Der Gesetzgeber will Verbraucher in Zukunft besser vor falschen Bewertungen im Online-Handel schützen. Das ist gut für die Kunden, meinen Martin Gerecke und Nils Graber. Aber für die Händler wäre mehr drin gewesen.
Bewertungen und Empfehlungen von Verbrauchern sind für Unternehmen eine bedeutende Werbemöglichkeit und für potenzielle Kunden eine wichtige Informationsquelle –ihre Bedeutung, gerade im Online-Handel, wächst.
Die Europäische Union hat sich deshalb mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 schon länger zum Ziel gesetzt, gefälschte oder manipulierte Verbraucherbewertungen zu bekämpfen. Der Anfang November vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) veröffentliche Referentenentwurf setzt Teile dieser Richtlinie im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) um und legt dabei den Fokus auf die Rolle der Online-Plattformen.
Plattformbetreiber müssen nur informieren
Unternehmen müssen demnach künftig nach dem neuen § 5b Absatz 3 UWG-E darüber informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass die Bewertungen, die sie veröffentlichen, von Verbrauchern stammen, die die bewerteten Waren oder Dienstleistungen tatsächlich erworben oder in Anspruch genommen haben.
Vordergründig besteht keine Pflicht, Maßnahmen zur Echtheitsprüfung von Verbraucherbewertungen vorzuhalten. Die Unternehmen sind nach dem Wortlaut von § 5b Absatz 3 UWG-E nur zur Transparenz verpflichtet: Halten sie keine Maßnahmen wie automatisierte Filtersysteme oder individuelle Prüfprozesse vor, müssen sie über diesen Umstand informieren.
Werden Maßnahmen vorgehalten, muss der Unternehmer nach dem Willen des Gesetzgebers hierüber aufklären. Verlangt werden Angaben darüber, welche Prozesse und Verfahren ergriffen, wie mit Bewertungen im Rahmen des Prüfprozesses umgegangen und nach welchen Kriterien Bewertungen aussortiert werden.
Pflicht oder keine Pflicht?
Das BMJV kommt in seiner Begründung zu dem Schluss, der Entwurf verpflichte Unternehmen nicht, Maßnahmen zur Überprüfung der Echtheit von Bewertungen vorzuhalten. Untätige Unternehmen haben daher nur einen sehr geringen Aufwand, die Anforderungen zu erfüllen. Doch regelt die Neufassung des UWG tatsächlich keine derartige Pflicht?
Das Transparenzgebot des § 5b Absatz 3 UWG-E wird ergänzt durch zwei neue, im Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG enthaltene, Verbote (sog. Black-List, Per-Se-Verbot ohne Relevanz- oder Wertungskriterien).
Während Nr. 23c es verbietet, falsche Bewertungen zu beauftragen und darzustellen, adressiert Nr. 23b die Irreführung über die Echtheit von Verbraucherbewertungen mangels vorhandener Prüfsysteme. Unzulässig ist danach "die Behauptung, dass Bewertungen einer Ware oder Dienstleistung von solchen Verbrauchern stammen, die diese Ware oder Dienstleistung tatsächlich erworben oder genutzt haben, ohne dass angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen zur Überprüfung ergriffen wurden, ob die Bewertungen tatsächlich von solchen Verbrauchern stammen."
Prüfmaßnahmen schaffen Vertrauen
Im Regelfall geht mit jeder Bewertung die Behauptung einher, dass derjenige, der sie erstellt, eine authentische Erfahrung schildert. Ein Unternehmen, das nichts unternimmt, um die Echtheit von Bewertungen zu überprüfen, kann nur zulässig handeln, wenn es diese Behauptung nicht aufstellt. Es müsste zudem offen kommunizieren, dass die Bewertungen von Verbrauchern stammen könnten, die die Ware oder Dienstleistung gar nicht erworben oder genutzt haben.
Die Authentizität von Verbraucherbewertungen, die im Idealfall die positive Erfahrung eines Kunden abbilden, ist jedoch der wesentliche Grund, weshalb Unternehmen mit ihnen werben. Kein Unternehmen wird freiwillig eingestehen, dass es sich nicht darum bemüht, die Echtheit der Bewertungen zu prüfen. Wenngleich der Referentenentwurf auf dem Papier niemanden verpflichtet, Prüfmaßnahmen vorzuhalten, werden sich die Neuregelungen in der Praxis deshalb dennoch wie eine Pflicht auswirken.
Aus Verbrauchersicht begrüßenswert
Verbraucher dürfen aufgrund der Regelungen hoffen, dass es einfacher wird, die Authentizität von Bewertungen zu überprüfen. Unternehmen müssen zukünftig proaktiv tätig werden, um sich das Vertrauen der Verbraucher in ihr Bewertungssystem zu verdienen. Sie können sich nicht mehr darauf zurückziehen, nur interne Maßnahmen zu treffen. Verlangt wird dabei, dass die Plattformen darüber informieren, wie die Prüfung der Bewertungen abläuft, welche Bewertungen veröffentlicht werden, ob einzelne Bewertungen gesponsort oder beeinflusst wurden und ob zwischen positiven oder negativen Bewertungen unterschieden wird.
