Wer die Arbeit in der Großkanzlei liebt, aber dennoch nicht Partner werden will, hat es mitunter schwer. Was sich in den Kanzleien ändern müsste, damit der Counsel-Status attraktiver wird, erörtert Beraterin Carmen Schön im LTO-Interview.
LTO: Viele Kanzleien haben den Counsel-Status eingeführt, der es Anwälten ermöglichen soll, auch ohne Partnerschaft dauerhaft in der Kanzlei zu bleiben. Das klingt zwar gut, doch wer sich umhört, merkt schnell: Die Position des Counsel ist unbeliebt. Woran liegt das?
Carmen Schön: Der Counsel-Status hat mitunter etwas Abwertendes an sich, im Sinne von: Als Counsel hat man es nicht geschafft, Partner zu werden. Das ist zwar nicht in jeder Kanzlei der Fall, wird aber oft undifferenziert gesehen und dann so wahrgenommen.
LTO: Woran liegt das? Sind Kanzleien nicht auf solche fachlichen Experten eingestellt?
Schön: Doch, schon. Am Anfang der Laufbahn, in den ersten drei oder vier Jahren, steht die fachliche Arbeit im Vordergrund: Die Associates sollen vor allem lernen. Dann greift das Up-or-out-Prinzip, zumindest bislang. Inzwischen ist da aber ein Wertewandel zu beobachten.
LTO: Was ist der Auslöser dieses Wandels?
Schön: Die Kanzleien haben zunehmend ein Recruitment-Problem. Sie bekommen nicht mehr so viele gute Juristen, wie sie benötigen. Daher überlegt man, die „älteren“ guten und erfahrenen Mitarbeiter zu halten. Hinzu kommt, dass viele junge Juristen gar nicht mehr Partner werden wollen. Daher ist die Idee eines "Experten", der auf hohem fachlichem Niveau arbeitet, gut und wichtig; sie müsste nur grundsätzlich anders kommuniziert werden.
"Counsel lieben die fachliche Arbeit, aber nicht ihre Vermarktung"
LTO: Wie denn?
Schön: Wichtig wäre, den Expertenstatus als neue Rolle innerhalb der Kanzlei zu verstehen. Er sollte keine Warteposition (auf dem Weg zur Partnerschaft) sein, sondern auf Augenhöhe mit dem Partner. Das erfordert jedoch einen organisatorischen Kulturwandel.
LTO: Wie könnte das konkret umgesetzt werden?
Schön: Indem man die Position beispielsweise schon im Recruitment und Bewerbungsgespräch vorstellt und sie in Karrierepläne aufnimmt. Es wäre auch zu überlegen, in welchen Kanzlei-Gremien oder Jour Fixes die Experten vertreten sein sollten. Womöglich sollten sie auch in der Partnerversammlung ein Sprachrohr bekommen.
LTO: Welche Aufgaben könnte der typische Experten-Counsel denn übernehmen?
Schön: Das sind Anwälte, die gerne fachlich vertieft arbeiten und die inhaltliche Arbeit lieben. Sie arbeiten dem Partner auf hohem Niveau zu. Generell haben Anwälte, die für den Status eines Fachexperten geeignet sind, weniger Interesse an Selbstdarstellung und an Selbstvermarktung. Sie netzwerken ungern, sondern arbeiten lieber in Ruhe und möglichst ohne Außenkontakt. Zudem sind es oft Menschen, die dem für Großkanzleien typischen Umsatzdruck nicht standhalten können oder wollen.
"Man muss sich fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, immer wieder neue Junganwälte einzustellen"
LTO: Kann es sich eine Kanzlei überhaupt leisten, langfristig Anwälte zu beschäftigen, die nur im Hinterzimmer arbeiten und keine eigenen Mandate akquirieren?
Schön: Das hängt letztlich von der Auftragslage der Kanzlei ab. Je größer und renommierter sie ist, desto mehr sprudeln die Mandate. Dann wäre solch ein Modell denkbar. Allerdings könnte der Experte durchaus etwas zum Geschäftserfolg beitragen, indem er intern selbst für seine eigene Auslastung sorgt und sich um das Cross-Selling kümmert. Cross-Selling ist bekanntlich das größte Potenzial, das Kanzleien nicht heben. Experten könnten also zusätzlichen Umsatz schaffen. Das würde allerdings ein gewisses Maß an Selbstmarketing erfordern. Und damit müsste man sich wieder überlegen, ob der Experte nicht dann doch partnerähnliche Aufgaben bekommt, die er eigentlich gar nicht will – denn sonst hätte er ja nicht den Expertenstatus gewählt.
LTO: Soweit die Theorie. Doch in der Praxis sieht es nach wie vor anders aus: Wenn man sich Pressemeldungen von Kanzleien anschaut, dann arbeiten zwar unzählige Associates auf den Mandaten, aber nur ganz vereinzelt Counsel. Warum ist das so?
Schön: Ja, warum nehmen die Kanzleien nicht statt drei Associates einen Counsel? Der ist schneller, weil er mehr Erfahrung hat – zugegebenermaßen ist ein Counsel auch teurer als ein Berufseinsteiger. Jüngere Associates müssen jedoch eingearbeitet werden, was wiederum zeitaufwändig ist. Grundsätzlich stellt sich durchaus die Frage, ob die Praxis vieler Kanzleien sinnvoll ist, immer wieder junge Anwälte einzustellen, anstatt auf die Älteren und Erfahrenen zu setzen. In Business-Service-Lines wie dem Personalwesen oder dem Business Development kann man als Anwalt in einer Kanzlei durchaus alt werden. Warum sollte das nicht auch im operativen Geschäft möglich sein?
Anja Hall, Karriereoptionen abseits des Partnertracks: . In: Legal Tribune Online, 29.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19836 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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