsgrößen über die umstrittene Frage: Der Frankfurter Universitätsprofessor und Herausgeber der Zeitschrift "Strafverteidiger" Matthias Jahn trat gegen Ex-Bundesrichter und LTO-Kolumnist Thomas Fischer an.
Einig waren sich beide darin, dass die Warnung der Staatsanwaltschaft auf der beschlagnahmten Internetseite der "Letzte Generation" rechtswidrig war. Dort wurde trotz nicht abgeschlossener Ermittlungen und gerichtlich nur festgestelltem Anfangsverdacht gestern mit Ausrufezeichen festgestellt: "Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar! (Achtung: Spenden an die Letzte Generation stellen mithin ein strafbares Unterstützen der kriminellen Vereinigung dar)." Nach Medienanfragen, auch von LTO, änderte die Staatsanwaltschaft den Hinweis ab.
Es handele sich um eine Vorverurteilung, die Staatsanwaltschaft müsse klarmachen, dass es sich nur um einen Verdacht handele, so Fischer. Die Festlegung sei "schlicht und ergreifend unzulässig gewesen." Jahn selbst äußerte den Verdacht die Feststellung sei zu Symbol- und Wahlkampfzwecken erfolgt. Es sei ein Befreiungsschlag, um gegenüber der Bevölkerung zu kommunizieren: "Jetzt haben Aktivitäten der Strafverfolgungsbehörden eingesetzt, die diesen Umtrieben ein Stoppschild hinstellen". Doch ein solches Vorgehen stehe der Staatsanwaltschaft und der Polizei nicht zu.
Uneinigkeit in Kernfrage
Zur Kernfrage, ob die "Letzte Generation" als Kriminelle Vereinigung anzusehen ist, vertraten Jahn und Fischer jedoch völlig unterschiedliche Positionen. Für Jahn sind Durchsuchungen unverhältnismäßig. § 129 StGB fordere weiterhin, dass das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung bedroht sein müsse. Dies sei bei bloßen Klebeaktionen nicht der Fall, § 129 StGB ziele auf Vereinigungen ab, die mafiaähnlich organisiert seien. Insofern müsse auch danach gefragt werden, welche Ziele die "Letzte Generation" - in Abgrenzung zur Mafia - verfolge.
Dem widersprach Fischer, der sich – wie in seiner LTO-Kolumne – gegen moralisierende Erwägungen stellte und mit dem Tatbestand des § 129 StGB argumentierte. Dieser stelle gerade nicht auf mafiöse Strukturen ab oder auf Clubs wie die "Hells Angels", sondern darauf, ob systematisch Straftaten begangen werden, deren Mindesthöchststrafe zwei Jahre beträgt. Dies sei bei Nötigungen (§ 240 StGB) der Fall. Im Übrigen seien den Aktionen auch die Erheblichkeit nicht abzusprechen: Zehntausende Bürger würden durch die Maßnahmen völlig unabhängig von ihrem Verhalten schikaniert - und zwar mit Gewalt im Rechtssinne, so Fischer.
fz/LTO-Redaktion
Streitgespräch Jahn vs. Fischer: . In: Legal Tribune Online, 25.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51853 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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