Bezüglich der Form existieren keine Vorgaben, sodass die Grundsätze des § 5a Absatz 2 UWG gelten: Die Kenntnisnahme der Informationen darf nicht vereitelt oder erschwert werden, indem sie etwa inmitten anderer Informationen versteckt wird. Weiter muss sie für den Durchschnittsverbraucher verständlich sein.
Positiv ist aus Verbrauchersicht ebenfalls, dass die Überprüfung der Einhaltung geeigneter Maßnahmen vereinfacht wird. Das führt automatisch zu einer Erhöhung des Schutzniveaus. Während in der Vergangenheit Maßnahmen nur anlässlich konkreter irreführender Bewertungen überprüft wurden, wird durch das Transparenzgebot nunmehr eine abstrakte Kontrollmöglichkeit geschaffen.
Verbraucherschutzorganisationen und Mitbewerber können nun prüfen, ob eine Plattform oder ein Konkurrent Maßnahmen ergreift und ob diese angemessen und verhältnismäßig sind. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere in der Anfangszeit genau auf die Einhaltung der neuen Pflichten geachtet wird und sie auch gerichtlich und außergerichtlich eingefordert werden.
Plattformen können sich nur schwer gegen Fake-Bewertungen wehren
Einen wichtigen Aspekt zur Bekämpfung von Fake-Bewertungen lässt der Referentenentwurf jedoch bedauerlicherweise außer Acht: Die Stärkung der Handlungsmöglichkeiten für Plattformbetreiber. Bereits das Bundeskartellamt (BKartA) konstatierte in seiner kürzlich veröffentlichten Sektoruntersuchung zu Nutzerbewertungen, dass es selbst engagierten Portalen nicht immer gelingt, die Entstehung neuer, nicht-authentischer Bewertungen zu verhindern.
Dies läge unter anderem an der Rechtslage in Deutschland, die den Kampf der Plattformen gegen unlauter handelnde gewerbliche Bewertungsvermittler oder andere Ersteller von Fake-Bewertungen erschwere, so das BKartA. Diese entziehen sich einer Verfolgung regelmäßig, indem sie ihren Sitz ins Ausland verlegen oder nur über Chatgruppen tätig sind.
Eine strafrechtliche Verfolgung, wie sie in Italien oder Großbritannien möglich sei, komme in Deutschland nicht in Frage, und eine zivilrechtliche Verfolgung scheitere daran, dass die Portale keine Mitbewerber der Bewertungsvermittler seien. Da teilweise keine Auskunftspflicht gegenüber den Plattformen existiere, sei es schwierig, unlauter handelnde Bewertungsvermittlern zu identifizieren. Die Möglichkeit, engagierte Plattformen bei dem Versuch zu unterstützen, gegen die Ersteller von Fake-Bewertungen vorzugehen, hat der Referentenentwurf nicht genutzt.
Formen Gerichte den Gold-Standard?
Der Referentenentwurf lässt Plattformen mit Verbraucherbewertungen ohne klare Handlungsanweisungen zurück. Klar ist nur, dass Maßnahmen gegen Fake-Bewertungen ergriffen und dass sie transparent gemacht werden müssen. Die Frage, ob sie auch "angemessen und verhältnismäßig" sind und damit den Anforderungen der Nummer 23b des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG-E genügen, wird von der Rechtsprechung der nächsten Jahre beantwortet werden. Da die gerichtliche Überprüfung der Maßnahmen Dritter für Mitbewerber und Verbraucherschutzorganisationen vereinfacht wurde, sind in diesem Bereich in Zukunft viele Gerichtsentscheidungen zu erwarten.
Positiv bleibt aus Verbrauchersicht, dass sie zukünftig klar erkennen können, ob und was ein Unternehmen unternimmt, um Bewertungen zu überprüfen. Das Vertrauen der Verbraucher in ein Bewertungssystem kann so positiv verstärkt werden. Inwieweit ein von der Rechtsprechung ausgeformter "Gold-Standard" der Filtersysteme dazu führt, dass weniger Fake-Bewertungen im Online-Handel existieren, ist offen.
Die Autoren:
Dr. Martin Gerecke ist Rechtsanwalt bei CMS Deutschland und berät Unternehmen und Einzelpersonen im Urheberrecht, Presse- und Äußerungsrecht sowie zum Recht der neuen Medien.
Nils Graber ist Rechtsreferendar am OLG Celle und bei CMS Deutschland in der Anwaltsstation tätig.
Mehr Verbraucherschutz im Online-Handel: . In: Legal Tribune Online, 24.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43495 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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