Die neu gegründete Wirtschaftskanzlei Pier 11 aus Hamburg verabschiedet sich von der Abrechnung nach Stundenhonorar. Stattdessen wollen die Anwälte schon vor der Mandatierung ein verbindliches Honorar mit ihrem Mandanten vereinbaren. Stephan R. Göthel, einer der Gründungspartner von Pier 11, erläutert im Interview, welche Idee dahinter steckt.
LTO: Statt wie in Wirtschaftskanzleien üblich nach einem Stundenhonorar abzurechnen, bieten Sie Beratung zu einem vorab vereinbarten Festpreis an. Warum?
Prof. Dr. Stephan R. Göthel: Zum einen fordern Mandanten dies zunehmend. Wenn ein Unternehmen einen Anwalt auf der Basis eines Stundenhonorars mandatiert, ist am Anfang oft unklar, was die Beratung am Ende kostet. Aber die Budgetvorgaben in den Unternehmen werden enger, Preissicherheit ist den Rechtsabteilungen deshalb wichtig. Für eine Mandatierung kann es daher heutzutage entscheidend sein, wenn der Anwalt vorher sagt, was es nachher kostet und damit genauso unternehmerisch handelt wie der Mandant.
Außerdem sind wir davon überzeugt, dass das Stundenhonorar die falschen Anreize setzt. Es richtet den Blick auf die Quantität und nicht auf die Qualität der Arbeit. Letzteres ist jedoch das Entscheidende für den Mandanten. Mit unserer Honorargestaltung bringen wir die Interessen des Mandanten mit unseren in Einklang. Wir gehen mit dem Mandanten ins Risiko und handeln damit so unternehmerisch wie er. Wir sind davon überzeugt, dass dies vertrauensfördernd ist.
"Feste Caps bietet kaum ein Anwalt von sich aus an"
LTO: So neu ist die Idee aber nicht, Caps und Pauschalen gibt es ja schon...
Göthel: Das stimmt. Aber solche Honorarabreden sind häufig nur sogenannte weiche Vereinbarungen. Das heißt, es wird vereinbart, dass man sich nach Erreichen einer Obergrenze mit dem Mandanten zusammensetzt und noch einmal über das Honorar spricht. Feste Caps bieten Anwälte jedenfalls kaum von sich aus an. Und wenn ein Anwalt einen Festpreis vorschlägt, dann überlegt er sich, wie viele Stunden er für das Mandat braucht. Wir gehen einen anderen Weg.
LTO: Wie sieht dieser Weg aus?
Göthel: Wenn ein Anwalt sein Honorar kalkuliert, betrachtet er üblicherweise die Kosten und überlegt sich, wie viele Stunden er braucht, um die Kosten zu decken und ausreichend Gewinn zu erzielen. Je höher die Kosten mit hochbezahlten Associates sind, desto höher müssen die Zahl der abgerechneten Stunden oder das Stundenhonorar sein.
Wir haben unsere Kosten natürlich auch im Blick, und müssen dies auch. Aber für die Honorargestaltung orientieren wir uns am Mehrwert unserer Leistung für den Mandanten. Allein danach richten wir unseren Festpreis aus, den wir dem Mandanten pro-aktiv anbieten. Dazu gehört auch, dass wir überlegen, wie wir die Aufgaben des Mandats intern verteilen. Wenn wir ein verbindliches Honorar vereinbaren, geht es uns übrigens nicht darum, mit Dumpingpreisen in den Markt zu gehen. Als Boutique zielen wir auf erstklassige Spitzenberatung zu einem angemessenen Preis.
Mehrere Optionen für den Mandanten
LTO: Was heißt das konkret?
Göthel: Wir klären zunächst, was der Mandant inhaltlich will und bieten ihm dann gegebenenfalls mehrere Optionen an – mal mit mehr, mal mit weniger Aufwand. Auch ein anderer Faktor kann entscheidend sein, den ich mit einem Beispiel erklären möchte: Eine identische Rechtsfrage kann in einem Unternehmen ein Haftungsrisiko von zehn Millionen Euro bedeuten, in einem anderen Unternehmen aber von nur 100.000 Euro. In diesem Fall werden nicht beide Unternehmen bereit sein, für ein Gutachten denselben Preis zu zahlen.
LTO: Schlägt sich dieser Honorar-Ansatz auch in Ihrer Kanzleistruktur nieder?
Göthel: Wir sind am 1. April mit drei Partnern gestartet und haben bereits Angestellte, vor allem auch juristische. Derzeit prüfen wir, wie wir unser Mitarbeiterteam erweitern wollen. Hierbei prüfen wir die Gruppe der Wirtschaftsjuristen sehr genau. Sie dürfen zwar nicht wie Rechtsanwälte beraten, können aber wertvolle Vorarbeit leisten, nicht nur in Unternehmen, sondern auch in Kanzleien.
LTO: Herr Göthel, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Prof. Dr. Stephan R. Göthel hat zum April gemeinsam mit Dr. Oliver Rossbach und Dr. Franz W. Schmitz die Kanzlei Pier 11 in Hamburg gegründet. Sie ist auf die Bereiche Corporate, Finance und Commercial fokussiert. Göthel und Rossbach waren zuvor Partner bei Taylor Wessing, Schmitz war Syndikusanwalt und General Counsel in Unternehmen der MPC-Gruppe.
Anja Hall, Alternative Vergütungsmodelle: . In: Legal Tribune Online, 13.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15215 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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